Shaw | Der Honiggarten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 377 Seiten

Shaw Der Honiggarten

Roman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96655-696-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Roman

E-Book, Deutsch, 377 Seiten

ISBN: 978-3-96655-696-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Eine zarte Liebe in Zeiten von Hass und Vorurteilen: Der bewegende Roman »Der Honiggarten« von Fiona Shaw als eBook bei dotbooks. Heilt die Zeit alle Wunden? Nach vielen Jahren kehrt Charlie Weekes in seinen englischen Heimatort zurück. Wie klein hier alles wirkt - und doch so schmerzlich vertraut. Charlie erinnert sich an seine Kindheit in den 50er Jahren, an seine über alles geliebte Mutter Lydia, an den Vater, der ihm immer fremd geblieben ist ... und an Jean Markham, die Ärztin, die nicht nur sein Leben verändern sollte: Jean die sich nicht den Konventionen beugen wollte, deren Garten und Bienenstöcke für den kleinen Charlie zum Zufluchtsort wurden - Jean, die bald auch eine enge Freundin seiner Mutter ist. Überglücklich beobachtet Charlie, wie Lydia bei ihr jene Geborgenheit und Lebensfreude findet, die sie sich sehnlich wünscht. Doch dürfen zwei Frauen es in jener grauen Zeit wirklich wagen, ihr Glück jenseits aller Konventionen zu suchen? »Fiona Shaws Erzählstil, der sich durch Zartheit und Brüchigkeit auszeichnet, passt hervorragend zur Zerrissenheit ihrer Figuren und macht diesen Roman so spannend, fesselnd und bewegend.« Time Out Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der ebenso eindringlich wie schwebend leicht erzählte Frauenschicksalsroman »Der Honiggarten« von Fiona Shaw. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks - der eBook-Verlag.

Fiona Shaw, geboren 1964 in London, studierte Englische Literatur und Amerikanistik. Sie arbeitete für eine Literaturagentur und als Texterin für verschiedene Unternehmen und ist heute als Dozentin für Creative Writing und Schriftstellerin erfolgreich. Fiona Shaw lebt mit ihrer Familie in York. Bei dotbooks veröffentlichte Fiona Shaw ihren Roman »Der Honiggarten«, der erfolgreich verfilmt wurde.
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Kapitel 3


Jean Markham hätte sich an diesem Abend liebend gern für zwanzig Minuten hingesetzt, um ihre Bienen zu beobachten. Sie hatte zwar nichts loszuwerden, wollte aber einfach nur dasitzen. Anschließend hätte sie eine Platte von Peggy Lee aufgelegt und sich einen Scotch eingeschenkt. Doch es war schon so spät, dass die Zeit nicht mehr dafür reichte. Im Haus herrschte Stille. Mrs. Sandringham war bereits vor einigen Stunden nach Hause zu ihren ständig hungrigen kräftigen Söhnen gegangen. Also gab es nichts mehr, was die Leere gestört hätte.

In der Vorhalle blieb Jean stehen und wartete darauf, dass die Geräusche ihrer Ankunft verklangen – das Knallen der Tür, ihre Schritte auf den Fliesen, das Klopfen ihres Herzens in der Brusthöhle, das dumpfe Poltern, mit dem ihre Tasche zu Boden fiel. Die Stille legte sich warm und besitzergreifend um ihre Schultern, so dass sie die Hand danach ausstreckte wie nach einer Katze, die sich dort niedergelassen hatte. Dann stieg sie die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf.

Obwohl Jean nun inzwischen seit fünf Jahren in diesem Haus wohnte, hatte sie noch immer nicht das Gefühl, dass es ihr gehörte. Es war für andere Darsteller und in einer anderen Zeit gebaut worden. Mit einem Frühstückszimmer, einem Esszimmer, Glocken, um Personal herbeizurufen, und Dienstmädchenzimmern mit verblassten Tapeten in der Mansarde. Außerdem schien sich das Haus ihren Bemühungen zu widersetzen, es mit Leben zu erfüllen. Eigentlich benutzte sie nur wenige Zimmer. Ihr Schlafzimmer, die Küche, das Wohnzimmer und das Zimmer mit den Büchern ihres Vaters, das sie im Scherz als Bibliothek bezeichnete. Der Rest des Hauses zeigte ihrem Status als ledige Frau die kalte Schulter und quälte sie in schwachen Momenten mit Dingen, auf die sie zufällig in Ecken und Schränken stieß. Insbesondere mit Kinderspielzeug. Eine Murmel unter der Fußmatte, ein Blechauto, aus unerklärlichen Gründen auf dem obersten Regal in der Speisekammer verstaut, eine Gummiente, deren staubiger Körper beim Säubern einen Rand im Waschbecken hinterließ. Fast hatte Jean den Eindruck, dass diese Gegenstände sich mutwillig versteckten. Sie waren ihrer ersten Entrümpelungs- und Putzaktion entronnen und tauchten nun selbsttätig wieder auf, als genössen sie es, ihr einen Schrecken einzujagen.

Am merkwürdigsten war die Haarlocke gewesen. Jean hatte in dem kleinen Zimmer im hinteren Teil des Hauses gelesen, wo sich die Spätsommersonne am längsten hielt. Der Raum war bis auf einen alten Lehnsessel und leere Regale unmöbliert. In den Ecken lagen Staubflocken, und an den tapezierten Wänden – winzige Rosenknospen, umgeben von grünen Ranken – wiesen zwei verblasste Rechtecke darauf hin, dass dort früher einmal Bilder gehangen hatten.

Die Katze hatte sich schon seit einer Weile auf ihrem Schoß geräkelt und war hin- und hergerutscht, wie Katzen es eben tun, um so viel Sonne wie möglich abzubekommen, bis es Jean zu warm geworden war und sie das Tier auf den Boden gesetzt hatte. Als sie sich wieder ihrem Buch zuwenden wollte, war ihr eine merkwürdige Bewegung aufgefallen. Sie hatte aufgeblickt und festgestellt, dass die Katze am anderen Ende des Raums auf ihren pelzigen Hinterbeinen kauerte und, halb spielerisch, halb verärgert, mit der Tatze fuchtelte. Etwas war an ihrer Kralle hängen geblieben. Jean hatte einen roten Gegenstand bemerkt, die Katze festgehalten und eine staubige, von einem Silberfaden durchzogene Schleife, die eine weiche blonde Haarlocke zusammenhielt, von ihrer Pfote gelöst.

Vermutlich hatte die Locke mit der Schleife zwischen den Dielenbrettern gesteckt. Das musste die Erklärung sein. Dennoch löste diese Erinnerung an das Leben fremder Menschen Beklommenheit in Jean aus, so als spioniere sie den ehemaligen Bewohnern dieses Hauses hinterher und habe etwas gesehen, das sie nichts anging.

Es war Freitagabend, und Jean war müde. Das Genick tat ihr weh, so dass sie in der Hoffnung auf Linderung die Schulterblätter kreisen ließ. Ein Bad wäre willkommen gewesen, doch da sie um acht Uhr zum Abendessen eingeladen war, würde es warten müssen.

Vielleicht lag Jeans mangelndes Interesse an ihrem eigenen Körper daran, dass sie sich tagtäglich mit denen ihrer Mitmenschen befasste. Aber an diesem Abend schlüpfte sie aus ihrer Praxiskleidung, zog sich aus, warf die Unterwäsche auf den Teppich und stellte sich nackt vor den Spiegel am Kleiderschrank, um sich von Kopf bis Fuß zu betrachten.

»Zu groß, um problemlos einen Ehemann zu finden«, sagte sie laut und mit dem bedauernden Zug um den Mund, den selbst die, die sie gut kannten, nur schwer deuten konnten. Die Phrase klang wie eine feststehende Redewendung, vergleichbar mit den anderen Dingen, an denen in ihrer Familie niemand zu rütteln gewagt hatte: dass ihre Großmutter gestorben war, ohne sich von ihrer Tochter zu verabschieden. Dass ihre Mutter eine schlechte Partie gemacht hatte. Dass sich alle gewünscht hatten, Jean wäre hübsch anstelle von klug gewesen.

Während Jean ihr Rad den kurzen Weg zu ihrer Abendeinladung schob, passte sie ihre Stimmung an die der Bäume an, deren Äste hoch über ihr in die Straße ragten. Das gefallene Laub dämpfte den Klang ihrer Schritte, und durch die Kronen war der klare, dämmrige Himmel zu erkennen. Ihre Sorgen auf diese Weise abzustreifen war eine altbewährte Methode, die Moral einer Geschichte, die Jim ihr erzählt hatte. Sie handelte von einem Russen, der eine Strategie entwickelt hatte, weil er nicht aufhören konnte, sich zu erinnern: Er merkte sich Listen von Wörtern, indem er sie in Gedanken auf den Straßen seiner Heimatstadt ausbreitete, bis sein Kopf so voll war, dass er etwas tun musste, um sie wieder zu vergessen. Also wanderte er durch ebendiese Straßen, und irgendwann waren die Wörter dann ausgelöscht.

Also lehnte Jean, unterwegs zu ihrer Abendeinladung, ihre Sorgen an die Bäume. An der zwölften Ulme angelangt, fühlte sie sich – für den Moment – befreit.

Normalerweise war ein Abendessen bei Jim und Sarah Marston für Jean das, was einem Familienleben am nächsten kam. Jim öffnete ihr die Tür, bevor sie die Klinke berühren konnte, und hielt ihr ein Glas hin.

»Inzwischen ist er ziemlich verwässert. Du bist so spät dran, dass das Eis geschmolzen ist.«

Jean schlüpfte aus dem Mantel, nahm das Glas und gab ihm ihre Tasche.

»Du weißt doch, dass du kein Eis in meinen Whisky tun sollst«, erwiderte sie.

»Glaubst du, du wirst heute Abend wieder gerufen?«

Sie trank einen großen Schluck. »Nein, aber man weiß ja nie.« Sie wies in Richtung Treppe. »Schlafen sie schon?«

»Sie warten auf dich. Geh und bring sie ins Bett.«

»Am liebsten würde ich mich dazulegen.« Sie warf ihm eine Kusshand zu und stieg die Treppe hinauf.

Die Kinder lagen, warm, süß duftend und mit schläfrigen Augen, in ihren Betten.

»Summmm, summmm«, murmelte Meg, als Jean das Buch aus dem Regal nahm. Sie küsste beide auf die Stirn und setzte sich auf den Stuhl, der zwischen den Betten stand.

»Wir fangen dort an, wo wir das letzte Mal aufgehört haben«, sagte sie. »Ihr erinnert euch sicher noch an den wilden Mann und die wilde Frau in ihrer Höhle und an den wilden Hund, der ihnen davongelaufen ist, weil es so köstlich nach Lammbraten geduftet hat. Passt ihr auch beide gut auf?«

Die kleinen Mädchen nickten, und Jean begann zu lesen.

... das wilde Pferd stampfte mit dem Huf auf. »Ich will nachschauen, warum der wilde Hund noch nicht zurück ist«, wieherte es. »Katze, du kommst mit.«

»Nein!«, widersprach die Katze. »Ich bin die Katze, die nur allein herumstreift, und alle Orte sind für mich gleich. Ich bleibe hier.« Aber trotzdem folgte sie dem wilden Pferd auf leisen Pfoten und versteckte sich, damit es sie nicht bemerkte.

Jean las, bis die Katze eine weite Strecke zurückgelegt hatte, hauchte jedem der schlafenden Mädchen noch einen Kuss auf die Stirn, stellte das Buch zurück ins Regal und löschte das Licht.

»Gute Nacht«, flüsterte sie.

Jim beobachtete Jean, als diese meldete, dass die Kinder schliefen. Obwohl sie mit ihm und Sarah zu sprechen schien, richtete sie in Wahrheit das Wort nur an Jim. Er stellte fest, dass sie sich für den Abend umgezogen hatte. In ihrer Praxis trug sie strenge zweiteilige Kostüme, doch nun hatte sie ein Sommerkleid an. Vermutlich würde Sarah ihm später erklären, dass es bereits seit einigen Jahren aus der Mode war. Dazu hatte sie Ohrringe, Erbstücke von ihrer Großmutter, angelegt. Ihr lockiges Haar war so lang geworden, dass sie es immer wieder aus den Augen streichen musste.

Er bemerkte, dass sie die Schultern kreisen ließ und sich mit der Hand übers Gesicht fuhr. Außerdem rieb sie sich mit den Fingern das Genick. Ihre Bewegungen waren ihm so vertraut wie die seiner eigenen Kinder. Er strich den kühlen, glatten Rand seines Glases entlang. Jean erzählte, Emma habe an ihrem Kissen gelutscht und getan, als wäre sie das wilde Pferd und ihr weiches Haar dessen nicht zu bändigende lange Mähne. Als er lachte und Jean lächelte, erkannte er Falten rings um ihren Augen, die ihm bis heute noch nicht aufgefallen waren. »Wollen wir jetzt essen?« Sarah brachte Schüsseln und Platten zum Tisch. Ihre Stirn war gerunzelt, und sie wirkte abgehetzt.

Jim erkundigte sich nach Jeans Bienen. Sie antwortete und kaute und sprach abwechselnd.

»Die Königinnen haben aufgehört zu legen, und fast alle Brutwaben sind besetzt. Jetzt gibt es bis zum Frühling nichts mehr zu tun. Nächste Woche werde ich die Stöcke mit Kreosot streichen und außerdem ein paar Löcher flicken, damit keine Kälte hereinkommt.«

»Nur mit der Ruhe. Du redest immer schneller«, meinte...



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