E-Book, Deutsch, Band 5, 112 Seiten
Reihe: Herr Heiland ermittelt
Simons Herr Heiland und der dicke Fisch
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7517-0165-5
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Provinz-Krimi. Folge 5
E-Book, Deutsch, Band 5, 112 Seiten
Reihe: Herr Heiland ermittelt
ISBN: 978-3-7517-0165-5
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Johann Simons ist ein deutscher Autor, der bereits viele Romane unter vielen Namen verfasst hat. Unter diesem Pseudonym lebt er seine Vorliebe für gemütliche Krimis mit charmantem Schmunzelhumor aus.
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Kapitel 2
Alte Flammen brennen lang
Der Citroën 2CV gehörte zur Charleston-Baureihe und hieß Rüdiger. Das, fand Heiland, war aber so ziemlich alles an Positivem, was man über ihn sagen konnte. Der Motor der altersschwachen Ente keuchte bei jedem Gangwechsel, die Sitzfederung verdiente ihren Namen kaum und schien aus Methusalems Grundschulzeiten zu stammen. Zwei der schwarz lackierten Kotflügel wurden nur noch von Rost und blindem Gottvertrauen an Ort und Stelle gehalten. Doch Rüdiger gehörte zum Pfarrhaus von St. Hilarius wie Fräulein Dimpels Kohlspeisen und der abgewetzte Teppich vor dem Wohnzimmersofa. Schon Heilands Amtsvorgänger hatte die Straßen der Region mit ihm unsicher gemacht, und auch Heiland nutzte den Wagen, wann immer die Situation es erforderte. Aber nur dann, dachte der Zweiundsechzigjährige. Dann keuchte auch er. Sein etwas zu rundlicher Bauch passte kaum hinter das Lenkrad des engen Gefährts. Wann immer Rüdiger durch ein Schlagloch fuhr – von denen es auf den Landstraßen rund um Sonntal leider ungefähr so viele geben musste wie Engel am Thron des Allmächtigen –, war Heiland, als führe sein Magen in ihm Fahrstuhl. Der Pastor hatte die Ortsgrenze vor wenigen Minuten hinter sich gelassen. Nun sah er sich von grünen Wiesen, von Bauer Billens Getreidefeldern und von den ersten Vorboten des nahen Waldes umgeben. Die Morgensonne schien erpicht, die Kälte der Nacht zu einer schwachen Erinnerung verkommen zu lassen, und ein sanfter Wind trieb kleine Schäfchenwolken über einen zunehmend blauer werdenden Himmel. Postkartenwetter – und das in der Nachsaison. Nein, Sonntal konnte sich wirklich nicht beklagen. Jedenfalls nicht über mangelnde Schönheit. Wenn nur die Morde nicht wären, dachte Heiland. Hinter jedem Tod steckte ein Menschenleben, das zu Ende ging. Niemand wusste das besser als Pastor Heiland. Und hinter jedem rätselhaften Tod steckte ein Geheimnis. Letztere faszinierten ihn, so ungern er es auch zugab. Heiland war großer Fan der Kriminalromane um Chief Inspector Timothy Smart, den besten Mann von Scotland Yard, und in den Monaten seit seiner Ankunft in Sonntal hatte auch er das ein oder andere Mal ein bisschen Detektiv spielen dürfen. Ob der heutige Tag ihm erneut die Gelegenheit dafür schenkte? Heiland wusste nicht, ob er darauf hoffen oder sich nach Kräften dagegen wehren wollte. Vermutlich beides. »Wir fahren erst einmal zum Fundort der Leiche«, erklärte er dem geduldig zuhörenden Rüdiger. »Das allein verpflichtet uns noch zu absolut gar nichts. Richtig?« Die Ente rumpelte über die Straße. Es klang wie eine Zustimmung. Der Stausee lag nicht weit vom Ort entfernt. Auf der Sonntal zugewandten Seite des kreisrunden Gewässers befand sich der weitläufige Campingplatz, auf dem während der Urlaubsmonate kaum eine Parzelle frei blieb. Auch jetzt, da er Rüdiger auf den zugehörigen Parkplatz steuerte, sah Heiland noch zahlreiche Wohnwagen, Wohnmobile und Zelte auf dem Gelände stehen. Jenseits von Wasser und Staumauer ragte der dichte Wald gen Himmel, eine dunkle Wand aus Laub- und Nadelbäumen verschiedenster Art. Erst kürzlich hatte Heiland von einem Förster erfahren, dass Sonntals Forstanlagen zu den gesündesten und facettenreichsten der gesamten Region zählten. Leider hatte sich besagter Förster wenig später als schwer kriminell herausgestellt. Der See glich einem funkelnden Spiegel. Sonnenlicht tanzte auf seiner glatten Oberfläche, und Libellen sirrten durch das hohe Ufergras. Heiland brauchte nicht nach dem Weg zum Fundort der Leiche zu fragen. Schon von Weitem konnte er die drei Uniformierten der Polizeiwache Bad Blümchen erkennen, zu denen auch sein Bekannter Tobias Kern zählte. Kern, ein vollbärtiger Mittdreißiger, war ein sympathischer Geselle, dessen Einsatzeifer seinesgleichen suchte. Zu seinem Leidwesen war es um seine Deduktionsgabe allerdings nicht allzu gut bestellt, weshalb sich sein Ehrgeiz mitunter selbst ein Bein stellte. Ginge es nach Kern und seinen berüchtigten »Theorien zum Tathergang«, säße inzwischen wohl schon halb Sonntal unschuldig hinter Gittern, während sämtliche Mörder der letzten Monate ihr Leben in Freiheit genossen. Da Kern sich der eigenen Grenzen aber bewusst war, freute er sich stets, wenn Heiland seinen Ermittlungen einen richtungsweisenden Schub verpasste. Was konkret hieß: Die Fälle löste. Allzu erfreut wirkte er an diesem Morgen allerdings nicht. »Das ist doch alles Scheiße!« Die Stimme des sonst so sanftmütigen Provinzpolizisten trug weit. Außerdem überschlug sie sich fast. »Himmelschreiende Affenkacke ist das!« »Ganz ruhig, Tobi«, sagte sein Nebenmann. Heiland kannte ihn nicht mit Namen, hatte ihn und auch den Dritten in ihrem Uniformbunde aber bereits auf der Wache gesehen. »Einatmen und ausatmen, okay? Wir konzentrieren uns einfach auf die Leiche und vergessen für den Moment mal alles andere. Einverstanden?« »Pff.« Kern blaffte seinen Kollegen an. »Du hast gut reden …« Was ist denn in den armen Kern gefahren?, wunderte sich Heiland. Er hatte sich dem mit allerlei Absperrband gesicherten Winkel des Seeufers vielleicht bis auf ein halbes Dutzend Schritte genähert, blieb nun aber unsicher stehen. Vielleicht war dieser unangekündigte Besuch doch keine so gute Idee. »Herr Heiland?«, erklang plötzlich eine Stimme in seinem Rücken. Sie war heller als Kerns, deutlich weiblicher … und auch sie erkannte der Pastor prompt. »Frau, äh … Biene?« Die Kioskbetreiberin vom Sonntaler Dorfplatz stand hinter ihm auf dem Weg, der zwischen den Parzellen entlangführte. Sie trug Jeansjacke und T-Shirt, und ihr schwarzes Haar war so streng gescheitelt wie eh und je. »Verzeihen Sie«, sagte er. »Aber ich fürchte, ich kenne Ihren Nachnamen gar nicht.« »Wieland«, erwiderte sie lächelnd. »Aber Biene reicht völlig. So nennt mich jeder hier.« Sie winkte ab. »Stichwort hier: Was machen Sie hier? Gehören Sie etwa zu den drei Spürnasen da drüben?« »Gott bewahre, nein.« Heiland schüttelte den Kopf. »Ich dachte nur, ich könnte ihnen ein wenig zur Hand gehen.« Ein wissendes Lächeln umspielte Biene Wielands Mundwinkel. »Sankt Sherlock, jaja. Ich hörte schon von Ihren detektivischen Abenteuern.« »Und Sie?«, fragte Heiland. »Was tun Sie hier?« Er wusste natürlich, dass Wieland als Dauercamperin am Stausee lebte. Um diese Uhrzeit hätte er sie aber weit eher in ihrem Kiosk als daheim vermutet. »Ich bin eine Zeugin, fürchte ich«, antwortete sie. »Jedenfalls war ich dabei, als die beiden Angler die Leiche aus dem Wasser zogen. Brr, das war gruselig. Und jetzt soll auch ich hier warten, falls die Polizei noch etwas von mir wissen will.« Heiland warf einen Blick zurück zum erstaunlich mürrischen Kern und dem Seeufer, dann fasste er einen Entschluss. »Erzählen Sie mir davon?« »Klar.« Wielands Miene hellte sich auf. »Bei einem Kaffee, vielleicht?« »Sie schickt der Himmel, mein Kind«, erwiderte Heiland und folgte der lachenden Frau über den Campingplatz. Wielands Tiny House war das erste seiner Art, das ihm je untergekommen war. Fasziniert – und auch ein wenig entsetzt – sah er seiner Gastgeberin zu, wie sie mit geübten Hangriffen einen Klapptisch aufstellte und die kleine Kaffeemaschine neu füllte. »Und hier wohnen Sie? Also so richtig?« Wieland grinste breit. »So richtig mit allem drum und dran. Der Mensch braucht nicht viel, Herr Heiland. Er weiß es nur nicht.« »Das mag ja sein«, murmelte der Pastor. Sein Blick wanderte durch das Innere des hölzernen Wohncontainers, über das Hochbett mit der schmalen Leiter, die bequem wirkende Couch, die beiden Herdplatten und die Schiebetür, die offenbar ins Bad führte. »Aber muss es denn gleich so wenig sein?« »Also«, sagte Wieland. Sie setzte sich zu ihm an den Klapptisch und zog eine Schachtel Kekse hervor, in die Heiland mit einem dankbaren Lächeln griff. »Sie wollen wissen, wie es da drüben aussieht. Richtig?« Er nickte. »Jede Information könnte hilfreich sein.« »Na ja.« Wieland lehnte sich zurück. In der Ecke neben der Couch schlief ein Hund auf einem breiten Kissen und schnarchte leise. »Der Typ ist jedenfalls mausetot, so viel ist sicher. Sah echt übel aus. Dunkler Anzug, teure Schuhe … Und diese Wunde am Kopf. Herr Heiland, das wirkte richtig brutal!« »Könnte er gestürzt sein?«, fragte Heiland. »Etwa beim Wandern? Sich den Kopf gestoßen haben und in dann in den See geplumpst sein?« Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Da kenne ich mich nicht aus. Ich würde aber eher darauf wetten, dass man ihm eine verpasst hat. Mitten auf den Schädel. Und wer wandert im Anzug?« Heiland machte sich eine mentale Notiz, dann fuhr er fort. »Kennen Sie den Mann? Ihr Kiosk steht ja mitten im Ort, Sie sehen den ganzen Tag über Menschen.« »Den nicht«, antwortete sie. »Der ist mir noch nie begegnet, garantiert nicht. Der sieht auch nicht aus wie ein Urlauber oder so. Eher wie ein Banker.« Heiland hob eine Braue. »Ein Banker?« »Ja, oder irgendein anderer Business-Typ eben. Versicherungen, Unternehmensberatung. Wie großes Geld, das meine ich.« »Und die Leiche lag noch nicht lange im Wasser, korrekt? Es handelt sich nicht um eine Wasserleiche.« Wieland hatte sich gerade einen Keks nehmen wollen, ließ es nun aber. »Sie meinen so...