E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Scott Das Mädchen und der Prinz
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7337-1602-8
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-1602-8
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Seine Augen haben die Farbe von schokoladenbrauner Seide, und der Blick ist so verführerisch wie eine Liebkosung: In Evie erwacht ein nie gekanntes Verlangen, als sie Dimitri das erste Mal begegnet. Doch für einen waschechten Prinzen ist ein einfaches Mädchen wie sie ganz bestimmt keine angemessene Gattin ...
Bronwyn Scott ist der Künstlername von Nikki Poppen. Sie lebt an der Pazifikküste im Nordwesten der USA, wo sie Kommunikationstrainerin an einem kleinen College ist. Sie spielt gern Klavier und verbringt viel Zeit mit ihren drei Kindern. Kochen und waschen gehören absolut nicht zu ihren Leidenschaften, darum überlässt sie den Haushalt am liebsten ihrem Ehemann, der früh morgens und spät abends am College unterrichtet, sodass er tagsüber als Hausmann glänzen kann.
Nikkis ganzes Leben steht im Zeichen des Schreibens. Schon in der vierten Klasse nahm sie an Nachwuchsautoren-Konferenzen der Schule teil und ist immer noch sehr stolz auf ihren ersten Roman, den sie in der sechsten Klasse fertigstellte - ein mittelalterliches Abenteuer, das ihre Mutter auf einer elektrischen Schreibmaschine für sie abtippte. Mittlerweile besucht sie RWA-Konferenzen und besitzt natürlich ihren eigenen Computer. Sie ist sehr an Geschichte interessiert, recherchiert gern, immer auf der Suche nach Stoff für neue Geschichten. Es macht ihr viel Spaß, sich mit anderen Autoren und LeserInnen über ihre Lieblingsbücher und den Prozess des Schreibens auszutauschen.
Weitere Infos & Material
1. KAPITEL
10. August 1821
Diesem Mann hätte Evie Milham sehr gern die Kleider vom Leib gerissen. Nach dem ausgesprochen großen Andrang von Frauen zu urteilen, die sich an diesem warmen Augustabend in den kleinen Versammlungssaal in Little Westbury gezwängt hatten, war sie jedoch offenbar nicht die Einzige mit diesem Wunsch. Allerdings bezweifelte Evie sehr, dass der Rest der weiblichen Anwesenden denselben Grund hatte wie sie.
Ganz abgesehen davon, hatte es wohl in der ganzen Geschichte von West Sussex noch nie eine so gut besuchte archäologische Vorlesung gegeben – vielleicht sogar in der Geschichte von ganz England. Nicht einmal die Parthenon-Marmorskulpturen, die Lord Elgin aus Athen mitgebracht hatte, waren so enthusiastisch begrüßt worden. Allerdings sahen die Skulpturen auch nicht aus wie er, Dimitri Petrovich, der Prinz von Kuban. Er war hochgewachsen mit glattem schwarzem Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte, und seine markanten Züge wiesen unzweifelhaft auf exotische Vorfahren hin. Viele Frauen reisten meilenweit, nur um diese hohen Wangenknochen bewundern zu können. Und seine Kleidung, lieber Himmel, seine Kleidung! Er sah darin aus wie ein Gott. Evie spürte, wie es ihr in den Fingern juckte. Wie gern würde sie seine Hose in die Hände bekommen! Wenn sie sie nur einige Augenblicke lang untersuchen dürfte! Wer immer sein Schneider sein mochte, er war ein wahres Genie.
Evie reckte den Hals, um besser sehen zu können. Wenn sie gewusst hätte, dass er so auserlesen gekleidet sein würde, hätte sie sich weiter nach vorn gesetzt. Allerdings hatte sie nicht seinetwegen weiter hinten Platz genommen, sondern vielmehr wegen eines anderen Mannes. Andrew Adair saß lediglich zwei Reihen vor ihr, sodass sie den Blick immer wieder auf seinem goldblonden Schopf ruhen lassen konnte. Nur glitt ihr Blick öfter, als sie erwartet hätte, zu Prinz Dimitri Petrovich hinüber. Es war auch nur zu verständlich. Wenn sie nicht seine bemerkenswerte Hose bewunderte, starrte sie fasziniert seine Hände an. Er gestikulierte nicht wie ein Engländer. Seine Bewegungen besaßen eine Geschmeidigkeit, die ihn nur noch fremdartiger erscheinen ließ. Warum sollte sie auch nicht hinschauen? Schließlich war es Andrew herzlich gleichgültig, was sie tat, wenn er sich ihrer Anwesenheit überhaupt bewusst war.
Der heutige Abend sollte das eigentlich ändern. Er sollte ihr die Gelegenheit geben, nach sechs Jahren endlich Andrews Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dabei waren sie Nachbarn, seit Evie denken konnte. Drei Jahre war er allerdings auf seiner Grand Tour in Europa gewesen, während sie in London debütiert hatte. Dieses Jahr musste alles anders werden. Sie war in die Gesellschaft eingeführt worden, und er war wieder daheim. Darüber hinaus hatte er kurz vor Ende dieser Saison verkündet, dass er auf der Suche nach einer Frau war. Evie holte tief Luft. Sie würde ihn dazu bringen, sie zu bemerken.
Wieder ließ sie den Blick von Andrews blondem Kopf zur Bühne schweifen. Dort machte der Prinz – es mussten die Bundfalten sein, die seiner Hose erlaubten, sich so makellos an seine schmalen Hüften zu schmiegen – eine seiner fesselnden Gesten, mit der er den Lakaien, die den Gästen Champagner reichten, ein Zeichen gab. Entschlossen zwang Evie sich, wieder zu Andrew hinüberzusehen. Wenn sie in der vergangenen Saison etwas gelernt hatte, dann, dass sich nichts änderte, wenn man sich nicht vorher selbst änderte. Sie durfte nicht einfach darauf warten, dass Andrew sie beachtete. Hatte nicht die Tatsache, dass ihre Freundin Claire vor nur wenigen Wochen mit dem Diplomaten Jonathon Lashley eine stürmische Liebesheirat eingegangen war, bewiesen, wie klug dieser Leitspruch war? Claire war es gelungen, dass Jonathon sein Augenmerk auf sie gerichtet hatte. Und nun brauchte sie, Evie, lediglich dasselbe mit Andrew zu tun, und ihrem Glück würde nichts mehr im Wege stehen. Schließlich konnte man Andrew keinen Vorwurf daraus machen, dass sie ihm noch nicht aufgefallen war, wenn sie nichts tat, um ihm ein wenig dabei zu helfen.
„Champagner, Miss?“ Ein Diener hielt ihr ein Tablett voller Champagnergläser hin. Und nicht nur Champagner, sondern kühlen Champagner. Eiskalter Champagner auf dem Lande, noch dazu mitten im August, war wirklich ein bemerkenswerter Luxus. Evie nahm sich ein Glas, und der Diener ging weiter. Vorne war der Prinz im Begriff, einen Toast auszusprechen, und das Publikum stand auf. Plötzlich kam Evie ein Einfall. Wenn sie sich nun einfach ein, zwei Reihen weiter nach vorn bewegen würde? In der Menge würde es niemandem auffallen, wenn sie sich plötzlich an Andrews Seite gesellte, oder? Ein perfekter Plan. Daraufhin würde Andrew sich zu ihr umdrehen und sie wahrnehmen. Er würde mit ihr anstoßen müssen und ihr dabei in die Augen sehen …
Beweg dich schon, sagte sie sich ungeduldig. Man würde den Toast gesprochen haben, und sie würde noch immer von dem Moment träumen, während er schon längst vorbei war! Evie kratzte all ihren Mut zusammen und huschte entschlossen zu Andrew hinüber. Ihr Herz klopfte schneller. Noch nie hatte sie es gewagt, sich Andrew so zielgerichtet zu nähern. Der Prinz sprach, aber sie war zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftig, um mehr als nur gelegentliche Wortfetzen aufzuschnappen. „Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass ich mir für den Zweck der Ausgrabung hier in Little Westbury … bin stolz darauf, bei diesem Vorhaben von so begeisterten Geschichtsliebhabern begleitet zu werden, wie …“ Sie hörte die Namen nicht, bis er den letzten erwähnte. „Und vor allem wird mir ein Freund und Reisegefährte zur Seite stehen, Mr. Andrew Adair, ohne den dieses Unterfangen gar nicht möglich wäre.“
Das weckte allerdings schon ihr Interesse. Andrew und der Prinz waren Freunde? Andrew interessierte sich für Geschichte? All diese Jahre hatte sie sozusagen Tür an Tür mit ihm gelebt und hatte keine Ahnung gehabt. Sie war gerade bei Andrew angekommen, als die Anwesenden miteinander anzustoßen begannen. Im ganzen Saal klang es, als würden Kristallglocken läuten. Andrew stieß mit dem Herrn zu seiner Rechten an, dann mit den Leuten in der Reihe vor ihm, und schließlich wandte er sich nach links. Er zog erstaunt die hellen Augenbrauen zusammen und brauchte sichtlich einen Moment, um Evies Anwesenheit zu verarbeiten. „Oh, du bist es, Evie. Was tust du denn hier?“ Er stieß mit ihr an, und sie suchte angestrengt nach einer Antwort.
„Ich wollte den Vortrag des Prinzen hören.“ Was in gewisser Weise auch stimmte. „Ich gratuliere dir übrigens zu dem gelungenen Abend.“
„Oh. Ja“, antwortete er vage. Schon glitt sein Blick wieder zur Bühne. Seine ganze Aufmerksamkeit galt wieder dem Prinzen statt ihr, wie Evie geplant hatte.
Sie räusperte sich vernehmlich, und er wandte sich ihr wieder zu. „Ich wusste nicht, dass du so sehr …“, begann sie, doch er unterbrach sie, indem er mit der Hand wedelte, um sie zum Schweigen zu bringen.
„Wenn du mich einen Moment entschuldigen möchtest, Evie.“ Und damit ging er einfach an ihr vorbei und blieb im Gang stehen. Wenn sie ihn nicht besser gekannt hätte, hätte sie sein Benehmen als rüpelhaft bezeichnet. Unter anderen Umständen hätte seine abrupte Art sie vielleicht gekränkt, aber sie verstand den Grund dafür. Als enger Freund des Prinzen musste Andrew natürlich seinerseits einen Toast ausbringen. Sie hätte damit rechnen müssen. Er war nicht unhöflich, er tat nur seine Pflicht.
Sobald der Lärm sich gelegt hatte, erhob er sein Glas, und die Bewegung zog alle Blicke auf ihn. Und damit auch auf Evie. Zu spät erkannte sie, dass die Blicke aller Anwesenden auch auf ihr ruhten.
Andrew begann jetzt, souverän und mit fester Stimme zu der versammelten Menge zu sprechen. „Auf den Prinzen!“ Im Nu war er auf der Bühne, wo er sich zu dem Prinzen gesellte. Und Evie blieb zurück. Wieder einmal. Das war es also. Ihr Versuch, Andrew auf sich aufmerksam zu machen, war fehlgeschlagen.
Nein. Geh ihm nach! Das klang genau wie Claires Stimme in ihrem Kopf. Claire wäre niemals wie eine willenlose Puppe hier stehen geblieben. Plötzlich entschlossen, zwängte Evie sich durch die Menge und wurde gleich darauf von anderen Gästen, die begierig waren, den Prinzen kennenzulernen, und zur Bühne drängten, mit nach vorn geschoben. Als die Drängelei aufhörte, stand sie wieder neben Andrew und beobachtete voller Erstaunen, wie der Prinz von Kuban ihn in eine brüderliche Umarmung zog. „Mein Freund! Wie schön, dich zu sehen. Hat dir der Vortrag gefallen?“
Andrew erwiderte die Umarmung, wenn auch ein wenig unbeholfen, als wäre ihm der ungewohnte Kontakt mit einem Mann nicht sehr angenehm. „Sehr. Was du über die große Bedeutung der Geschichte gesagt hast, war wirklich sehr treffend ausgedrückt“, antwortete er und lächelte charmant. „West Sussex bekommt dir, alter Junge. Du siehst ausgesprochen gut aus.“
Der Prinz lächelte breit. „Das stimmt in der Tat!“ Er breitete die Arme aus, als wollte er die ganze Welt umarmen. „Was für ein wunderschönes Fleckchen Erde du dein Zuhause nennst. Du bist ein sehr glücklicher Mann.“ Und er meinte es ernst, erkannte Evie. Der Prinz strahlte eine so ungezwungene Aufrichtigkeit aus, dass er eher menschlich als königlich wirkte. Doch dann drehte der unverhofft menschliche Prinz den Kopf, und der Blick seiner dunklen Augen heftete sich auf sie. Evie erstarrte. Sie war nicht mehr der Beobachter einer Unterhaltung, sondern ein Teilnehmer. Seine Augen hatten die Farbe von schokoladenbrauner Seide, und sein Blick war genauso innig wie seine...




