Sieg | Die dünnen Jahre sind vorbei | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Sieg Die dünnen Jahre sind vorbei

So übersteht Mann die zweite Lebenshälfte
16001. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8437-1338-2
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

So übersteht Mann die zweite Lebenshälfte

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1338-2
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wo man hinschaut, sieht man sie: Verzweifelte Männer in der Midlife-Crisis, die schon gar nicht mehr wissen, wofür sie überhaupt auf der Welt sind. Sie fragen sich: Ist noch mehr drin als der mickrige Kleingarten und die missratenen Kinder? Lernt man, seinen Job und seine Frau irgendwann wieder zu lieben? Und hat Haarausfall doch etwas Gutes? Der Satiriker und Krisenmanager Sören Sieg zeigt: Es gibt Mittel und Wege, die Jahre ab 40 so hinzukriegen, dass man nicht unter Hohn und Spott der Jüngeren, sondern als selbstbewusster George Clooney durchs Leben geht. Dieses Buch hilft dabei, die schlimmsten Fallstricke zu vermeiden und dem Erwachsenenleben einen Sinn zu verleihen - selbst mit ein paar Kilo mehr auf den Rippen.

Sören Sieg wurde 1966 in Elmshorn geboren. Der Vater von drei Kindern war viele Jahre mit seinem a-cappella-Quartett LaLeLu in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs: 140 Konzerte im Jahr, zehn Programme und CDs, zahlreiche Preise, TV- und Hörfunkauftritte. Jetzt hat er sich den Büchern verschrieben. Sören Sieg lebt in Hamburg.
Sieg Die dünnen Jahre sind vorbei jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


20. Räumen Sie Ihr Zimmer auf


Ordnung inspiriert.

Wenn unser Leben ein Chaos ist, wie können wir erwarten, damit fertig zu werden, wenn wir außerdem noch im Chaos leben? Die undefinierbaren Papierstapel da auf dem Boden; der Keller mit den Teppichresten, Billy-Regalstützen, Farbeimern und Pinseln aus Ihrer ersten WG (kann man bestimmt noch mal brauchen); der Dachboden, der so mit Möbeln, Klamotten, Büchern und Platten aus dem 20. Jahrhundert vollgerümpelt ist, dass Sie ihn nicht mehr betreten können; das unabgewaschene Geschirr in der Küche, die herumfliegenden Socken, das Chaos, sobald Sie irgendeine Schublade öffnen. Wenn Sie unbedingt das Gefühl haben wollen, Ihr Leben nicht im Griff zu haben – dann sorgen Sie einfach für Unordnung. Es gibt nichts, was Sie erfolgreicher lähmt als dieses Gefühl, es lohne sich gar nicht, mit dem Aufräumen anzufangen. Die Stapel liegen da schon seit Monaten rum, ebenso der Brief von den Wasserwerken, in dem Sie gebeten werden, den Zähler abzulesen. Aber wo ist noch mal der Zähler? Und ist die Frist nicht längst verstrichen? So, wie Sie alles haben verstreichen lassen? Sie sind eben lebensunfähig, nicht alltagskompatibel. Das bestätigen Sie sich achselzuckend und fangen zur Ablenkung erst mal an, durch Facebook zu scrollen.

Hier spricht ein Betroffener. Obwohl mir der Nutzen von Ordnung seit meiner Kindheit klar ist, obwohl ich eigentlich gerne aufräume und mich am Ende mit Blick auf die geordnete Umgebung ein kindlicher Stolz erfüllt, verhalte ich mich gleich darauf wieder absolut entgegengesetzt und produziere in kürzester Zeit eine Unordnung, von der ich mich so einschüchtern lasse, dass ich vor ihr kapituliere und ihre Beseitigung tagelang, manchmal wochenlang aufschiebe. Was steckt dahinter?

Zunächst der Gedanke, dass es Dringenderes gibt als Aufräumen. Andere Dinge müssen erledigt werden, das Aufräumen kann warten. Das machen wir später, wenn wir dafür Zeit haben. Oder am Wochenende. Aber will man am Wochenende nicht etwas Schönes machen? Und ist Aufräumen nicht vollkommen geistlos und stupide?

So spricht der innere Schönredner. Wir wissen es besser. Nicht das Aufräumen ist Zeitverschwendung, sondern das, wozu Nichtaufräumen unweigerlich führt: das Verlegen, Suchen und Nichtfinden von Sachen. Wie viel Zeit Ihres Lebens haben Sie schon damit verbracht, Ihren USB-Stick zu suchen, das Aufladekabel des Handys, diverse Schlüssel, Ausweise, den Impfpass?

Aber Aufräumen spart nicht nur präventiv Zeit und Nerven, es ist sehr wohl auch geistige Anstrengung. Und genau diese scheuen wir. Bei jeder Notiz, jedem Brief, jedem ausgeschnittenen Zeitungsartikel müssen wir uns fragen: Wichtig oder nicht? Behalten oder wegschmeißen? Und wenn aufbewahren, dann wo? Der Brief muss beantwortet werden – wann? Das ist der Grund, warum Aufräumen immer viel länger dauert und viel fordernder ist, als man denkt – und ein weiterer Grund, ihm aus dem Weg zu gehen.

Das übliche Vorgehen nach dem Prinzip Von vier bis fünf räume ich auf funktioniert nie. Zumal sich in den aufzuräumenden Dingen all die unangenehmen Aufgaben verstecken, denen wir entflohen sind, indem wir die entsprechenden Briefe erst mal auf einen der vielen Stapel gelegt haben. Briefe lassen sich weglegen. Aufgaben nicht.

Dass wir uns gegen das Aufräumen sträuben, ist aber nicht nur geistige Faulheit, sondern auch Teil eines merkwürdigen inneren Machtkampfs. Wie einfach könnte alles sein, wenn wir für alle Dinge einen festen Platz hätten und sie nach Benutzung sofort dorthin zurücklegten – hat unsere Mutter uns das nicht schon immer gesagt?

Genau das ist das Problem: Ordnung ist spießig. Unordnung ist Rock ’n’ Roll. Alles herumfliegen lassen ist die letzte Rebellion, die wir uns noch leisten (abgesehen davon, mit 180 über die Autobahn zu brettern und die Zeitschrift Business Punk zu lesen). Wir können unsere knappe Restlebenszeit mühelos mit dem Herumirren in unserer selbstverschuldeten Unordnung verbringen, uns dabei aber vorkommen wie eine Mischung aus Johnny Depp und Keith Richards. Beim Anblick riesiger Stapel auf dem Fußboden fühlen wir uns endlich wieder wie mit 16, als wir unsere erste Zigarette geraucht und Police oder Nirvana gehört haben. Damals sah der Boden nämlich genauso aus.

Die eigentliche Frage lautet: Wollen wir jemand sein, der Ordnung hält? Oskar Lafontaine wurde 1982 schlagartig berühmt mit den Sätzen: »Helmut Schmidt spricht weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. […] Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben.«42 Das traf damals zu hundert Prozent den Zeitgeist – und war sowohl richtig als auch völlig verkehrt. Was auch immer man auf die Beine stellen will in dieser Welt – eine Computerfirma, ein Rockfestival, einen Roman oder eine Kampagne gegen Massentierhaltung –, man benötigt dafür zielgerichtetes Handeln.

Die weitverbreitete Geringschätzung der »Sekundärtugenden« hat zu einer regelrechten Generationsmacke geführt; es ist das sozialpsychologisch verheerendste Erbe der 68er. Faul, unpünktlich, unordentlich, zerstreut und zögerlich zu sein führt einfach nur dazu, dass wir nichts auf die Reihe bekommen. Wem ist damit geholfen – außer Freunden, die es beruhigt, wenn andere es auch versieben?

Mit Mitte 40 ist noch Zeit, sich geistig umzuprogrammieren. Denn Ordnung inspiriert! Sie gewährt uns Ruhe und Frieden. Sie vermittelt uns ein Gefühl von Einklang mit uns und der Welt. Ich erinnere mich gern an die kleine Wohnung der Freundin, mit der ich in meinen 20ern zusammen war. Unglaublich viele Bücher, Kassetten und Schallplatten gab es da, aber alles fein säuberlich geordnet und eingeräumt. Sobald ich die Wohnung betrat, fühlte ich mich geborgen und heimelig und zugleich voller Tatendrang. Der aufgeräumte Schreibtisch lud ein, sofort mit Lesen und Schreiben zu beginnen. Vielleicht ist dies das Geheimnis: Ein aufgeräumter Schreibtisch ist leer. Und Kreativität braucht Leere, um sie zu füllen. Daher hat auch Bert Brecht so gern in leeren Wohnungen gelebt. Sie mögen lieber Thomas Mann? Auch gut, der war ebenfalls ein Anhänger von penibler Ordnung und Disziplin.

Aufräumen ist Emanzipation: ein Akt der Befreiung von dem ganzen Müll und Schrott, der sich ansammelt, auftürmt und zum bedrohlichen Scheinriesen aufplustert, der uns in Ketten legt. Der Sieg über den Scheinriesen macht glücklich, ohne die Leber zu zerstören; er macht stolz, ohne andere herabzusetzen; er beruhigt, ohne Pharmakonzerne zu bereichern; er spendet Seelenfrieden ohne esoterischen Unsinn. Er ist ein Triumph über die Herrschaft des Dickichts. Ordnung schafft Klarheit, Transparenz, Entschlossenheit.

Hier nun die revolutionären Mittel, die ich Ihnen empfehle:

• Wenn Sie etwas notieren, dann nicht auf Zettel (niemals!), sondern in ein großes, festes, dickes Superbuch, in dem alles drinsteht. Termine tragen Sie nicht nur in einer Smartphone-App ein, sondern auch in etwas so Altmodischem wie einem riesigen Wandkalender. Für Geburtstage hängen Sie einen Geburtstagskalender in Ihr Wohnzimmer, Steuerquittungen kleben Sie sofort auf und sortieren Sie in Hängemappen, nach Kategorien geordnet (Waren, Dienstleistungen, Abschreibungsgüter, Bewirtung, Reisekosten etc). Für alle übrigen Unterlagen legen Sie Aktenordner an, die Sie gut leserlich beschriften und in Regalen übersichtlich aufstellen. Ich bin ziemlich stolz, dass ich fast alles, was ich suche, binnen einer Minute in meinen geliebten Leitz-Ordnern finde.

• Ebenso wichtig ist Ordnung auf Ihrem Computer. Dokumente und Ordner haben die Eigenschaft, sich ständig zu vermehren und den Desktop zuzumüllen. Legen Sie Überordner an und räumen Sie täglich auf. Ich komme mit nur vier Überordnern aus: Dinge, Projekte, Geld und Planung&Privat.

• Sie möchten aufräumen, wissen aber nicht, wann und wie? Der einzige gute Tipp, den ich dazu geben kann, ist die unbefristete Erledigung. Sie nehmen sich vor, so lange aufzuräumen, bis Sie fertig sind, egal, wie lange es dauert. Vermutlich bis drei Uhr in der Nacht. Aber dann ist es auch geschafft, und Sie dürfen sich auf die Schulter klopfen. Meiner Erfahrung nach funktionieren nur To-do-Listen, die aus einem einzigen Punkt bestehen.

Ordnung ist der am meisten unterschätzte Glücksbringer überhaupt. Umarmen Sie die Ordnung, lieben Sie sie. Den Kampf gegen den Verfall, das Scheitern und den Tod können Sie nicht gewinnen. Den gegen das Chaos schon, und zwar jeden Tag.

Natürlich gilt alles, was ich gesagt habe, auch für Sauberkeit. Wollflusen, Spinnennetze, Kaffeeflecken und verschimmelte Tomaten tragen nicht zum Gefühl bei, sein Leben im Griff zu haben. Auch hier müssen wir uns umprogrammieren. Bloß weil auch hasserfüllte und stumpfe Menschen penibel saubermachen, weil sie sonst nicht wissen, wie sie sich verwirklichen sollen, heißt das nicht, dass wir umgekehrt zu hasserfüllten Stumpflingen mutieren, wenn wir einmal in der Woche unsere Küche wischen. Sauberkeitsfanatiker mögen kalt und engstirnig sein. Aber lassen Sie sich davon nicht beirren: Sauberkeit selbst ist gemütlich, einladend und gastfreundlich.

1991 hörte ich im Audimax der Uni Hamburg einen Vortrag von Hans Georg Gadamer; der »Vater der Hermeneutik« war damals schon über 90 (er wurde 102). Gadamer sprach darüber, dass unsere großen Philosophen den Menschen immer nur als herstellendes Wesen gesehen hätten. Darüber sei die andere Hälfte des...


Sieg, Sören
Sören Sieg wurde 1966 in Elmshorn geboren. Der Vater von drei Kindern war viele Jahre mit seinem a-cappella-Quartett LaLeLu in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs: 140 Konzerte im Jahr, zehn Programme und CDs, zahlreiche Preise, TV- und Hörfunkauftritte. Jetzt hat er sich den Büchern verschrieben. Sören Sieg lebt in Hamburg.

Sören Sieg wurde 1966 in Elmshorn geboren und ist Liedtexter, Komponist, Kolumnist und Autor. Der Vater von drei Kindern tourte viele Jahre mit seinem A-cappella-Quartett LaLeLu. Er lebt in Hamburg und ist Co-Autor des Bestsellers "Ich bin eine Dame, Sie Arschloch!"



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.