E-Book, Deutsch, 432 Seiten
Shen Kiss Thief
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7363-2042-0
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 432 Seiten
ISBN: 978-3-7363-2042-0
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit nur einem Kuss stiehlt er ihr Herz
Für Francesca Rossi, die einzige Tochter eines Mafiabosses, stand immer fest, dass sie eines Tages ihren Kindheitsschwarm Angelo Bandini heiraten würde - bis der skrupellose Senator Wolfe Keaton ihr auf einem Maskenball nicht nur ihren ersten Kuss stiehlt, sondern auch all ihre Zukunftspläne zunichtemacht. Der attraktive Kussdieb hat eine Rechnung mit ihrem Vater offen und setzt ihn unter Druck: Entweder Francesca wird seine Frau oder er deckt dessen grausame Verbrechen auf. Plötzlich findet sich Francesca in einer arrangierten Ehe mit einem Mann wieder, den sie nicht ausstehen kann. Dennoch erwischt sie sich dabei, wie sie sich trotz allem danach sehnt, Wolfe noch einmal zu küssen ...
»L. J. Shen ist die Queen des Enemies-to-Lovers-Tropes. Ihre Bücher machen einfach süchtig.« NEUES_KAPITEL
Das neue Buch von SPIEGEL-Bestseller-Autorin L. J. Shen
L. J. Shen lebt mit ihrem Ehemann, ihren Söhnen und einer faulen Katze in Florida. Wenn sie nicht gerade an ihrem neuesten Roman schreibt, genießt sie gern ein gutes Buch mit einem Glas Wein oder schaut ihre Lieblingsserien auf NETFLIX.
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PROLOG
Was mich, Francesca Rossi, am meisten nervte, war die Tatsache, dass meine gesamte Zukunft in einem unscheinbaren alten Holzkasten verschlossen war.
Seit man mich im zarten Alter von sechs Jahren darauf hingewiesen hatte, wusste ich, dass mich das, was in diesem Kasten auf mich wartete, entweder umbringen oder retten würde. Darum war es kein Wunder, dass ich am Tag zuvor im Morgengrauen – die Sonne hatte gerade den Himmel geküsst – beschlossen hatte, dem Schicksal einen Schubs zu geben und den Kasten zu öffnen.
Eigentlich sollte ich gar nicht wissen, wo meine Mutter den Schlüssel versteckt hatte.
Ich sollte nicht wissen, wo mein Vater die Kiste aufbewahrte.
Aber so ist es nun mal, wenn man den ganzen Tag zu Hause sitzt und sich zu Tode pflegt, um den nahezu unerfüllbaren Ansprüchen seiner Eltern gerecht zu werden. Man hat Zeit im Überfluss.
»Halt still, Francesca, sonst steche ich dich mit der Stecknadel«, quengelte Veronica, die vor mir hockte.
Zum hundertsten Mal ließ ich den Blick über den gelben Zettel in meiner Hand huschen, während die Stylistin meiner Mutter mir ins Kleid half, als wäre ich ein Pflegefall. Ich prägte mir die Worte ein, legte sie in eine Schublade in meinem Gehirn, zu der niemand außer mir Zugang hatte.
Erregung raste durch meine Adern wie eine Jazzmelodie, in dem Spiegel vor mir sah ich meine Augen entschlossen funkeln. Mit zitternden Fingern faltete ich das Stück Papier zusammen und schob es mir in den Ausschnitt des noch nicht geschnürten Korsetts.
Erneut lief ich in dem Raum auf und ab, zu aufgeregt, um stillzustehen, und Mamas Frisörin und Stylistin schimpfte mit mir, während sie mir auf lustige Art durch das Ankleidezimmer nachjagte.
Ich bin Groucho Marx in Die Marx Brothers im Krieg. Fang mich doch.
Veronica bekam den unteren Teil meines Korsetts zu fassen und zog mich zum Spiegel zurück, als hinge ich an einer Leine.
»Aua, Mensch!« Ich zuckte zusammen.
»Halt still, hab ich gesagt!«
Es war nicht ungewöhnlich, dass mich die Angestellten meiner Eltern wie einen Pudel mit edlem Stammbaum behandelten. Obwohl das keine Rolle spielte. An diesem Abend würde ich Angelo Bandini küssen. Oder genauer gesagt: Ich würde mich von ihm küssen lassen.
Es wäre gelogen, zu behaupten, ich hätte nicht in jeder Nacht von Angelos Kuss geträumt, seit ich im Vorjahr aus dem Internat in der Schweiz zurückgekehrt war, in das meine Eltern mich gesteckt hatten. Als ich neunzehn war, hatten Arthur und Sofia Rossi offiziell beschlossen, mich in die High Society von Chicago einzuführen. Aus Hunderten geeigneter italo-amerikanischer Männer, die mit dem Outfit in Verbindung standen, sollte ich mir einen zukünftigen Ehemann aussuchen. Dieser Abend würde eine Abfolge von Events und Privatbesuchen in Gang setzen, und das, obwohl ich längst wusste, wen ich heiraten wollte.
Papa und Mama hatten mir mitgeteilt, dass ein College für mich nicht vorgesehen war. Meine Aufgabe bestand darin, den perfekten Ehemann zu finden, da ich das einzige Kind und die alleinige Erbin der Rossi-Unternehmen war. Ich hatte davon geträumt, als erste Frau in meiner Familie ein Studium abzuschließen, aber ich war nicht annähernd dumm genug, um meine Eltern herauszufordern. Clara, unsere Hausangestellte, sagte oft: »Du musst nicht deinem zukünftigen Ehemann gefallen, Frankie, sondern deinen Eltern.«
Womit sie nicht unrecht hatte. Ich war in einem goldenen Käfig zur Welt gekommen. Er war geräumig, aber trotzdem – er war abgeschlossen. Versuchte ich, ihm zu entkommen, riskierte ich den Tod. Es gefiel mir nicht, eine Gefangene zu sein, aber anderthalb Meter unter der Erde zu liegen, würde mir vermutlich noch weniger gefallen. Und darum hatte ich es bisher nicht einmal gewagt, zwischen den Stäben des Gefängnisses hindurch auf die Welt zu spähen, die sich auf der anderen Seite befand.
Mein Vater, Arthur Rossi, war der Boss des Chicago-Outfits.
Dieser Titel klang schmerzlich erbarmungslos für den Mann, der mir das Haar geflochten, mich Klavier spielen gelehrt und bei meinem Konzert in London, bei dem ich vor über tausend Menschen spielte, sogar heiße Tränen vergossen hatte.
Angelo – ihr habt es erraten – war in den Augen meiner Eltern der perfekte Ehemann. Attraktiv, finanzstark und gut betucht. Seiner Familie gehörte jedes zweite Gebäude im University Village, auch bekannt als Little Italy, und die meisten Immobilien nutzte mein Vater für seine zahlreichen illegalen Projekte.
Ich kannte Angelo von klein auf. Wir hatten einander auf die Art aufwachsen sehen, wie Blumen erblühen. Langsam und gleichzeitig schnell, während luxuriöser Sommerurlaube und unter der strengen Aufsicht von Bodyguards und Verwandten, allesamt Made Men – Männer, die formell als vollwertige Mitglieder in die Mafia aufgenommen worden waren.
Angelo hatte vier Geschwister, zwei Hunde und ein Lächeln, das einem das italienische Eis in der Hand schmelzen ließ. Sein Vater leitete die Steuerberatungsfirma, die für meine Familie arbeitete, und wir beide machten jedes Jahr gleichzeitig Urlaub in Syrakus, Sizilien.
Im Lauf der Jahre hatte ich gesehen, wie Angelos weiche blonde Locken dunkler geworden und schließlich mithilfe eines Kurzhaarschnitts gezähmt worden waren. Wie der Ausdruck seiner funkelnden, ozeanblauen Augen weniger verspielt und finsterer, härter wurde durch all die Dinge, die ihm sein Vater zweifellos gezeigt und beigebracht hatte. Wie seine Stimme tiefer, sein italienischer Akzent stärker geworden waren, und wie seine schlanke, jungenhafte Gestalt sich in eine muskulöse, große, selbstsichere Erscheinung verwandelt hatte. Er wurde geheimnisvoller, weniger impulsiv, und er sprach seltener, aber wenn er es tat, ließen mich seine Worte innerlich schmelzen.
Sich zu verlieben war wirklich tragisch. Kein Wunder, dass die Leute dann so traurig waren.
Und während ich Angelo betrachtete, als könnte er Eiscreme zum Schmelzen bringen, war ich nicht das einzige Mädchen, das unter dem ständigen Stirnrunzeln dahinschmolz, mit dem er alle anschaute.
Mir wurde übel bei dem Gedanken, dass er wieder in Chicago war, dort mit anderen Mädchen abhing, mit ihnen redete und sie küsste, während ich in meine katholische Mädchenschule zurückkehren musste. Aber er hatte mir immer das Gefühl gegeben, dass ich die Eine für ihn war. Er steckte mir Blumen ins Haar und ließ mich an seinem Wein nippen, wenn niemand hinschaute, und seine Augen lachten jedes Mal, sobald ich etwas sagte. Wenn seine jüngeren Brüder mich ärgerten, zog er sie zur Strafe an den Ohren. Und in jedem Sommer schaffte er es, einen Moment mit mir allein zu erhaschen und mir einen Kuss auf die Nasenspitze zu geben.
»Francesca Rossi, du bist ja noch hübscher als letzten Sommer.«
»Das sagst du jedes Mal.«
»Und ich meine es jedes Mal ernst. Ich mache keine überflüssigen Worte.«
»Dann erzähl mir etwas Wichtiges.«
»Du, meine Göttin, wirst eines Tages meine Frau sein.«
Ich pflegte die Erinnerung an diese Sommer wie einen heiligen Garten, umgab ihn mit einem Zaun aus Liebe und wässerte ihn, sodass er zu einer Sammlung märchenhafter Momente heranwuchs.
Besonders deutlich erinnerte ich mich daran, wie ich jedes Mal die Luft angehalten hatte, ehe er in mein Zimmer geschlichen kam. Ich erinnerte mich an den Laden, in den ich immer ging, und an den Baum, unter dem ich meine Bücher las. Wie er unsere »Momente« immer weiter ausdehnte, als die Jahre vergingen und wir in die Pubertät kamen, wie er mich mit unverhüllter Belustigung beobachtete, wenn ich mich – vergeblich – wie ein Junge zu benehmen versuchte, obwohl meine Weiblichkeit auf schmerzliche, ja brutale Weise zutage getreten war.
Ich schob den Zettel tiefer in die Korsage hinein, während Veronica mir die Kuppen ihrer Wurstfinger in meine helle Haut grub, die beiden Seiten des Korsetts zusammenführte und es straff um meine Taille schnürte.
»Ach, könnte ich noch einmal neunzehn Jahre alt und so wunderschön sein!«, rief sie mit theatralischer Stimme. Die cremefarbenen Seidenschnüre spannten sich, und ich keuchte. Nur die Königinnen des Chicago-Outfits setzten noch immer Stylistinnen und Hausangestellte ein, um sich auf gesellschaftliche Ereignisse vorzubereiten. Und soweit es meine Eltern betraf … waren wir die Windsors. »Kannst du dich daran noch erinnern, Alma?«
Schnaubend steckte mir die Frisörin den Pony zurück, um meine gewellte Hochsteckfrisur zu vollenden. »Schätzchen, komm runter von deinem hohen Ross. Mit neunzehn warst du höchstens so hübsch wie eine Grußkarte von Hallmark. Unsere Francesca ist dagegen Michelangelos Erschaffung Adams. Nicht dieselbe Liga. Nicht mal dieselbe Ballsportart.«
Vor Verlegenheit wurden meine Wangen heiß. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute meinen Anblick genossen, aber den Gedanken an Schönheit fand ich demütigend. Sie war mächtig, aber irgendwie auch schlüpfrig. Ein hübsch verpacktes Geschenk, das ich eines Tages bestimmt verlieren würde. Ich wollte es nicht öffnen oder mich an seinen Vorzügen erfreuen. Das würde den Abschied am Ende nur noch schwieriger machen.
Der Einzige, der an diesem Abend auf dem Maskenball im Art Institute of Chicago von meinem Erscheinen Notiz nehmen sollte, war Angelo. Thema der Gala waren die Götter und Göttinnen der griechischen und römischen Mythologie. Ich wusste, dass die meisten...




