E-Book, Deutsch, Band 3, 283 Seiten
Reihe: Kommissar Birkholz
Schwikardi Exodus
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-948987-34-3
Verlag: mainbook Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Köln Krimi
E-Book, Deutsch, Band 3, 283 Seiten
Reihe: Kommissar Birkholz
ISBN: 978-3-948987-34-3
Verlag: mainbook Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Astrid Schwikardi, geboren 1974 in einer Kleinstadt, in der Nähe von Wuppertal. Hauptberuflich arbeitet sie derzeit als Führungskraft in einem Versicherungsunternehmen. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit besucht sie entweder laute Musikevents, entspannt im Kino bei einem Actionfilm oder verbringt ihre Freizeit mit Freunden, sofern sie nicht gerade spannende Kriminal- und Kurzgeschichten schreibt. Sowohl unter ihrem realen Namen als auch unter ihrem Pseudonym V.J. Courtier sind bereits einige ihrer Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlicht worden. Bei mainbook sind die ersten beiden Bände 'Uterus' und 'Animus' der Krimi-Reihe mit dem Kölner Hauptkommissar Mark Birkholz von Astrid Schwikardi erschienen
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Kapitel 2
Freitag, 19. April
Gegen zweiundzwanzig Uhr legten die Gäste ihre Essbestecke beiseite und gingen gut gelaunt zum gemütlichen Teil des Abends über. Vorher hatten sie sich ausgiebig an der erlesenen Auswahl kulinarischer Köstlichkeiten satt gegessen. Bis dahin hatte Marks Mutter Karola fast keine Minute stillgesessen und war ständig zwischen Esszimmer und Küche hin- und hergelaufen.
Gedankenversunken betrachtete Mark gerade das Familienfoto auf dem Klavier, als Tante Hedwig ihn ansprach.
„Was ist eigentlich mit dir und Larissa? Seid ihr nicht mehr zusammen?“
Die Frage traf ihn ohne Vorwarnung und gänzlich unvorbereitet. Im ersten Moment fehlten ihm die Worte. Ungläubig sah er sie an, während sie unverfroren weitersprach: „Deine Mutter erzählt ja nichts und druckst immer nur rum. Dabei ist es doch offensichtlich, dass ihr euch getrennt habt. Was auch nicht verwunderlich ist. Welche Frau will schon mit einem Mann zusammen sein, der mit seinem Job verheiratet ist? Du bist doch noch bei der Polizei, oder? Mein Gott, wir haben uns ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Ich glaube, das letzte Mal war auf Patricias Beerdigung.“
Mark nickte wortlos und wusste nicht, wie ihm geschah. In der Zeit nach der Trennung von Larissa hatte er sich als das Opfer gefühlt. Larissa hatte ihn betrogen. Sie hatte ihn verlassen und war mit Marks damaligem besten Freund zusammengezogen.
Allein schon deshalb war für ihn immer klar gewesen, wer schuld an der gescheiterten Beziehung war. Doch die offenkundige Sichtweise seiner Tante brachte seine bis dahin felsenfeste Überzeugung ins Wanken.
Tante Hedwig zählte zu den Menschen, denen man lieber aus dem Weg ging, wenn man vermeiden wollte, dass am nächsten Tag die gesamte Nachbarschaft über seine persönlichen Probleme Bescheid wusste. Nach einem tiefsinnigen Gespräch mit ihr fühlte sich ein Normalsterblicher ausgequetscht wie eine Zitrone.
„Da brauchst du dir nichts vormachen. Das macht keine Frau lange mit. Auch wenn sie den Mann noch so sehr liebt. Und Larissa hat dich geliebt. Das glaub mir mal. Sowas sehe ich auf den ersten Blick.“
Hedwigs Worte berührten ihn, mehr als sie erahnen konnte. Nachdenklich wandte er sich von ihr ab und trank einen Schluck von seinem Kölsch.
„Ich war wieder indiskret, stimmt’s? Tut mir leid, das wollte ich nicht. Du weißt ja, wie ich bin. Es ist nur so …“ Tante Hedwig stockte mitten im Satz, als sich Onkel Willi rüber beugte und sich in ihr Gespräch einmischte. Zuvor hatte er lange mit Harald Vreede gesprochen, einem langjährigen Freund von Marks Eltern. Während des gesamten Abendessens waren die beiden Männer vertieft in ihr Gespräch gewesen, doch nun richtete Onkel Willi seine Aufmerksamkeit auf seine Ehefrau Hedwig und Mark.
„Geht dir ihre Ausfragerei auch so auf den Sack wie mir?“, fragte sein Onkel lachend.
Hedwig strafte ihren Mann mit einem bösen Blick.
„Ist schon in Ordnung. Ich hab ein dickes Fell.“
„Das muss man bei Frauen auch haben, mein Junge“, erwiderte sein Onkel augenzwinkernd und ergriff sein Kölsch. Lachend prostete er Mark und Harald Vreede zu und leerte sein Glas in einem Zug.
„Jetzt lass mich doch. Wir haben uns so lange nicht gesehen, da wird man wohl noch fragen dürfen“, herrschte Hedwig ihren Mann an und wandte sich wieder an Mark. „Ich habe dich doch nicht verletzt, oder?“
„Mach dir keine Sorgen. Dafür ist das mit Larissa und mir schon viel zu lange her. Und außerdem bin ich schon längst wieder liiert.“
Sie kniff die Augenbrauen zusammen und musterte ihn.
„Ach, wirklich?“, erwiderte sie in einem abschätzigen Tonfall, ließ ihren Blick durchs Wohnzimmer schweifen und sah ihn danach fragend an. „Und wieso hast du dann deine neue Partnerin nicht mitgebracht? Larissa war immer dabei …“
Ohne ein Wort der Erklärung erhob er sich vom Stuhl. Seine Mutter war gerade damit beschäftigt, die leeren Dessertteller aufeinanderzustapeln und abzuräumen. Er nutzte die Gelegenheit und half ihr dabei. So konnte er sich wenigstens aus der Affäre ziehen.
„Komm, lass mich das machen. Genieß du lieber deinen Geburtstag“, sagte er und nahm seiner Mutter den Tellerstapel aus der Hand. In Sekundenschnelle riss er Tante Hedwig den Dessertteller unter der Nase weg, obwohl sie das Tiramisu noch nicht aufgegessen hatte.
„Moment, ich bin doch noch gar nicht fertig“, rief sie ihm hinterher.
Eilig ging er an den Gästen vorbei und flüchtete in die Küche. Aus dem Augenwinkel sah er noch, wie Hedwig ihm ungläubig hinterher sah. Erleichtert atmete er auf, als die Küchentür hinter ihm ins Schloss fiel. Er schob die Teller auf die Anrichte und schüttelte schmunzelnd den Kopf. An Hedwig war eine Psychologin erster Güte verloren gegangen. Bisher hatte noch niemand seiner Tante etwas vormachen können. Mit ihren knapp siebzig Jahren war sie nach wie vor ziemlich clever. Auch äußerlich hatte sie sich gut gehalten. So manch Dreißigjährige konnte mit Tante Hedwigs wohlgeformten Beinen nicht mithalten, die sie besonders zu feierlichen Anlässen gerne unter einem knielangen Rock hervorblitzen ließ. Ihre graugelockten Haare trug sie auf Kinnlänge, wodurch ihr Haarschopf voluminöser wirkte. Die wenigen Gesichtsfalten waren allerdings ungewöhnlich für ihr Alter. Auch wenn sie es an diesem Abend wieder vehement abgestritten hatte, konnte man deutlich sehen, dass sie mit einer Schönheitsoperation nachgeholfen hatte. Und der Chirurg hatte sein Handwerk verstanden. Ihr Gesicht wirkte weder maskenhaft noch sonderbar unproportioniert.
Mark verdrängte die Gedanken an seine Tante und zog das Metallgehäuse aus seiner Tasche, das sein Onkel am Nachmittag auf dem Grundstück seiner Eltern gefunden hatte. Erneut betrachtete er den Gegenstand, doch nach wie vor war er unschlüssig, ob es sich tatsächlich um eine Wanze handelte.
Weshalb hätte sie jemand dort anbringen sollen? Ihm fiel niemand ein, der ein Interesse daran haben könnte, seine Eltern zu observieren.
Nach dem Tod seiner Schwester Patricia hatte Mark fast zwei Jahre keinen Kontakt zu seinen Eltern gehabt. Glücklicherweise gehörte das längst der Vergangenheit an. Seine Schwester war damals von einem Unbekannten brutal ermordet worden. Bis zum heutigen Tag konnte ihr Mörder nicht gefasst werden. So wie es aussah, würde das grausame Verbrechen für immer ein ungeklärter Mordfall bleiben. Und so schlimm diese Tatsache für seine Eltern und ihn auch war, sie hatten die schreckliche Vergangenheit mittlerweile akzeptiert und gelernt, mit ihr zu leben. Lange Zeit hatte Mark mit schweren Schuldgefühlen zu kämpfen und war davon überzeugt gewesen, schuld an Patricias Tod gewesen zu sein. Weil er versagt hatte. Weil er einen unverzeihlichen Ermittlungsfehler begangen hatte, der sie das Leben kostete, und der dazu geführt hatte, dass der Mörder entkommen konnte und weiterhin frei herumlief.
Die Küchentür ging auf und sein Vater betrat den Raum. Grinsend lehnte er sich an die Arbeitsplatte und sah ihn an.
„Du hast eine Freundin? Ich habe es gerade zufällig mitbekommen, als Hedwig versucht hat, aus deiner Mutter etwas herauszubekommen.“ Er lachte und fügte hinzu: „Herrje, du weißt ja, wie Hedwig ist.“
Der Gesichtsausdruck seines Vaters veränderte sich und sein Grinsen versiegte. Mit ernster Miene sah er Mark an. „Wieso hast du uns nichts gesagt?“
„Das war gelogen.“
Erstaunen legte sich auf Benno Birkholz’ Gesicht. „Gelogen? Aber wieso?“
„Hedwig hat mich mit ihrer Fragerei genervt. Außerdem meinte sie, mir erklären zu müssen, weshalb das mit Larissa und mir niemals funktioniert hätte. Das war mir zu blöd, daher habe ich gesagt, ich wäre längst wieder liiert. Damit sie Ruhe gibt.“
Sein Vater schmunzelte. „Tja, das hat Hedwig von ihrer Mutter. Die hat auch immer getratscht und konnte fabelhaft in den Wunden ihrer Mitmenschen rumstochern.“
Sie lachten, und erneut wurde ihm bewusst, wie sehr er seinen Vater in den zurückliegenden Jahren vermisst hatte. Fast vier Jahre waren seit Patricias Tod vergangen. Er war froh, dass diese schwere Zeit endlich hinter ihnen lag und inzwischen Normalität eingekehrt war. So schien es zumindest oberflächlich betrachtet, obwohl er wusste, dass der schmerzliche Verlust im Verborgenen weiterlebte.
Lautes Gelächter drang an ihr Ohr. Schon kurz darauf wurde die Tür zum Wohnzimmer aufgerissen, und Karola Birkholz schaute lachend um die Ecke.
„Benno, komm schnell! Das musst du dir ansehen. Harald und Willi tanzen Schuhplattler.“
Benno Birkholz...