Segebade | Nordisches Land | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

Segebade Nordisches Land

Erzählungen
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7528-0906-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erzählungen

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

ISBN: 978-3-7528-0906-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Traumhafte Begegnungen, Schutzengel, ein zerstörtes Paradies, unverarbeitete Vergangenheiten, der Tod eines Freundes, ... es sind ganz unterschiedliche Themen, mit denen sich die Studentinnen und Studenten des Seminars Kreatives Schreiben an der Hochschule Emden-Leer im Wintersemester 2017/18 beschäftigt haben. Die besten Kurzgeschichten des Seminars von Kathrin Bargmann, Lena Kristin Busker, Paulina Kyora, Jennifer Lohei, Folkert Mensing, Linnea Penk, Stephanie Petrowsky, Svenja Schöngart und Dennis Wachtendorf sind in diesem Erzählband vereint.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Kathrin Bargmann
Ozeanblau
In ihrem Körper vibrierte und dröhnte es, als würde jemand auf ihrem Brustkorb Schlagzeug spielen. Bunte Lichter zuckten durch den Raum und ermöglichten immer wieder einen grellen Blick auf die sonst von Dunkelheit umhüllte Menschenmenge. Das leuchtende Stakkato verwandelte die Menschen augenscheinlich in Roboter, die sich mit kurzen, stockenden Bewegungen zum Rhythmus drehten und wendeten, stampften und hüpften. Die Melodie schien ihre Adern wie Blut zu durchströmen, der Bass trommelte wie ihr Herz in ihrer Brust und versorgte den Körper mit seinem Lebenselixier. Ronja liebte diesen Club. Hier konnte sie sie selbst sein, sich ungeachtet der Blicke der anderen bewegen und einfach gehen lassen, sich der Musik hingeben. Es kam ihr manchmal so vor, als wäre der DJ auf wundersame Weise der einzige Mensch auf der Welt, der sie verstehen würde. Und wenn auch nicht in der richtigen Welt, dann wenigstens für den Moment in ihrer eigenen kleinen Welt jede Samstagnacht auf ihrer Lieblingstanzfläche. Ronja kam für gewöhnlich alleine her, sie hatte nicht sehr viele Freunde. Nur eine gute Freundin hatte sie, und die war das komplette Gegenteil von Ronja. Sie war einen Kopf größer als Ronja, hatte langes, schwarzes Haar wie eine persische Prinzessin, welches sie immer offen trug, damit sie sich hinter ihrer wilden Mähne verstecken konnte. Sie hatte ein rundliches Gesicht und war leicht pummelig. Ronja beneidete sie um ihre Figur, sie fand Emmas weiblichen Kurven klasse. Emma wiederum beneidete Ronja um ihre schlanke Linie. Nicht nur das, Emma sah in Ronja so etwas wie ihr Idol. Und damit war sie nicht alleine, nahezu jeder schien sie zu lieben. Schon in der Schule war das kleine, zierliche Mädchen mit der süßen Stupsnase und den engelsgleichen Locken das beliebteste der Klasse gewesen. Die Mädchen wollten so sein wie sie, und die Jungs wollten mit ihr befreundet oder, im Laufe der Jahre, besser noch in einer Beziehung mit ihr sein. Ronja hätte also nie Probleme damit gehabt, einen großen Freundeskreis um sich zu scharen oder einen Freund zu finden. Und dennoch war sie lieber alleine ihren Weg gegangen. Kein Mensch hatte es je geschafft, ihr Interesse derart zu wecken, dass sie ihn wirklich kennen lernen wollte. Dabei hatte sie überhaupt nichts gegen Menschen. Sie fand sie weder grundsätzlich nervig noch falsch noch hatte sie Berührungsängste. Es war nur ganz einfach so, dass sie sie für eine engere Beziehung zu wenig interessierten. Langweilig wäre wohl die passende Beschreibung. Als sie Emma traf, war das ganz anders. Das schüchterne Mädchen hatte sie auf eine ganz neue Art und Weise in ihren Bann gezogen. Ronja konnte sich nie erklären, was es war, das sie faszinierte. Ob es ihre schüchterne Erscheinung war, ihr Lachen, das, ganz anders als Emma selbst, den ganzen Raum einnahm, oder ihre warmen, haselnussbraunen Augen, die Geborgenheit ausstrahlten. Aber schon nach kürzester Zeit wusste Ronja, dass ihre neue Arbeitskollegin ihre Freundin werden sollte. Aber da Emma nicht der Typ war für große Menschenmengen, die sich zu ohrenbetäubender Musik mit ihren verschwitzten Körpern aneinander rieben und sich für eine halbwegs gelungene Konversation gegenseitig ins Ohr schrien, war Ronja auch heute alleine unterwegs. Unterhalten wollte Ronja sich sowieso nicht an diesen Abenden, es ging ihr einzig und allein ums Tanzen. Und das konnte sie alleine am besten. Und so schwang sie ihre Hüfte und tanzte sich mit geschlossenen Augen die Seele aus dem Leib. Einige Lieder später brauchte sie eine Verschnaufpause. Sie zwängte sich durch die feiernde Meute an den Rand der Tanzfläche und machte sich auf die Suche nach einer Sitzgelegenheit. Gerade als sie sich an zwei Männern vorbeischieben wollte, hielt einer von ihnen sie am Arm fest, beugte sich zu ihr rüber und hauchte ihr ins Ohr: „Na du Süße, wohin des Weges so ganz allein? Setz dich doch zu uns, auf meinem Schoß ist noch ein Plätzchen frei.“ Sie verdrehte genervt die Augen. Seine schmierige Hand umklammerte noch immer ihr Handgelenk. Die Haare waren glatt zurückgegelt, sein Hemd spannte über dem Bauch und der Brust und gewährte einen ungewollten Blick auf seine Brusthaare. Sein Atem war eine Mischung aus Bier- und Tabakgestank. Ronja wendete den Blick auf den leicht dümmlich grinsenden Kumpel, der sie von oben bis unten musterte. Ekelhaft, dachte sie sich nur, zog ihren Arm aus dem Griff und entgegnete: „Das trifft sich gut, ich suche einen Platz für meinen Freund, dann schick ich ihn mal zu dir!“ Mit einem aufgesetzten Lächeln drehte sie sich um und setzte ihren Gang fort. In ihren Gedanken tobten ganz andere Worte, solche, die man lieber nicht aussprechen sollte, wenn man sich Ärger ersparen wollte. Ronja schimpfte so gut wie nie und hatte auch, soweit sie sich erinnern konnte, niemanden je wirklich beleidigt. Wahrscheinlich kam sie auch deswegen bei ihren Mitmenschen so gut an, weil sie immer ihre Fassade bewahrte und wie das liebe, kleine Mädchen von nebenan wirkte. Dass sie Schimpfwörter in ihrem Repertoire hatte, die der härteste Gangsterrapper nicht einmal kannte, und in ihrem Kopf Kämpfe gegen Idioten wie die Männer aus dem Club austrug, von denen selbst Muhammad Ali nur träumte, musste ja niemand wissen. Außerdem gefiel ihr diese Rolle des unschuldigen Mädchens, immerhin war sie sich ihrer Beliebtheit auch durchaus bewusst. Ronja hatte sich wieder einigermaßen beruhigt und ließ sich endlich erschöpft auf eine Bank fallen. Auf der Tanzfläche hatte sie sich körperlich verausgabt, aber auch Situationen wie diese strapazierten sie. Das zierliche Mädchen war eigentlich schon immer selbstbewusst, schlagfertig und hatte auch keine Angst vor solchen Männern. Aber mitunter kostete es sie einiges an Anstrengung, um ihre Beherrschung nicht zu verlieren. Sie schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein und wieder aus. Sie blendete alle Geräusche aus, bis die Musik nur noch wie durch Watte gedämpft in ihren Kopf eindrang. Sie spürte, wie ihr Puls sich verlangsamte, bis er eine normale Geschwindigkeit annahm. Die Hitze, die ihr zu Kopf gestiegen war, akklimatisierte sich und wich zusammen mit der leichten Röte langsam aus ihrem Gesicht. Vorsichtig massierte sie ihre Schläfen, streckte die Beine und kreiste ihre Füße, als sie plötzlich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Am anderen Ende der Bank hatte zu Beginn eine Gruppe Mädchen gesessen, das wusste Ronja. Einen kurzen Moment später waren diese aufgestanden und an ihren Beinen langgestrichen, auch das hatte sie mitbekommen. Dass sie nun aber das Gefühl hatte, aus derselben Richtung angestarrt zu werden, bereitete ihr ein mulmiges Gefühl. Sie versuchte, sich unauffällig zu benehmen, damit der Beobachter sich nicht ertappt fühlen würde. Also öffnete sie langsam ihre Augen. Im Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr, etwas Blaues zuckte durchs Bild. Sie ließ aber den Blick erst bemüht lässig durch den Raum schweifen, um schließlich auf dem anderen Ende der Bank zu verharren: Doch das war leer. Ronja atmete hörbar die Luft aus, die sie, ohne es zu bemerken, angehalten hatte. Ihr wäre nun wirklich nicht nach einer weiteren schlechten Anmache zumute gewesen, aus der sie sich hätte entziehen müssen. Entspannt sah sie sich also wieder im Club um. Eigentlich ist es doch jedes Wochenende dasselbe, dachte sie sich. Fast alle Menschen hier sind mit ihren Freunden unterwegs. Der Alkohol hat sein Bestes getan, um ihre Sinne zu vernebeln. Die einen stehen den ganzen Abend an der Bar und kundschaften mögliches Flirtpotenzial aus, die anderen wandern ruhelos vom Tisch zur Tanzfläche, zur Bar, zum Raucherraum und wieder zum Tisch, um diesen Abend bloß so legendär wie möglich werden zu lassen. Wieder andere versuchen verzweifelt, auf der Tanzfläche die Blicke auf sich zu ziehen, sprechen gelegentlich die ein oder andere Person an und fallen am Ende des Abends doch wieder einsam und ohne neue Bekanntschaft in ihrer Junggesellenbude ins Bett. So jemanden wie sich selbst hatte Ronja hier noch nie entdeckt, geschweige denn kennen gelernt. Es schien wohl doch eher unüblich, alleine in einer Diskothek aufzukreuzen und nur herzukommen, um die Musik und die Stimmung zu genießen. Sie seufzte und sah auf ihr Handy. Es war zwar noch früh, aber sie war müde, und die Lust aufs Tanzen war ihr vergangen, also entschied sie sich dazu, den Heimweg anzutreten. Um die beiden Männer machte sie dieses Mal einen großen Bogen, zwängte sich geschickt durch die Feierwütigen und wurde noch ein letztes Mal angerempelt. Endlich draußen angekommen, hielt sie einen Moment lang inne, sog genüsslich die kalte frische Nachtluft ein und blickte dabei in die Sterne. Ihre Wohnung war nicht weit entfernt, und so wollte sie gerade ihren Fußweg angehen, als sich ihr jemand von hinten näherte und ihr Handgelenk griff. Empört und nun doch bereit, auch ein wenig ausfallender zu werden, drehte sie sich um und wollte gerade ihren Gedanken freien Lauf lassen, als es ihr schlagartig die Sprache verschlug. Vor ihr stand nicht etwa wieder der lästige, schmierige Typ, sondern jemand anderes. Jemand...



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