Schweiger / Sipos | Depressionen verstehen – mit Depressionen leben | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Schweiger / Sipos Depressionen verstehen – mit Depressionen leben

Der Ratgeber für Betroffene und Angehörige
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-451-82127-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Ratgeber für Betroffene und Angehörige

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-451-82127-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Erstmals im deutschsprachigen Raum werden in diesem Buch alle wissenschaftlich fundierten Erklärungsmodelle und Behandlungsmethoden bei Depression klar und verständlich für Laien dargelegt. Welche Erklärungen für Depression gibt es heute? Welche Möglichkeiten zur Behandlung und Selbsthilfe ergeben sich hieraus? Betroffene und Angehörige finden in diesem umfassenden Ratgeber alle wichtigen Informationen zur Volkskrankheit Depression: Ursachen, Erscheinungsformen, Tipps zur Selbsthilfe und Unterstützung bei der Suche nach Psychotherapeuten, Ärzten und anderen Hilfsangeboten. Die beiden Autoren sind herausragende Wissenschaftler und Experten, die auf viele Jahre klinische Praxis zurückschauen.

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Die vielfältigen Formen von Depression
Depressive Störungen sind eine große Familie von psychischen Störungen. Jeder erkrankte Mensch hat eine eigene Krankengeschichte und seine individuellen Besonderheiten. Gleichzeitig gibt es natürlich auch eine Menge gemeinsamer Mechanismen. Um Sie damit vertraut zu machen, berichten wir hier zunächst über Patientinnen und Patienten mit charakteristischen Geschichten. ? Laura, 22 Jahre
Wenn man Laura in der U-Bahn oder im Hörsaal begegnet oder mit ihr zusammen in der Mensa zu Mittag isst, denkt man: eine attraktive, kluge, junge Frau. Man erkennt auf dieser Ebene keinerlei Anzeichen einer Erkrankung. Laura lebt in einem Studentenwohnheim und studiert Medizininformatik. Sie hat eine zwei Jahre ältere Schwester. Zu ihr hat sie guten Kontakt. Die beiden sehen sich leider selten, da die Schwester 500 Kilometer weit entfernt studiert. Laura und ihre Schwester sind bei ihrer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen. Der Vater hat die Familie in Lauras fünften Lebensjahr verlassen. Seitdem gab es keinen Kontakt mehr zu ihm. Da der Vater keine finanziellen Mittel für die Kinder bereitstellte, musste Lauras Mutter ganztags arbeiten, sodass die beiden Kinder nachmittags meistens auf sich selbst aufpassten. Die finanziellen Möglichkeiten der Familie waren begrenzt. Es gab nur bescheidene Urlaube und nur geringes Taschengeld. Die psychischen Probleme von Laura begannen schon in der Kindheit. Sie war immer eher ängstlich, hatte eine beste Freundin, aber keine weiteren Kontakte in der Klasse und war sehr zurückgezogen. Sie glaubte, sie sei dumm und hässlich und alle würden sie ablehnen. Dabei war sie eine gute Schülerin. Nur die mündlichen Noten ließen zu wünschen übrig, da sie sich kaum meldete. Lauras Stimmung war ständig beeinträchtigt. Sie dachte, dass ihre ganzen Anstrengungen sie im Leben sowieso nicht weiterbringen würden, dass sie nie einen Freund haben würde, dass sie nie eine Stelle finden würde, um für sich selbst zu sorgen. Ihre vorherrschende Emotion war Scham über viele verschiedene Themen: ihren Körper, ihre Leistungsfähigkeit, keinen richtigen Vater zu haben. Nach dem Abitur zieht sie in die nächste Großstadt, um zu studieren. Im Studentenwohnheim lebt sie eher zurückgezogen. Sie geht eine intime Beziehung mit Ferdinand ein, einem gleichaltrigen jungen Mann aus demselben Studiengang. Ferdinand ist ebenfalls psychisch krank und hat zusätzlich ein erhebliches Problem mit Cannabis-Missbrauch. Dass Ferdinand auf sie zugegangen ist und ihr sofort offengelegt hat, wie krank er ist, erleichterte Laura zunächst den Beginn der Beziehung. Gleichzeitig fühlt sie sich sehr dadurch belastet, dass Ferdinand sie krankheitsbedingt nur wenig unterstützen kann und er sich häufig aggressiv verhält. Laura denkt deshalb immer wieder über Trennung nach und beendet im weiteren Verlauf dann tatsächlich die Beziehung mit Ferdinand, kommt aber wieder mit ihm zusammen, bevor sie sich endgültig trennt. Laura war erstmals im 16. Lebensjahr bei einer Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Diese Ärztin diagnostizierte eine Anpassungsstörung und riet ihr, in ambulante Psychotherapie zu gehen. Laura folgte diesem Ratschlag jedoch nicht. Sie erhoffte sich nichts von Psychotherapie. Die Erklärungen der Ärztin erschienen ihr sehr vage. An ihrem neuen Studienort besucht sie dann die psychiatrische Institutsambulanz. Die Ärztin und die Psychologische Psychotherapeutin, mit denen sie ausführliche diagnostische Gespräche hat, diagnostizieren eine chronische Depression und eine vermeidende Persönlichkeitsstörung und bieten ihr eine psychotherapeutische Behandlung an. Dieses Mal sagt Laura zu, da ihr das, was die Fachärztin und die Psychologin über ihre Erkrankung erklären, plausibel erscheint. ? ? Peter, 62 Jahre
Wenn man Peter von früher her kennt und ihm jetzt begegnet, denkt man: »Oh je, der sieht aber alt und krank aus.« Peter ist Controller bei einem großen mittelständischen Unternehmen, arbeitet aber seit zehn Monaten nicht, da er krankgeschrieben ist. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Peter ist in den späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren in einfachen Verhältnissen auf dem Land groß geworden. Sein Vater war Arbeiter im Straßenbau, die Mutter Arbeiterin bei einer Milchgenossenschaft. Peter ist das zweite von vier Kindern. Er besuchte die Volksschule, danach die Realschule, machte eine Lehre als Kfz-Mechaniker, kehrte dann wieder zur Schule zurück und machte das Fachabitur. Zuletzt studierte er Betriebswirtschaft an einer Fachhochschule. Nach dem Studium begann er bei einem mittelständischen Unternehmen der Metallindustrie zu arbeiten und machte dort rasch Karriere. Er war besonders wegen seiner Zuverlässigkeit und seiner ausgleichenden vermittelnden Art bei allen Mitarbeitern beliebt. Seine Frau kennt er seit der gemeinsamen Zeit in der Realschule. Peter war bis zu seinem 60. Lebensjahr aus seiner eigenen Sicht völlig gesund und leistungsfähig. Er betrieb bis zum 40. Lebensjahr regelmäßig Sport, spielte insbesondere Fußball. Nach einer Bagatellverletzung hörte er damals aber auf. Peter rauchte vom 15. bis zum 60. Lebensjahr jeden Tag etwa eine Schachtel Zigaretten. Ab dem 40. Lebensjahr entwickelte er Übergewicht. Mit 60 hatte er an einem Sonntagmorgen einen Herzinfarkt. Er wurde sofort in das nächste Universitätsklinikum gebracht und mit mehreren Stents versorgt. Während des Klinikaufenthaltes wurde auch ein Diabetes mellitus und ein Bluthochdruck diagnostiziert und behandelt. Die Ärzte waren mit dem Behandlungsergebnis sehr zufrieden. Sie sagten: »Sie haben Riesenglück gehabt und sind fast wieder gesund!« Peter dagegen fühlte sich total verändert. Er hatte wesentlich weniger Antrieb, lag nachts wach und machte sich Sorgen um seine Gesundheit, er konnte sich sehr viel weniger für seine Arbeit begeistern und verhielt sich gereizt zu seinen Kollegen und auch zu seinen Vorgesetzten. Das von den Ärzten empfohlene Sport- und Ernährungsprogramm setzte er nur in kleinen Teilen um. Er sagte: »Mir fehlt dazu der Antrieb.« Der Hausarzt ermahnte ihn: »Sie haben einfach zu viel Stress bei ihrer Arbeit, Sie müssen lernen kürzerzutreten und sich mehr entspannen!« Die Krankschreibung, die zur Verminderung der Stressbelastung dienen sollte, führte aber zu einer Verschlechterung des Befindens. Peter wurde schließlich in eine psychosomatische Klinik eingewiesen. Dort wurde die Diagnose einer schweren depressiven Episode gestellt. ? Wenn Sie diese beiden Geschichten von Laura und Peter lesen, werden Sie fragen: »Zwei Altersgruppen, zwei sehr unterschiedliche Verläufe über das Leben hinweg. Ist das überhaupt dieselbe Erkrankung?« Die Antwort ist notwendigerweise kompliziert: »Ja, es gibt gemeinsame Mechanismen, aber es gibt auch viele Unterschiede!« Wir werden auf Laura und Peter immer wieder zurückkommen. Habe ich eine Depression?
Diese Frage ist sehr komplex. Sie müssen viele verschiedene Aspekte berücksichtigen, um sie richtig zu beantworten. An Depression denken die meisten Menschen in unserer Kultur, wenn sie über eine längere Zeit schlechter Stimmung sind und diese nicht von selbst vergeht oder sich nicht abschütteln lässt. Depression ist aber nicht einfach nur schlechte Stimmung. Manche Menschen fühlen sich in erster Linie körperlich krank und leiden doch aus der Sicht von Psychiatern und Psychotherapeuten unter Depression. Das führt dann manchmal zu Unstimmigkeiten zwischen Arzt und Patient. Tatsache ist: Der Mensch hat keinen Depressionssensor. Man kann die Frage »Habe ich eine Depression?« nicht einfach dadurch beantworten, dass man in sich hineinhört. Experten stellen die Diagnose auch nicht intuitiv, sondern anhand von Kriterien. Im Folgenden werden wir diese Kriterien so erklären, dass der Entscheidungsprozess, ob eine Depression vorliegt oder nicht, für jeden nachvollziehbar wird. Die adaptive Seite der Depression – Ist Depression überhaupt eine Erkrankung?
Für sich genommen ist Depression zunächst ein menschliches Verhaltensprogramm. Bevor wir uns der Diagnostik von Depression als Krankheit zuwenden, sollten wir also erst noch einmal etwas über ihre nützliche, nicht krankhafte Seite sagen. Depression als Verhaltensprogramm dient dazu, Verschwendung von persönlicher Energie für Projekte mit geringen Erfolgsaussichten zu verhindern. Der natürliche Auslöser für Depression ist deshalb eine Situation, in der ein Verhalten nicht wiederholt werden sollte, weil es wenig Erfolg versprechend ist. Depression ist so lange gesund, als genau diese Funktion eingehalten wird. ? Rahel, 30 Jahre, und Albert, 32 Jahre
Rahel und Albert sind seit zehn Jahren ein Paar. Rahel ist Kauffrau im Einzelhandel, Albert ist Jurist. Er hat eine ausgeprägte Sehbehinderung. Rahel betreibt einen sehr großen Zeitaufwand, um Albert so zu unterstützen, dass er in seinem Beruf nur wenig eingeschränkt ist. Rahel bekommt für ihr Engagement kaum etwas zurück. Albert ist ein Mensch, der wenig Zugang zu Emotionen hat, und mit ihr sehr kühl umgeht. Alberts Eltern sind äußerst kritisch mit Rahel, sie machen ihr immerzu Vorwürfe, nicht genug für ihren Sohn zu tun. Rahel hat mehrfach Gespräche mitgehört, in denen die Eltern zu Albert sagten, er habe die falsche Frau als Partnerin, er sei weit unter seinen Möglichkeiten geblieben. Albert stellt sich nie schützend vor Rahel, wenn die Eltern sie kritisieren. Rahel überlegt ständig, was sie falsch macht. Sie ist seit mehreren Jahren wegen Depression in psychiatrischer Behandlung. Unter der Einnahme eines...


Prof. Dr. Ulrich Schweiger ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin. Zurzeit ist er als Chefarzt am Helios Hanseklinikum Stralsund tätig.
Dr. Dipl.-Psych. Valerija Sipos ist Psychologische Psychotherapeutin und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin. Zurzeit ist sie als Leitende Psychologin in der Erwachsenenpsychiatrie am Helios Hanseklinikum Stralsund tätig.



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