E-Book, Deutsch, Band 1, 304 Seiten
Reihe: Kommissar Birkholz
Schwikardi Uterus
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-947612-33-8
Verlag: mainbook Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Köln Krimi
E-Book, Deutsch, Band 1, 304 Seiten
Reihe: Kommissar Birkholz
ISBN: 978-3-947612-33-8
Verlag: mainbook Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Astrid Schwikardi, geboren 1974 in einer Kleinstadt, in der Nähe von Wuppertal. Hauptberuflich arbeitet sie derzeit als Führungskraft in einem Versicherungsunternehmen. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit besucht sie entweder laute Musikevents, entspannt im Kino bei einem Actionfilm oder verbringt ihre Freizeit mit Freunden, sofern sie nicht gerade spannende Kriminal- und Kurzgeschichten schreibt. Sowohl unter ihrem realen Namen als auch unter ihrem Pseudonym V.J. Courtier sind bereits einige ihrer Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlicht worden. Ihr Debütroman 'Uterus' ist der erste Band einer Kriminalreihe rund um den Ermittler Mark Birkholz.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 5
Mark saß an seinem Büroschreibtisch, auf dem die Fotos vom Leichenfundort in einem heillosen Durcheinander verteilt lagen. Die Sonnenstrahlen der tief stehenden Abendsonne fielen auf die Farbaufnahmen, die er seit über einer Stunde sortierte. Mit seinen Gedanken war er jedoch ganz woanders. Carla war tot. Seit wenigen Tagen unter der Erde. Und noch immer kämpfte er mit den Nachwehen. Carlas kleine Familie war brutal auseinandergerissen worden. Nie mehr würde sie ihren Sohn lachen sehen. Ihn trösten, wenn er weinte und nach ihr rief. Mark schluckte. Was um alles in der Welt hätte er auf der Beerdigung Carlas Eltern und ihrem Mann sagen sollen? Dass es ihm leid täte? Kein Wort der Welt hätte auch nur annähernd Trost gespendet.
Bei der Bestattung seiner Schwester Patricia hatte es sich genauso angefühlt. Nur mit dem feinen Unterschied, dass er unmittelbar betroffen war. Alles war wieder da, obwohl seitdem fast ein Jahr vergangen war. Auch damals hatte er sich geschworen, den Kerl kaltzumachen, der Patti auf so bestialische Art und Weise abgeschlachtet hatte. Nichts hatte sich an seinen Rachegefühlen geändert. Nach wie vor waren sie präsent. Mehr denn je! Täglich! Stündlich! Aber von nun an hatte er zwei Rechnungen offen. Er würde das Schwein, das Carla das angetan hatte, jagen. So lange, bis er Blut kotzen würde.
Er musste. Für Patti. Für Carla. Für ihren Sohn. Und sich selbst.
Noch immer wusste niemand, weshalb Carla in den Wald gelaufen war. Mark hatte wenige Sekunden nach dem Todesschuss, den er fälschlicherweise zuerst für Fluglärm gehalten hatte, die Lichtung betreten. Zu spät, denn niemand hätte Carla zu dem Zeitpunkt noch retten können. Seitdem dröhnte der Schuss, der seiner Kollegin auf so grausame Weise das Leben ausgehaucht hatte, wie ein Presslufthammer in seinem Schädel, ohne dass er den Abstellknopf fand.
Doch nicht nur er, alle Kollegen standen unter Schock. Wobei es seinen Chef Thomas Dahlmann am härtesten getroffen hatte. Direkt nach Carlas Beerdigung hatte er sich beurlauben lassen. Auf unbestimmte Zeit.
Mark fuhr sich durch seine zerzausten Haare, stützte seinen Ellenbogen auf die Arbeitsfläche und runzelte die Stirn, als ihm ein Gedanke kam. Ob Dahlmann die Beurlaubung nahegelegt worden war?
Marks Finger bohrten sich in seinen verspannten Nacken, während er nachdenklich die Bildaufnahmen betrachtete, die seine Kollegen vom Tatort angefertigt hatten. Seit Monaten flatterten Vermisstenanzeigen junger Frauen herein. Im Wochenrhythmus erhöhte sich die Zahl der Frauen, die nach Discobesuchen oder Treffen mit Freunden spurlos verschwunden waren. Der Leichenfund der Studentin Sarah Vens war ein Lichtblick. Zwar ein makabrer, doch immerhin wussten sie jetzt, womit sie es zu tun hatten. Seine Augen schweiften über die Fotos der ermordeten Studentin, die vor knapp drei Wochen von ihrem Vater als vermisst gemeldet worden war. Auf einem Bild schmollte die Frau mit den langen Haaren in die Kamera. Das Foto daneben lieferte das Kontrastprogramm. Sarahs geschändeter Körper. Die klaffende Bauchwunde. Ihre weit gegrätschten Beine. Drapiert von ihrem Mörder, nachdem er sie an einem anderen Ort ausgeweidet hatte.
Nachdenklich trank Mark einen Schluck abgestandenen Kaffee aus seiner FC Köln-Tasse mit dem aufgebäumten Geißbock, als er das Blöken des FC-Maskottchens Hennes vernahm. Neugierig ergriff er sein Smartphone, aktivierte die FC Köln-App und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Stirnrunzelnd las er die geplante Mannschaftsaufstellung für den kommenden Samstag und die aktuellen FC News, doch die Neuigkeiten konnten seine schlechte Laune nicht heben. Erneut fiel sein Blick auf die Fotos der jungen Studentin. Wie oft wollte er sich die Bilder noch ansehen? Wieso glaubte er immer noch, dass sie etwas übersehen hatten? Resigniert schob er die Aufnahmen zur Seite und rief seinen Kollegen Peter Eiser an. Im Laufe ihrer Zusammenarbeit hatte sich zwischen den beiden Männern eine Freundschaft entwickelt, die sie ihrer gemeinsamen Leidenschaft, dem 1. FC Köln, zu verdanken hatten. So oft wie möglich besuchten sie die Heimspiele ihres Lieblingsvereins, sofern es ihre Dienstpläne und vor allem ihre Kollegen zuließen.
„Was gibt‘s?“, riss ihn Peters Stimme aus seinen Gedanken.
„Falls jemand nach mir fragt: Ich bin am Königsforst.“
Peters mürrisches Grummeln drang an sein Ohr, das er immer dann von sich gab, wenn ihm etwas nicht passte. „Was willst du da noch? Selbst wenn wir was übersehen hätten, haben die starken Regenfälle der letzten Tage ihr Übriges getan.“
Er dachte kurz über Peters Worte nach und seufzte. „Falls ich heute nichts finde, mache ich zukünftig einen weiten Bogen um den Wildpark. Versprochen!“, erwiderte er und legte auf.
Er schaute zu den Vermisstenanzeigen, die an der Pinnwand wie vergessene Werbeflyer prangerten, und überlegte, wie viele Frauen da draußen noch lagen? Sein Stuhl knarrte, als er aufstand und sein Büro verließ.
Zwanzig Minuten später erreichte er das Naturschutzgebiet Königsforst, fuhr bei der Ausfahrt Bensberg von der A4 ab und bog auf die Landstraße Rather Weg. Nachdenklich schaute er auf die Uhr. Viel Zeit blieb ihm nicht. Eine halbe Stunde vielleicht, wenn überhaupt. Er fuhr auf den Parkplatz und stellte seinen Wagen am Zufahrtsweg zum Wildparkgehege ab. Gedankenversunken ließ er den Verkaufswagen des Spargelhändlers, der zu dieser späten Uhrzeit verschlossen am Haupteingang des Wildparks stand, hinter sich und ging den Waldweg entlang. Kurz vor der Brücke, die über einen schmalen Bachlauf führte, blieb er stehen und sah sich um. Nachdenklich biss er auf seine Unterlippe und legte seine Stirn in Falten. Ob der Mörder diesen Weg gegangen war? Aber wie hatte er die Leiche transportiert? Etwa zu Fuß? Ein verdammt langer Weg. Er betrachtete die frischen Pferdehufspuren, die der nächste Platzregen fortspülen würde. Vermutlich war der Mörder über einen anderen Weg zur Waldlichtung gelangt. Zumal der Pfad ein öffentlich zugänglicher Weg war, der selbst zu später Stunde von Hundebesitzern, Förstern oder Reitern genutzt wurde. Niemals hätte sich Sarahs Mörder dieser Gefahr ausgesetzt. Jederzeit hätte er gesehen werden können. Doch wieso kam ihm erst jetzt der Gedanke? Weshalb hatte er nicht schon früher über diese Möglichkeit nachgedacht? Seine Antwort war vernichtend. Weil er seit Pattis Tod zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. So sah es aus! Und es half ihm weiß Gott nicht, sich immerzu selbst zu bemitleiden. Das machte Patti und Carla nicht wieder lebendig. Aber nicht nur er, auch seine Kollegen standen unter Schock, waren voller Trauer und oft nicht bei der Sache.
Er beschleunigte seine Schritte, näherte sich einer Hecke und kämpfte sich durch dichtes Geäst. Mehrmals verhedderte er sich in den Ästen, bis er kurz darauf auf die verwilderte Lichtung trat.
Wie friedlich sie dalag. Wie sehr der Schein trog.
Er näherte sich dem Leichenfundort, kramte ein Foto aus seiner Jackentasche und betrachtete die Umgebung. Nichts erinnerte mehr an die abgeknickten Jungpflanzen und die platte Mulde, in der die Tote mit weit gegrätschten Beinen gelegen hatte.
Und doch wirkte alles so real. Als wenn sie immer noch dort läge.
Sein Blick wanderte über die Lichtung und er überlegte, aus welcher Richtung der Mörder gekommen war.
Erneut betrachtete er das Foto. Den Metallhaken, den Plastikverschluss und die verrostete Uraltcoladose. Alles Gegenstände, die wahllos am Fundort gelegen hatten. Er drehte sich in die andere Richtung und blinzelte in die letzten Sonnenstrahlen. Peters Angaben zufolge war Carla dort vorn ins Dickicht gelaufen. Doch was hatte sie zuvor gesehen? Etwa ihren Mörder?
Minuten darauf versank die Sonne hinter den Eichenbaumkronen. Eine feuchtkühle Abenddämmerung legte sich über den Wildpark. Schlagartig verging ihm die Lust, weiter im Wald herumzugeistern. Vielmehr sehnte er sich nach einer heißen Dusche, nach einem kühlen Kölsch und nach einem entspannten Fußballabend mit dem FC vorm Fernseher. Ein dunkler Fleck am Fotorand stach ihm ins Auge, von dem er schwören könnte, dass er ihm zum ersten Mal auffiel. Er näherte sich der Stelle und suchte den Boden ab. Doch da war nichts. Aber dort hatte etwas gelegen. Die Frage war nur: Was? Und vor allem, wo lag es jetzt?
Nachdenklich kramte er sein Mobiltelefon aus der Jacke, aktivierte die Taschenlampenfunktion und leuchtete den Waldboden ab. Wahrscheinlich hatte Peter recht und er musste endlich akzeptieren, dass es hier nichts mehr zu holen gab.
Langsam näherte er sich den Erdhügeln, während er die mit Laub und Moos bedeckten Erderhöhungen ausleuchtete. Dahinter verlief der Wald mit seinen wuchtigen Kaisereichen und meterhohen Fichten. In der Nähe eines Erdhügels blitzte plötzlich etwas auf. Verwundert ließ er den Lichtstrahl erneut über den Erdhaufen...