Siever | Übersetzungswissenschaft | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 271 Seiten

Reihe: bachelor-wissen

Siever Übersetzungswissenschaft

Eine Einführung

E-Book, Deutsch, 271 Seiten

Reihe: bachelor-wissen

ISBN: 978-3-8233-0265-0
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Diese Einführung bietet Anfänger:innen und Fortgeschrittenen einen kompakten, verständlichen Überblick zu Themen, Theorien und Theoretiker:innen der Übersetzungswissenschaft von den Anfängen bis in die Gegenwart. Zur besseren Orientierung und Verdeutlichung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Theorien nutzt der Autor ein Paradigmenkonzept, das sich im Unterricht einsetzen lässt, aber auch Lernenden im Selbststudium als Leitfaden dienen kann. Am Ende jeder mit Beispielen, Merksätzen und Zusammenfassungen didaktisch aufbereiteten Einheit finden sich Fragen und Aufgaben, Hinweise zu weiterführender Literatur, ein detailliertes Begriffsregister sowie Anregungen zum Weiterdenken. Ein Downloadbereich unter www.narr.de hält überdies weitere Aufgaben samt Lösungen sowie zusätzliche Materialien bereit. Die zweite Auflage wurde überarbeitet und um das nachmetaphysische Paradigma erweitert.

Prof. Dr. Holger Siever lehrt an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind: Translationswissenschaft, Translationstheorie, Translationsdidaktik, Translationsphilosophie, Interkulturelle Kommunikation und Semiotik.
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Einheit 1: Die vorwissenschaftliche Periode
Inhalt 1.1Einleitung 1.2Übersetzen in der Antike 1.3Übersetzen im Mittelalter und in der Renaissance 1.4Übersetzen im Barock und in der Aufklärung 1.5Übersetzen in der Romantik 1.6Übersetzen in der Moderne 1.7Fragen und Aufgaben 1.8Verwendete und weiterführende Literatur Zum Weiterdenken 1.1 Einleitung
Die Übersetzungswissenschaft ist eine sehr junge Wissenschaft, die sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts allmählich aus der Linguistik und Literaturwissenschaft heraus als eigenständige Disziplin entwickelt hat. Das Übersetzen ist aber – wie auch das Nachdenken über das übersetzerische Tun – sehr alt. Dementsprechend unterscheiden wir zwischen einer vorwissenschaftlichen Periode bis ca. 1950 und einer wissenschaftlichen Periode ab ca. 1950. vorwissenschaftliche Periode Das Übersetzungsdenken während der vorwissenschaftlichen Periode war vor allem von zwei Gegensätzen geprägt: dem Gegensatz zwischen wortgemäßem und sinngemäßem Übersetzen dem Gegensatz zwischen richtiger und falscher Übersetzungsmethode Wer sich in der vorwissenschaftlichen Periode mit dem Übersetzen beschäftigte, gehörte somit einer von zwei Fraktionen an: Die einen vertraten die Meinung, dass das richtige Übersetzungsverfahren nur ein wortgemäßes (wörtliches) sein könne; während sich die anderen vehement für das sinngemäße (freie) Übersetzen als das richtige Übersetzungsverfahren einsetzten. Als Kompromissformel bildete sich allmählich die klassische Übersetzungsregel heraus: »Übersetze so wörtlich wie möglich und so frei wie nötig.«1 Die Herausbildung der Übersetzungswissenschaft als eigenständiger Disziplin ist auch und gerade durch das Bemühen gekennzeichnet, sich von dieser klassischen Übersetzungsregel insofern loszusagen, als man versuchte allgemeine Regeln anzugeben, wann ein wörtliches, wann ein freies Vorgehen zielführend ist. Die Anfänge des Übersetzens und des übersetzerischen Denkens verlieren sich im Dunkel der Frühgeschichte. Die ersten Übersetzungen, von denen wir Kenntnis haben, wurden in Mesopotamien (Sumerer, Assyrer, Babylonier) und Ägypten verfertigt. Es ist anzunehmen, dass die ersten Schriftgelehrten, die vor die Aufgabe gestellt wurden, Übersetzungen anzufertigen oder ihre Nachfolger »einzulernen«, bereits über die richtige Methode des Übersetzens nachdachten. Aus dieser frühgeschichtlichen Phase besitzen wir jedoch keine im weiteren Sinne theoretischen Aufzeichnungen. Bezeugt ist lediglich, dass bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. in Mesopotamien das Wort-für-Wort-Übersetzen praktiziert wurde (Vermeer 2000: 88). Sichere Kenntnis von einem systematischen Nachdenken über das Übersetzen haben wir erst aus der römischen Antike. Einer der ersten Übersetzungstheoretiker ante litteram, dessen Überlegungen heute noch nachzulesen sind, war der römische Philosoph, Schriftsteller, Rhetor und Übersetzer Cicero. Dementsprechend ist es sinnvoll, die vorwissenschaftliche Periode des übersetzerischen Denkens in der Antike beginnen zu lassen. Sie dauerte mehr als 2000 Jahre und wurde erst Mitte des 20. Jahrhunderts aufgrund der sich nach dem Zweiten Weltkrieg ergebenden politischen, gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen durch die wissenschaftliche Periode abgelöst. Die vorwissenschaftliche Periode lässt sich analog zu den bei Literatur oder Kunst üblichen Epocheneinteilungen in sechs Phasen gliedern. Für jede Phase werden wichtige Autoren genannt, deren übersetzungstheoretische Reflexionen typisch für ihre Zeit waren: Tab. 1.1 Phasen und Vertreter der vorwissenschaftlichen Periode Phase Vertreter Antike
(bis 500 n. Chr.) Terenz, Cicero, Quintilian, Hieronymus, Boethius Mittelalter
(500–1450) Gerhard von Cremona, Roger Bacon, Robert Grosseteste, Wilhelm von Moerbecke, Nicolas Oresme, Maimonides, Übersetzerschule von Toledo Renaissance
(1450–1600) Niklas von Wyle, Heinrich Steinhöwel, Leonardo Bruni, Martin Luther, José Luis Vives, Fray Luis de León, Baltasar Céspedes, Joachim Du Bellay, Étienne Dolet, Jacques Amyot, Bernardo Davanzati Barock
(1600–1720) John Dryden, François de Malherbe, Jean Baudoin, Perrot d’Ablancourt, Pierre Daniel Huet Aufklärung
(1720–1790) Tytler, D’Alembert, Venzky, Gottsched, Bodmer, Breitinger, Wieland, Herder, Goethe, Jacques Delille Romantik
(1790–1850) Novalis, Friedrich Schlegel, August Wilhelm Schlegel, Friedrich Schleiermacher, Wilhelm von Humboldt Moderne
(1850–1950) Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Wolfgang Schadewaldt, Walter Benjamin, José Ortega y Gasset, Francisco Ayala, Kornei Chukovsky, Valéry Larbaud Rückt man inhaltliche Aspekte in den Vordergrund, statt sich an gängigen historischen oder literarischen Epochen zu orientieren, kommt man zu einer Dreiteilung der vorwissenschaftlichen Periode. Von Stackelberg (1972) schlägt eine Periodisierung in Antike (Zeit der rhetorischen Übersetzung), Mittelalter (Zeit der pragmatischen bzw. inhaltlichen Übersetzung) und Neuzeit (Zeit der literarischen Übersetzung) vor. Seele (1995: 107 f.) sieht hingegen den ersten Epochenbruch zwischen heidnischer Antike und christlicher Spätantike (also im 4. Jh.n.?Chr.), als „das Wörtlichkeitspostulat der Bibelübersetzer auch die Maximen der Übersetzer weltlicher … Literatur“ zu beeinflussen begannen. Den zweiten Epochenbruch verortet sie im 18. Jh. mit dem Einsetzen der Aufklärung, die „für die literarische Übersetzung erstmals verbindliche Regeln“ festzulegen versucht (Seele 1995: 108). Nach der Periodisierung von Stackelberg ist es der Schlüsselbegriff der Treue und die sich daran anschließende Debatte um das wörtliche oder freie Übersetzen, was alle Ansätze der vorwissenschaftlichen Periode miteinander verbindet. Nach der Einteilung von Seele ist hingegen von einer ersten Epoche in der heidnischen Antike auszugehen, in der zwischen Bearbeitung und Übersetzung noch nicht kategorisch unterschieden wird (Seele 1995: 102), der Übersetzer also eine sehr große Freiheit genießt, die durch keinerlei präskriptive Vorgaben eingeschränkt wird. Mit Cicero setzt dann die „Übersetzungsreflexion im engeren Sinne“ ein (Seele 1995: 102), in deren Verlauf sich allmählich ein eigentlicher Übersetzungsbegriff herauszubilden beginnt, der andere Formen der Texttransformation ausschließt. Wörtlich-Frei-Debatte In der zweiten, christlich geprägten Epoche verbindet sich dieser enge Übersetzungsbegriff mit dem biblisch inspirierten Wörtlichkeitspostulats und mündet schließlich in die sattsam bekannte Wörtlich-Frei-Debatte. Die theoretischen Diskussionen dieser zweiten Epoche drehen sich vornehmlich um die Frage, mit welcher Methode die Treue der Übersetzung zum Original erreicht werden könne und – damit eng verbunden – um welche Art von Treue es denn gehe. Der Freiheit des...


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