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E-Book, Deutsch, Band 18, 303 Seiten

Reihe: Empirische Linguistik / Empirical LinguisticsISSN

Schweden Personenreferenz im Dialekt

Grammatik und Pragmatik inoffizieller Personennamen in Dialekten des Deutschen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-11-098806-2
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grammatik und Pragmatik inoffizieller Personennamen in Dialekten des Deutschen

E-Book, Deutsch, Band 18, 303 Seiten

Reihe: Empirische Linguistik / Empirical LinguisticsISSN

ISBN: 978-3-11-098806-2
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Systeme zur Referenz auf Personen sind in den meisten deutschen Dialekten komplexer als im Standard. So werden in gut vernetzten dörflichen Sprechgemeinschaften zusätzlich zur offiziellen Abfolge im Gesamtnamen (Rufname Familienname) Strukturen mit vorangestellten Familiennamen verwendet ( bzw. ), Sie enthalten Reste ehemaliger Genitivflexion und stellen eine der letzten Domänen des Genitivs in deutschen Dialekten dar.

Diese Monografie befasst sich mit der strukturellen und soziopragmatischen Variation in der Abfolge von Ruf- und Familienname großflächig sowie in Einzeldialektstudien mithilfe von syn- und diachronen Daten. Dabei bedient sich die Untersuchung eines Mixed Methods-Ansatzes aus direkten und indirekten Erhebungsmethoden. Auf struktureller Ebene werden morphosyntaktische Besonderheiten und Entwicklungstendenzen in Arealen und einzelnen Dialektsystemen analysiert. Mithilfe von Fragebogendaten werden soziolinguistische Steuerungsfaktoren für die beiden Abfolgen herausgearbeitet. Referenztheoretische sowie kulturhistorische Perspektiven auf vorangestellte Familiennamen tragen zur Erklärung des Genitiverhalts bei. Auf der Basis von Fokusgruppeninterviews werden Verwendungskontexte der Familiennamenvoranstellung untersucht. Somit leistet die Arbeit einen Beitrag zur Etablierung geeigneter empirischer Methoden zur Erhebung dialektpragmatischer Phänomene.

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Zielgruppe


Sprachwissenschaftler/-innen, Historiker/-innen, Soziolog/-innen / Academics (Linguistics, History, Sociology)


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1 Einleitung


1.1 Zielsetzung


Diese Arbeit befasst sich mit der Referenz auf Personen in deutschen Dialekten. Wird in alltäglichen Gesprächen auf Personen referiert, verfolgen Sprechende an erster Stelle das Ziel, so präzise wie möglich zu sein, damit Hörende die Referenzperson zweifelsfrei identifizieren können. Hierzu stehen ihnen in jeder Sprache oder Varietät verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Durch das (Welt)-Wissen, das Hörende über Referenzpersonen haben, kann Referenz über unterschiedliche Zuschreibungen hergestellt werden. Dies kann im Bereich der nominalen Referenz beispielsweise durch Appositionen (Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin), Relativsätze (die Frau, die zwei Reihen vor uns sitzt) oder andere attributive Phrasen (die Tochter von Brigitte) geschehen. Daneben steht die Referenz mit onymischen Ausdrücken (Ich habe Frida/Peter Müller getroffen).

In vielen Dialekten des Deutschen existieren neben dem Rufnamen (RufN), dem Familiennamen (FamN) und dem sogenannten Gesamtnamen (GesamtN) in der Abfolge RufN+FamN auch Referenzsysteme mit der Serialisierung FamN+RufN. Die beiden folgenden Gesprächsauszüge veranschaulichen das Wechselspiel unterschiedlicher referenzieller Ausdrücke, die von den Sprechenden durch Nähe- und Distanzsprachlichkeit (Beispiel 1: Tante Gisela), durch Eigenschaften der Referenzpersonen (in Beispiel 2: Enkelking von Möller Peter beispielsweise deren Alter) und durch die Optimierung der Referenzherstellung variiert werden.1

Beispiel 1: Tante Gisela

Beispiel 2: Enkelking von Möller Peter

Formal handelt es sich nicht in allen Fällen lediglich um eine Inversion der beiden Namenbestandteile. Der FamN wird zusätzlich in einigen Varietäten durch ein additives Element modifiziert: (s) Müller-s Peter. Die Informantin WEw74 aus dem Ort Wendeburg (ostfälisch ) bemerkt außerdem in Beispiel 3:

Beispiel 3: Funken

Während im deutschen Substandard und im Basisdialekt die Referenz auch mit der im Standard üblichen Abfolge RufN+FamN stattfinden kann, ist umgekehrt FamN+RufN im Standarddeutschen lediglich im schriftsprachlichen Gebrauch in „Formularen, Fragebögen und alphabetisch geordneten Personenverzeichnissen“ (Seibicke 1982: 16) möglich. In Sprachen wie Japanisch, Chinesisch oder Ungarisch dagegen ist sie die allgemeingebräuchliche Reihenfolge (vgl. Kagami 1996: 913; Seibicke 1982: 19).

In einigen Substandardvarietäten, so z. B. im bairischen Raum, wird FamN+ RufN sogar gegenüber der standardsprachlichen Abfolge präferiert, während in anderen die beiden Serialisierungen gleichwertig nebeneinanderstehen und divergierende Funktionen erfüllen. Da in den untersuchten Daten die Familiennamenvoranstellung in verschiedenen Sprechlagen auftraten und an den Erhebungsorten und -gebieten Dialektgebrauch generell unterschiedlich stark ausgeprägt ist, beziehe ich mich im Folgenden mit dem Terminus Dialekt vereinfachend auf den Basisdialekt sowie auf alle Register des Substandards . Hervorzuheben ist dabei v. a. die Tatsache, dass „Dialekte nicht nur als räumliche, sondern zugleich auch als soziale Phänomene aufzufassen sind“ (Girnth 2007: 194; vgl. zur (Un)abhängigkeit von Familiennamenvoranstellung vom Dialekt auch die Kapitel 3.2.2 und 4.4.2).

Wie bereits Seibicke (1982: 20) argumentiert, ist es deshalb nötig,

den Aufbau des persönlichen Namens in einer beliebigen Sprache zunächst genau zu beschreiben, damit die Unterschiede zu den Regularitäten, Gewohnheiten und zum rechtlichen Status der einzelnen Namen oder Namenglieder in anderen Sprachen und Kulturen deutlich heraustreten.

Folglich sollte jeder Dialekt als eigenes Sprachsystem betrachtet werden. Als Vergleichssprache müssen sowohl andere Dialektsysteme als auch die standarddeutsche Varietät herangezogen werden.

Die Beschreibung und Analyse der Referenzsysteme einzelner Dialekte formen die Agenda dieser Arbeit. Darüber hinaus wird eine dialektvergleichende Perspektive auf bundesdeutschem Gebiet gewählt. Dabei wird untersucht, welche onymischen Referenzformen in den jeweiligen Varietäten verwendet werden, wie frequent diese jeweils auftreten und welche soziolinguistischen Erkenntnisse sich daraus ziehen lassen. Schwerpunkt der Arbeit sind jedoch GesamtN in den beiden obengenannten variierenden Abfolgen von RufN und FamN.

Thematisch muss die Referenz auf Personen v. a. von der persönlichen Anrede und von der Namengebung differenziert werden, die hier nicht untersucht wird. Mit Anredeformen weist die Referenz auf Personen laut Kolde (2000: 330) einige Gemeinsamkeiten auf: „Bei beiden geht es nicht nur um das Identifizieren, sondern auch um das Qualifizieren von Mitmenschen und der eigenen Beziehungen zu denselben, also um den zwischenmenschlichen Umgang [...].“ Dennoch erfolgt Personenreferenz meist in Abwesenheit der Referent:innen und erfüllt primär die Funktion, diese zu disambiguieren . Auch der Name als Forschungsgegenstand steht nicht im unmittelbaren Fokus dieser Arbeit. Es geht weder um etymologische Aspekte von Namen oder Namengebung (vgl. Debus 2012: 65: Namengebung vs. Namenverwendung ) noch um deren soziale Zuschreibungen. Stattdessen beschäftigt sich die Studie mit verschiedenen Möglichkeiten der onymischen Referenz, die sich in einem Spektrum zwischen offiziell und inoffiziell bzw. dialektal und standarddeutsch bewegen. Im Zentrum steht nicht der „mit der motivbestimmten Namengebung angezeigte Intentionswert“ (Debus 2012: 65), sondern der „Kommunikationswert“ (Debus 2012: 65), der durch die Verwendung des Namens entsteht. Dazu gehört auch eine umfassende Analyse pragmatischer Steuerungsfaktoren beider GesamtN-Abfolgen. Untersucht werden Einflussfaktoren auf die Variation der Reihenfolge, zum einen innerhalb einzelner Sprachsysteme, zum anderen im Dialektvergleich. Somit ist die Arbeit an einer Schnittstelle von Onomastik und Pragmatik angesiedelt.

Ebenso wird die Grammatik des Typs FamN+RufN untersucht, was zusätzlich einen Schnittpunkt mit der (historischen) Morphosyntax etabliert: Neben der diaphasischen untersucht die Arbeit auch die diatopische Variation dieser Strukturen. Im Laufe der vorgestellten Studie wird sich zeigen, dass es verschiedene strukturelle GesamtN+Typen in der Abfolge FamN+RufN gibt, die räumlich und diachronisch variieren. Deren Areale im bundesdeutschen Raum (und der Schweiz ) werden lokalisiert und deren diachrone Ausbildung dokumentiert. Soweit möglich werden die einzelnen Strukturen bis ins späte 16. Jahrhundert zurückverfolgt. Insbesondere rückt dabei die Variation beim Definitartikel vorm GesamtN sowie die in (3) bereits angedeutete Modifikation am FamN ins Interesse. Mithilfe dieser Erkenntnisse können schließlich die synchronen Strukturen tiefgehend analysiert und Entwicklungstendenzen aufgezeigt werden.

Der Untersuchung liegen Daten zugrunde, die im Rahmen des DFG-geförderten Forschungsprojekts „s Bachmanns Anna und de Schmidte Karl: Grammatik und Soziopragmatik inoffizieller Personennamen in Dialekten des Deutschen“ (2018–2021, Projektnummer: 405468658, Projektleitung: Prof. Dr. Antje Dammel) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster erhoben und ausgewertet wurden.

1.2 Aufbau der Arbeit


In Kapitel 2 wird zunächst der Gegenstandsbereich beleuchtet, indem wichtige terminologische Voraussetzungen geklärt werden und ein umfassender Forschungsüberblick zur Voranstellung von FamN im Deutschen und Luxemburgischen referiert wird.

Kapitel 3 beschreibt die Erhebungs- und Auswertungsmethoden der synchronen Sprachdaten, die dieser Arbeit zugrunde liegen. Es wurde ein Mixed Methods-Ansatz gewählt, bei dem zum einen indirekt erhobene Fragebogen -Daten sowohl kartiert als auch qualitativ ausgewertet wurden. Ergänzt wird dieser Datensatz durch schriftliche und mündliche direkte Erhebungsdaten in 13 Erhebungsorten . Mit Fokusgruppen wird dabei v. a. die sprachliche Gruppendynamik der Gewährspersonen analysiert. Die Methode bildet die Interaktion der Gewährspersonen miteinander...


Theresa Schweden, WWU Münster.

Theresa Schweden, WWU Münster, Germany.



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