E-Book, Deutsch, 3147 Seiten
Sienkiewicz Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski
Zweite Ausgabe
ISBN: 978-80-268-2241-7
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 3147 Seiten
ISBN: 978-80-268-2241-7
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Ohne Dogma + Pan Wolodyjowski + Sturmflut' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Henryk Sienkiewicz (1846-1916) war ein polnischer Schriftsteller und Träger des Nobelpreises für Literatur. Inhalt: Die Kreuzritter Mit Feuer und Schwert Sintflut Pan Wolodyowski, der kleine Ritter Quo Vadis?
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2. Kapitel. Nimm sie hin!
Inhaltsverzeichnis
Das mitten im Walde gelegene Jedlinka war nicht mehr weit. Bald erblickte man das riesige vom Wald umrahmte Viereck, das die verstreuten Häuser bildeten. Etwa zwanzig an der Zahl lagen sie wie schwarze Flecke da, aber ihre schneebedeckten Dächer schimmerten im Mondlicht. Am Rande zogen sich die Wirtschaftsgebäude hin, im Hintergrunde lag das herrschaftliche Wohnhaus. Es war ehedem nur eine Herberge der königlichen Förster gewesen. Cypryanowicz hatte es umgebaut und vergrößert, doch sah es im ganzen noch eben so alt und trist aus wie zuvor. Aus den erleuchteten Fenstern fiel der Schein in rosigen Strahlen auf den Schnee, auf die Mauern, auf die hohen Schwengel der Brunnen. Ohne Zweifel erwartete der alte Cypryanowicz, daß sein Sohn ihm diese Gäste zuführen werde, denn kaum hatte der Schlitten die Pforte der Einfriedigung überschritten, so liefen Diener mit Fackeln in den Händen herbei und stellten sich zu beiden Seiten der Freitreppe auf. Dann erschien der Herr des Hauses, bekleidet mit einem Marderpelz. Trotz der Kälte nahm er beim Anblick der Kutsche die Pelzmütze ab. »Was für huldvolle Gäste bringt uns Gott in unsere Einsamkeit?« fragte er mit einer breiten Geste der Bewillkommnung. Der junge Mann küßte ehrfurchtsvoll die Hand des Vaters, während Pongowski aus dem Wagen stieg und zeremoniös antwortete: »Längst war es mein Vorhaben, aus freien Stücken die Pflicht zu vollziehen, die mich heut die Notwendigkeit ausführen läßt. Ich segne nichtsdestoweniger den Zwang, der so gut mit meinem Wunsche harmoniert.« »Auf der Welt gibt's immer wieder Ueberraschungen,« erwiderte Cypryanowicz, »und zwar auch freudige, angenehme, wie jetzt diese hier. Erweist mir die Gunst, unter mein Dach zu treten.« Mit diesen Worten verneigte sich Pan Seraphin von neuem und bot Frau Winnicka den Arm, indem er seine Gäste einlud, ihm in seine Gemächer zu folgen. Sobald die Reisenden über die Schwelle getreten waren, empfanden sie auch schon jenes Wohlbehagen, das der Uebergang von eisiger Finsternis in Wärme und Licht zu erwecken pflegt. In den Kaminen der Vorhalle und der sehr großen Räume brannten Holzscheite. Die Diener zündeten Kerzen in verschwenderischer Fülle an. Pan Pongowski beobachtete verstohlen und nicht ohne Erstaunen. Er hatte bei Edelherren der einfachen Klasse noch nie einen solchen Reichtum gefunden. Beim vereinten Licht der Leuchter und der Kamine bemerkte man kostbare Truhen und hohe florentinische Lehnstühle, daneben Uhren, venezianische Gläser, Kronleuchter. Auf Brokatstoffen hingen orientalische Waffen, mit Türkisen besetzt. Die Füße traten auf das weiche Gewebe der Krim. An den Wänden des Ehrensaals hingen einander gegenüber zwei prachtvolle Gobelins aus Arras, die einem Adelspalast zur Zierde gereicht hätten. »Alles das haben sie von der Elle und vom Handel her,« dachte Pan Pongowski neidisch. »Und jetzt können sie die Adeligen von oben herab angucken und sich was einbilden auf diesen Luxus, zu dem ihnen ganz gewiß kein Säbelstreich verholfen hat.« Aber die Zuvorkommenheit und die freimütige Gastlichkeit der Cypryanowicz verscheuchten bald die Mißlaune des alten Herrn; verriet doch auch das Klirren von Gläsern und silbernem Geschirr im benachbarten Speisezimmer, daß ein reichhaltiges Mahl vorbereitet wurde. Um die eisige Nässe zu vertreiben, von der die Reisenden durchdrungen waren, reichte man ihnen zuerst einen starkgewürzten Glühwein. Die Zungen lösten sich. Die überwundene Gefahr war der Gegenstand der Gespräche. Pongowski zollte dem jungen Cypryanowicz überschwengliches Lob. Dieser junge Mann sei nicht zu Hause geblieben, wo er sich doch die Füße hätte wärmen können; er sei lieber auf die Straße hinausgeeilt, nicht achtend der Kälte, der Anstrengung, der Gefahren. »Wahrlich,« schloß er, »so handelten die Helden von ehemals, die Tapfern, welche auszogen, Drachen, Vampire, Wehrwölfe und andere Ungeheuer zu töten.« »Und wenn es zufälligerweise einem solchen Helden glückte,« fiel der junge Herr von Jedlinka ins Wort, »eine verzauberte Prinzessin zu befreien, dann kann er auch keine größere Freude empfunden haben, als sie in diesem Augenblick unsere Seele erfüllt.« »Gut gesprochen, so wahr Gott lebt! und keiner von ihnen hatte eine zauberhaftere Prinzessin befreit!« stimmten die vier Brüder Bukojemski begeistert bei. Und Fräulein Siëninska senkte die Augen und lächelte, wobei sich auf ihren frischen Wangen Grübchen zeigten. Pan Pongowski hielt jedoch dieses Kompliment für zu chevaleresk. Obwohl Fräulein Siëninska eine Waise war und kein Vermögen hatte, blickte sie nichtsdestoweniger auf eine lange Ahnenreihe zurück, die aus lauter Magnaten bestand. Um dem Gespräch eine Wendung zu geben, fragte er: »Und seit wann sucht ihr nun die Landstraßen ab?« »Seit dem großen Schneefall, und wir werden es fortsetzen bis zum Eisgang,« antwortete der junge Stanislaus Cypryanowicz. »Da habt ihr wohl schon viele Wölfe getötet, nicht wahr?« »So viele, daß wir alle auf lange hinaus mit Pelzen versehen sind.« Und die Brüder Bukojemski lachten, wie wenn vier Pferde wieherten. Als sie endlich ihre Heiterkeit beschwichtigten, setzte Jan, der älteste von ihnen, hinzu: »Unser huldreicher König wird mit seinen Förstern zufrieden sein.« »Meiner Treu, es ist wahr!« stimmte Pongowski bei. »Ich habe mir sagen lassen, der König habe euch zu seinen Forsthütern bestellt. Ich glaubte jedoch, die Bukojemskis stammten aus der Ukraine.« »Wir sind auch aus der Ukraine.« »So, so. Ein gutes Geschlecht, die Jelo-Bukojemskis – von ausgezeichneter Abstammung – hat auch Verwandtschaft mit hervorragenden Häusern –« »Und mit dem Apostel Sankt Petrus,« rief Lukas Bukojemski. »Ach was?« machte Pan Pongowski. Mit strengem, mißtrauischem Blick sah er den vier Brüdern scharf ins Gesicht. Wagten sie es, ihn zu verspotten? Aber der heitere, überzeugte Ausdruck ihrer Gesichter beruhigte ihn. Alle nickten fast feierlich mit dem Kopf und bestätigten Lukas' Worte. »Verwandte des Heiligen Petrus?« wiederholte Pongowski verblüfft. »Aber quo modo, wenn ich bitten darf?« »Durch die Przegonowskis.« »So so! Und die Przegonowskis?« »Durch die Uswiat.« »Ich verstehe. Und die Uswiats wieder durch andere,« fuhr der alte Herr erheitert fort. »Und so fort ad infinitum bis zur Geburt unsers Heilands Jesus. Das nenne ich Glück; denn wenn es schon etwas heißen will, Verwandte unter den hohen Personen unsers höchst illustren Senats zu haben, wie viel mehr, solche, die im himmlischen Senat sitzen, zu seinen Ahnen zu zählen. Da ist uns jede Promotion, jede Beförderung gewährleistet. Aber auf welche Weise, sagt mir doch, seid ihr aus der Ukraine in unsere Wälder gekommen? Ich habe gehört, ihr habt euch schon vor mehreren Jahren dort festgesetzt.« »Vor drei Jahren. Gleich im Anfang des Aufruhrs wurden unsere Besitzungen in der Ukraine dem Erdboden gleichgemacht. Nachher wurden auch die Grenzen verschoben. Wir hatten keine Lust, uns mit Tatarenhorden zu vermischen, nicht wahr? Da nahmen wir Dienst in der Armee; sodann verschafften wir uns Lehnsgüter, und schließlich hat der König uns die Aufsicht über diese Wälder übertragen.« »Wie klein doch die Welt ist!« bemerkte Cypryanowicz. »Die Launen des Schicksals haben uns alle in diese Gegenden geführt. Der ehemalige Stammsitz Euer Liebden,« fuhr er fort, sich an Pongowski wendend, »ist doch auch in der Ukraine gelegen. Wenigstens bin ich ...« Pongowski zitterte, als wenn ihm jemand den Finger auf eine Wunde gelegt hätte. »Dieser Stammsitz,« antwortete er, »ist noch mein eigen. Doch – soll ich es sagen – diese entlegenen Ländereien flößen mir ein Gefühl des Abscheus, des Schreckens ein. Unglücksfälle trafen dort mein Haupt wie Blitzschläge.« »Des Himmels Wille,« sprach salbungsvoll Cypryanowicz. »Ohne Zweifel. Und es würde nichts nützen, unsere Gerichte dagegen aufzurufen. Aber hart ist es trotzdem.« »Euer Liebden haben lange unter unsern Fahnen gedient?« »Bis zu dem Tage, da ein Säbelhieb mir den linken Arm raubte. Möge unser himmlischer Erlöser mir für jedes Haupt eines Ungläubigen, das ich abgeschlagen habe, eine einzige meiner Sünden erlassen, dann kann ich hoffen, niemals mit der Hölle Bekanntschaft zu machen.« »Dienen und leiden, das heißt sich seines Vaterlandes würdig erweisen. Doch verbannen wir die...