E-Book, Deutsch, Band 2, 368 Seiten
Reihe: New York Saints
Scott Angel in Armani
16001. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8437-1277-4
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 368 Seiten
Reihe: New York Saints
ISBN: 978-3-8437-1277-4
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Melanie Scott kommt aus Australien und schreibt Fantasy- und Romance-Romane, auch unter dem Pseudonym M.J. Scott. Ihr Debütroman SHADOW KIN brachte ihre viel Lob diverser Bestseller-Autoren ein und ihre HALF-LIGHT CITY-Serie stand in der Auswahl des Australian Romance Readers Association Award. Melanie Scott lebt in Melbourne.
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1
Es war, als säße ihr ein Tiger im Genick.
Etwas Großes und Gefährliches und Mitleidloses, das in ihrem Helikopter hockte und ihr seinen heißen Atem direkt in den Nacken blies. Etwas, das sie mühelos zerquetschen könnte, während es mit seinen großen goldenen Augen weiter reglos durch die Windschutzscheibe in den Himmel sah.
Nur, dass ihr Passagier nicht goldene, sondern blaue Augen hatte. Leuchtend blau.
Weshalb vielleicht ein Tiger nicht die richtige Metapher war. Vielleicht –
»In etwa fünf Minuten kommt der nächste Chopper, Sara. Kriegst du deine Kiste vielleicht langsam in die Luft?«, unterbrach die kühle Stimme aus dem Tower ihren Gedankengang.
Reiß dich zusammen, Sara Charles. Du führst dich auf wie eine Närrin. Sie schüttelte den Kopf. In dem kein Raum für derart dämliche Gedanken war, während sie flog.
»Ich bin so weit«, gab sie zurück und drehte sich nach ihrem Fluggast um. »Wir können starten, Sir.« Sie nannte alle ihre Passagiere »Ma’am« oder »Sir«, solange sie nichts anderes von ihr erbaten – was die meisten Leute, oder wenigstens die Stammkunden, normalerweise taten. Nicht jedoch der Mann, der heute mit ihr flog. Er schien das »Sir« zu akzeptieren, als wäre das die pflichtgemäße Anrede für ihn. Was sie ein wenig seltsam fand, denn wenn sie sich nicht irrte, war der Mann kein Exsoldat und gehörte offenbar auch nicht dem britischen Königshaus an. Weil er seinem Akzent nach ganz eindeutig in den Staaten aufgewachsen war. Obwohl er während der drei Flüge, die er bisher mit ihr unternommen hatte, kaum ein Wort mit ihr gewechselt hatte.
Außer »Guten Morgen«, »Vielen Dank« oder »Auf Wiedersehen«.
Wobei er immer mit beherrschter, dunkler, kühler Stimme sprach. Sein fortgesetztes Schweigen hätte Sara stören sollen, doch aus irgendeinem Grund fand sie es faszinierend.
»Gleich sind wir in der Luft«, erklärte sie, denn vielleicht würde dieser Satz ihn ja ein wenig aus dem Gleichgewicht bringen und er würde plötzlich »super« oder so sagen.
Doch er hob nicht einmal den Kopf. Was er sowieso nur selten tat. Er nickte einfach knapp und starrte weiter auf den Bildschirm seines schlanken silberfarbenen Laptops. Zielgerichtet. Konzentriert.
Er konnte sich eindeutig besser konzentrieren als die meisten anderen Menschen. Selbst mit Kopfhörern war es in ihrem Hubschrauber sehr laut, aber das lenkte ihn nicht im Geringsten ab. Sie musste zugeben, dass ihr schon mehrmals der Gedanke durch den Kopf gegangen war, wie es wohl wäre, würde er sich so auf sie statt auf den Laptop konzentrieren. So, als gäbe es nichts anderes mehr für ihn.
Aber das war so wahrscheinlich wie, dass ihr urplötzlich Flügel wachsen würden und sie ohne Helikopter fliegen könnte, deshalb kämpfte sie entschlossen gegen diese Überlegung an.
Obwohl sie gerne wüsste, wo der Mann gelernt hatte, die Außenwelt so völlig auszusperren. Vielleicht gehört das zu dem Beruf als Arzt einfach dazu. Sara wusste, er war Arzt. Dr. Lucas Angelo.
Unter diesem Namen hatte er die Flüge bei Charles Air gebucht. Sonst wusste sie kaum etwas über ihn. Und sie weigerte sich rundheraus, im Internet nach einem Mann zu suchen, der praktisch ein Fremder für sie war und es wahrscheinlich immer bleiben würde. Denn irgendwie käme ihr das erbärmlich vor.
Erbärmlicher, als ihn mit einem Tiger zu vergleichen?
Sara unterdrückte einen Seufzer und wandte sich wieder dem Kontrollpaneel des Helikopters zu. Denn statt an Raubkatzen zu denken, sollte sie am besten erst mal ihren Vogel in die Luft bringen.
Kaum waren sie oben, lenkte die Begeisterung zu fliegen sie vom Rätsel dieses Mannes ab. Es war ein rundherum perfekter Wintertag. Wolkenlos und sonnig und mit einer ausreichenden Brise, um das Fliegen interessant zu machen. Mit hervorragendem Licht und guter Sicht. Der Helikopter schien sich genau wie sie zu freuen, endlich in der Luft zu sein.
Fort von den Problemen, die es unten auf der Erde gab. Wenigstens für ein paar Stunden würde es für sie nichts anderes geben als den leuchtend blauen, endlos weiten Himmel und ihr Ziel.
Beim Flug über die Stadt empfand sie die gewohnte Euphorie, als sie die schimmernden Gebäude und den ausgedehnten Central Park unter sich sah. Eine bessere Aussicht auf Manhattan gab es einfach nicht.
Wobei Dr. Geheimnisvoll wie auch schon bei den letzten Flügen weiter reglos auf den Bildschirm seines Laptops sah.
Stirnrunzelnd lenkte sie ihren Helikopter geradeaus. Sie konnte einfach nicht verstehen, dass er dort sitzen konnte, ohne auch nur einmal auf- oder vielleicht sogar hinauszusehen. Weil ein Laptop nichts enthalten konnte, was so wunderbar war wie dieser Ausblick.
Verdammt, die meisten Passagiere buchten sie ausschließlich dieses Ausblicks wegen. Rundflüge über die Stadt machten einen Großteil des Geschäfts mit Charterflügen aus. Sie liebte es, wenn sie die aufgeregten Stimmen der Touristen hörte, die New York zum ersten Mal von oben sahen. Wobei natürlich ab und zu auch jemand grün im Gesicht wurde und während des gesamten Fluges kotzte, was jedoch zum Glück nicht oft geschah.
Doch ihr momentaner Fluggast kotzte selbstverständlich nicht.
Er täte sicher nie etwas, was den perfekt geschnittenen Smoking ruinieren würde, den er heute trug.
Bei den bisherigen drei Flügen hatte er stets einen Anzug angehabt.
Dunkelgrau auf ihrem Flug zum Krankenhaus am Rande von New Jersey.
Mittelgrau während des kurzen Wegs nach Staten Island.
Und marineblau mit beinah unmerklichen Nadelstreifen auf dem Weg zum JFK.
Die dritte Version hatte ihr besonders gut gefallen. Denn das Marineblau des Anzugs und das dunkle Blau seiner Krawatte hatten seine leuchtend blauen Augen besonders betont. Und sie hatte gedacht, am besten sollte er ständig Blau tragen.
Bis er am Nachmittag im Smoking auf der Bildfläche erschienen war. Natürlich sahen die meisten Männer gut aus, wenn sie einen Smoking trugen, aber Dr. Lucas Angelo sah geradezu wie der geborene Smoking-Träger aus. Was einfach unfair war. Strenges Schwarz und Weiß sollten im Grunde keinen Mann in einen Gott verwandeln. Doch der Schneider dieses Mannes war eindeutig ein Genie.
Sie hatte ihn kurz angesehen, sich gezwungen, ihren Blick von ihm zu lösen, war auf ihren A-Star zumarschiert, und er hatte in seiner ganzen Pracht mitsamt der makellosen kleinen Laptoptasche bei ihren Kolleginnen im Flughafengebäude eingecheckt. Denn es war eine Sache, zuzugeben, dass er zwar nicht unbedingt sympathisch, aber faszinierend und vor allem wirklich gut aussehend war, doch etwas völlig anderes, zu hyperventilieren, sobald sie ihn auch nur von weitem sah. Vor allem, während sie in ihrer Uniform aus praktisch-schwarzer Hose, praktisch-schwarzen Schuhen und praktisch-blauer Bluse, mit vom Kopfhörer zerzausten Haaren auf dem Rollfeld stand.
Deshalb hatte sie sich während der vor jedem Flug gebotenen Kontrolle ihres Helis ins Gebet genommen. Sich daran erinnert, dass sie besser nicht für einen Kunden schwärmte, der genügend Geld und Einfluss hatte, um sich regelmäßig einen Hubschrauber zu chartern. Weil ein solcher Mann eindeutig eher einen Blick für Supermodels hatte als für eine kleine Hubschrauberpilotin mit vom Kopfhörer zerzaustem Haar. Deshalb wäre es in höchstem Maße unpraktisch, mit Hitzewallungen zu reagieren, kaum dass er in ihrem Helikopter saß. Vor allem brauchte sie das Geld, das sie damit verdiente, und keinen Mann fürs Bett.
Und Dr. Lucas Angelo hatte sie schon dreimal engagiert. Wodurch er fast so etwas wie ein Stammkunde des Unternehmens war. Den sie dringend brauchte. Deshalb sollte sie am besten jede Ablenkung vermeiden und weiterhin ihr Ziel im Blick behalten.
Diese durchaus gute Rede hatte sie beinahe überzeugt. Bis sie angefangen hatte, über Tiger nachzudenken, als er eingestiegen war.
Obwohl sie jetzt, als sie in Richtung Hamptons flogen, wo er ohne Zweifel irgendeinen super exklusiven Ball besuchen würde, dachte, dass wahrscheinlich Tiger nicht der passende Vergleich für die Gefühle war, die er in ihr weckte. Nein, die Art, in der er schweigend die Kabine füllte, bis sie ihn unmöglich ignorieren konnte, war fast wie ein Flug am Rande eines Sturms. Bei dem die Luft vor Spannung zu vibrieren schien. Und sie wusste, dass sie darauf achten musste, nur ja nicht die Kontrolle zu verlieren, damit sie nicht in den Sog des Unwetters geriet.
Doch das würde nicht passieren.
Weil sie eine ausgezeichnete Pilotin war und bisher noch jedem Sturm erfolgreich ausweichen konnte.
Selbst wenn sie nicht sicher hätte sagen können, ob sie es nicht schöner fände, mitten in das Unwetter hineinzufliegen, um zu sehen, was dann geschah.
Lucas starrte auf den Bildschirm seines Laptops und versuchte, nicht darauf zu achten, dass das gleichförmige tock, tock, tock des Helikopter-Motors trotz der Kopfhörer an seine Ohren drang. Oder darauf, dass er wieder mal in einer Hightech-Blechkiste weiß Gott wie hoch am Himmel schwebte.
Konzentrier dich auf die Bilder, die du siehst.
Zum Beispiel auf die Röntgenaufnahme eines gebrochenen Schlüsselbeins. Wenn er es gerichtet hätte, würde es wieder sein wie neu. Solche kinderleichten Eingriffe führte er heutzutage nur noch selten durch, doch dieses spezielle Schlüsselbein gehörte einem jungen Profi-Eiskunstläufer, dessen Eltern sehr viel Geld dafür bezahlten, dass seine Karriere nicht schon vorzeitig zum...