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E-Book, Deutsch, Band 2340, 130 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Schwerhoff Die Inquisition

Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

E-Book, Deutsch, Band 2340, 130 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-73176-1
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Verfolgung von Ketzern und Hexen, Juden und Muslimen durch die Inquisition gilt als eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte des Christentums. Gerd Schwerhoff bietet einen umfassenden Überblick über die Geschichte der berüchtigten Institution von der mittelalterlichen Ketzerverfolgung bis zur Neuzeit. Er beschreibt anschaulich, wie ein Inquisitionsprozess ablief, und zeigt, dass die Inquisitoren nicht nur mit Folter und Scheiterhaufen arbeiteten, sondern sich auch subtiler, geradezu moderner Machttechniken bedienten.
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1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;2
4;Über den Autor;2
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Danksagung;6
8;I. Einleitung;7
9;II. Kirche und Ketzer bis zum 12. Jahrhundert;12
10;III. Die päpstliche Inquisition im Mittelalter;18
10.1;1. Vorgeschichte und Entstehung;18
10.2;2. Südfrankreich: Das Versuchslabor der Inquisition;26
10.3;3. Regionale Variationen;34
10.3.1;Italien;35
10.3.2;Frankreich;40
10.3.3;Deutschland;42
10.4;4. Strukturen, Arbeitsweise, Grenzen;46
10.4.1;Verfahrensnormen;48
10.4.2;Inquisitionspraxis;51
10.4.3;Urteile;54
10.4.4;Grenzen der Macht;55
10.4.5;Eine unabgeschlossene Geschichte;58
11;IV. Die Spanische Inquisition der Neuzeit;59
11.1;1. Entstehung und Entwicklung;59
11.1.1;Neue Inquisition, neue Zielgruppe;60
11.1.2;Judenvertreibung und Converso-Problem;66
11.1.3;Die Verfolgung der Moriscos;70
11.1.4;Protestantenverfolgung und Bücherzensur;73
11.1.5;Erneute Converso-Verfolgung;76
11.1.6;Das Ende der Spanischen Inquisition;79
11.2;2. Organisation, Verfahren und Delikte;80
11.2.1;Haupt und Glieder;81
11.2.2;Verfahren;85
11.2.3;Urteile und Autodafé;88
11.2.4;Religiöse Disziplinierung der Altchristen;93
12;V. Die Römische Inquisition der Neuzeit;96
12.1;Voraussetzungen und Entstehung;96
12.2;Der Römische Index;99
12.3;Zentrum und Peripherie;101
12.4;Struktur und Verfahren;104
12.5;Zielgruppen und Konjunkturen;107
12.6;Von der Inquisition zur Glaubenskongregation;108
13;VI. Inquisition und Hexenverfolgung;110
13.1;Ketzer und Hexen als Teufelsbündner;112
13.2;Die Inquisition und die Geburt der Hexe;114
13.3;Zurückhaltung der neuzeitlichen Inquisitionen;117
14;VII. Mythos Inquisition;121
14.1;Die «Schwarze Legende»;123
14.2;Aufklärung – Kunst – Historiographie;126
15;Literaturhinweise;128
16;Karte: Die Tribunale der Spanischen und Portugiesischen Inquisition in der Frühen Neuzeit;129
17;Abbildung: Ein Autodafé auf der Plaza Mayor in Madrid, 1723.;130


I. Einleitung
«Die Inquisition» – ein historischer Begriff, der die Phantasie anregt und starke Bilder hervorruft: fanatische und sadistische Ketzerverfolger, düstere Folterkeller, massenhafter Tod in den Flammen. Die Inquisition steht für die Schattenseiten abendländischer Geschichte schlechthin. «Zwischen den Scheiterhaufen der mittelalterlichen Inquisition und den Krematorien faschistischer Konzentrationslager» (Grigulevic) werden Verbindungen gezogen. «Folter im Namen Gottes» titelte das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» im Juni 1998 anlässlich der Öffnung des römischen Inquisitionsarchivs. Überschrift für den Artikel im Inneren des Heftes, der die Blutspur einer Einrichtung nachzeichnen wollte, die Millionen Menschen zu Tode gebracht habe: «Gottes willige Vollstrecker» – Goldhagen lässt grüßen. Wer sich auf das Wagnis einer Inquisitionsgeschichte einlässt, so zeigen die Beispiele, begibt sich in ein Spannungsfeld von empörter Verurteilung und bemühter Verteidigung. Sine ira et studio lässt sich Geschichte ohnehin kaum je schreiben, und die Geschichte der Inquisition erst recht nicht. Neuere Forschungen haben jedoch viele der gängigen Urteile über sie infrage gestellt oder zumindest relativiert. Dieses Büchlein möchte einige dieser neuen Akzente skizzieren. Einige Grundlinien seien an den Anfang gestellt. In ihrer Düsternis steht die Inquisition im kollektiven Gedächtnis für eine ganze «dunkle» Epoche: das Mittelalter. Demgegenüber bleibt festzuhalten: Die Inquisition wurde erst im 13. Jahrhundert etabliert und umfasste also keineswegs das gesamte Mittelalter; sie kann sogar mit Fug und Recht als Modernisierungsphänomen innerhalb der Epoche interpretiert werden. Auf der anderen Seite reichte die Inquisition weit in die Neuzeit hinein, erst um 1800 lässt sich eine deutliche Zäsur feststellen. Sie überwölbt die herkömmliche Epochengrenze und deckt mithin ziemlich genau jene «alteuropäische» Phase okzidentaler Geschichte ab, in der sich die politische, religiöse und ökonomische Ordnung institutionell verfestigt. Eine langfristig angelegte Betrachtung lässt sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zwischen der mittelalterlichen und der neuzeitlichen Phase der Inquisition deutlich hervortreten. Während das mittelalterliche System päpstlicher Legaten zur Ketzerbekämpfung vom Anspruch her universell war, stellten die spanische und portugiesische, z.T. auch die römische Inquisition der Neuzeit eher staatliche Veranstaltungen dar und lassen sich quasi als Behörden mit klarer Struktur und Hierarchien beschreiben. Das einigende Band zwischen den Epochen bestand vor allem im inquisitorischen Verfahren zur Bekämpfung von Häresien, wie es bereits Mitte des 13. Jahrhunderts entwickelt und mit Modifikationen bis zum 18. Jahrhundert angewandt wurde. Dieses Verfahren, das umfassende Geheimhaltungstechniken, zukunftsweisende Befragungstechniken auch jenseits der körperlichen Folter und den methodischen Einsatz der Schrift umfasste, machte die angesprochene Modernität der Inquisition aus, wobei darin kein positives Werturteil eingeschlossen sein soll. Ebenso wie diese Gemeinsamkeiten verdienen aber auch die mannigfachen regionalen Differenzen und die sehr wechselhaften Verfolgungskonjunkturen hervorgehoben zu werden. Die Inquisition war zu keiner Zeit ihrer Existenz eine allgegenwärtige und immer aktive Einrichtung, sondern oft nur ein Papiertiger. Es handelte sich – trotz aller zukunftsweisenden Elemente – nicht um eine totalitäre Machtmaschinerie, sondern um eine typisch vormoderne Einrichtung, die in ständigen Auseinandersetzungen mit konkurrierenden (weltlichen wie kirchlichen) Herrschafts- und Gerichtsinstanzen lag und die unter einem eklatanten Mangel an Vollzugsmacht litt. Erfolg konnte sie nur dann verbuchen, wenn sie erfolgreich mit anderen Mächten kooperierte und hinreichende Unterstützung aus der Bevölkerung erfuhr. Dieses Charakteristikum macht wiederum andere Züge der Inquisition plausibel. Bis heute wird die Vermischung von religiöser Überzeugung mit politischen oder ökonomischen Interessen unter dem Stichwort «Instrumentalisierung der Religion» als Negativposten der Inquisitionsgeschichte angeprangert. Aber auch diese Verklammerung beider Sphären ist typisch für die betrachtete Epoche. Wenn weltliche Herrscher die päpstliche Ketzerverfolgung zum Instrument ihrer eigenen Interessen machten, wie es im mittelalterlichen Frankreich im Fall der Templer ebenso geschah wie später bei Jeanne d’Arc, dann spiegelt sich hierin gleichsam der Normalfall einer Epoche, in der Politik und Religion noch nicht funktional geschieden waren. Und wenn die Inquisition sich zum Teil aus den konfiszierten Gütern ihrer Opfer finanzierte, dann ging sie hier den gleichen Weg, den viele andere Gerichte ebenfalls – wenngleich nicht derart konsequent – einschlugen. Überhaupt wäre der Vergleich zwischen der Praxis inquisitorischer Ketzerverfolgung und derjenigen anderer weltlicher oder kirchlicher Gerichte lohnend, der hier leider nur gelegentlich eingebracht werden kann. Eine große Schnittmenge existiert schon im Hinblick auf das Verfahren. Denn der summarische Ketzerprozess stellte nur eine Ausprägung jener Verfahrensform dar, die als «Inquisitionsprozess» auch bei kontinentaleuropäischen weltlichen Kriminalgerichten üblich war. Kirchliche Inquisitoren behaupteten mithin keineswegs ein Monopol auf die Anwendung von Inquisitionsprozessen! Auch die Zuständigkeiten überschnitten sich: Einerseits griff die Inquisition weit über den Kernbereich der Häresie aus und ahndete Delikte wie Wucher, Magie, Hexerei, Gotteslästerung oder Sitten- und Sexualvergehen. Umgekehrt besaß sie fast nie und fast nirgends ein Monopol auf die Verfolgung von Ketzern. Bischöfliche, landesherrliche oder städtische Gerichte waren hier oft ebenfalls aktiv, und ihre Verfolgungspraxis war zum Teil wesentlich härter als diejenige der Inquisition. Konkurrenz gab es überdies nicht nur zwischen weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit, sondern auch innerhalb der letzteren. Bischöfe und päpstliche Inquisitoren wetteiferten bisweilen um das Recht zur Ahndung von Häresien. Und auch die Antipoden der Inquisition kamen oft aus dem Klerus. Mit Bernard Délicieux enstammte der schärfste Kritiker der dominikanisch geführten Inquisition in Südfrankreich dem Franziskanerorden, dessen Mitglieder andernorts als Inquisitoren fungierten. Die Kirche existierte in Mittelalter und früher Neuzeit ebensowenig wie die Inquisition. Die Verfolgung Andersgläubiger gehört schließlich nicht zu den exklusiven Charakteristika der Papstkirche. Der führende protestantische Theologe Philipp Melanchthon befürwortete 1536 die Todesstrafe für die Täufer – als angebliche Gotteslästerer, nicht als Ketzer. 1553 wurde auf Betreiben Jean Calvins der Gelehrte Michael Servetus (der im Übrigen zunächst von der katholischen Inquisition im französischen Vienne festgenommen worden war) wegen seiner eigenwilligen Dreifaltigkeitstheologie hingerichtet. Und im elisabethanischen England wurden Hunderte von katholischen Geistlichen exekutiert; freilich lautete formal der Vorwurf gegen sie nicht auf Häresie, sondern auf Hochverrat. Die von Rom verketzerten Protestanten und Anglikaner bedienten sich mithin anderer Tatbestände als der Häresie. Und fast immer agierte hier die Staatsgewalt direkt. Nur in der Tradition der römischen Mehrheitskirche bildeten sich jene spezifischen Formen institutioneller Ketzerverfolgung aus, die hier unter dem Begriff Inquisition dargestellt werden sollen. Die Darstellung kann auf dem soliden Fundament der Arbeit von Generationen von Historikern aufbauen. Seit gut einhundert Jahren hat sich die Inquisitionsgeschichtsschreibung langsam aus dem Sog konfessioneller Auseinandersetzungen gelöst, und in den letzten Jahrzehnten hat die Beschäftigung mit dem Stoff noch einmal an Intensität zugenommen. Insbesondere die Bearbeitung der enormen Aktenmassen über regionale Inquisitionsprozesse und -tribunale hat große Fortschritte gemacht. Diese Akten geben Auskunft über die Arbeit des inquisitorischen Repressionsapparates. Sie berichten aber auch vom Leben derjenigen, die von den Inquisitoren verfolgt wurden, und geben so gleichsam nebenher wichtige Einblicke in das Alltagsleben, in religiöse Mentalitäten und Handlungsmöglichkeiten einfacher Zeitgenossen – ein weiterer zentraler Aspekt, der im Rahmen dieser Skizze nicht entfaltet werden kann. Carlo Ginzburg hat vom «Inquisitor als Anthropologen» gesprochen, der gleichsam als Vorfahr des Ethnologen die Lebenswelt der einfachen Menschen erkundete. Der italienische Historiker wusste selbst, dass er mit seiner provozierenden Charakterisierung nur die halbe Wahrheit traf. Denn der Inquisitor beobachtete nicht...


Gerd Schwerhoff ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Technischen Universität Dresden.


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