E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
Schwarz Lessons in Lack
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-548-92042-9
Verlag: Ullstein-Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mein Leben als Domina zwischen Hörsaal und SM-Studio
E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
ISBN: 978-3-548-92042-9
Verlag: Ullstein-Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nora Schwarz, geboren 1982 in Süddeutschland, studierte Kunstgeschichte und Germanistik und arbeitete nebenher mehrere Jahre als Domina. Heute arbeitet sie in einem Kunst-Museum und lebt mit ihrem Lebensgefährten in der Pfalz. Mehr über die Autorin unter nora-schwarz.de
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USA: Ex-Domina von Vergangenheit eingeholt – ihr Arbeitgeber war ein Ex-Kunde.
Das Medea war also nicht einfach nur ein SM-Studio, sondern gewissermaßen ein Dienstleistungszentrum. Daher wurde großer Wert auf Vielfalt und Abwechslung gelegt.
Als ich meine neuen Kolleginnen kennenlernte, sah ich, dass Katja mit dem Facettenreichtum ihrer Dienstleisterinnen nicht übertrieben hatte. Für jeden Geschmack und jede Vorliebe war etwas dabei.
Da gab es Stiefelherrin Roxanne, die jeden Tag ins Fitnessstudio ging, um ihre Beinmuskulatur zu stählen. In ihrem nietenbesetzten Lederbody sah sie aus wie die Originalausgabe eines Hells Angel. Es war schon ein recht furchteinflößender Anblick, wenn sie nur eine gewöhnliche Reitgerte durch die Luft sausen ließ wie ein Breitschwert.
Denselben Typ verkörperte ihre Kollegin Larissa, die am Telefon und in der Werbung als »Amazone« angepriesen wurde. Ihre Hobbys waren Ringen und Wrestling, ihre katzenhaften Augen blickten voll Stolz auf einen herab, und ihr wallendes Haar reichte bis zur Hüfte. Man hätte meinen können, eine zweite Ausgabe von Xena, der Kriegerprinzessin, vor sich zu haben, hätte sie in ihren Arbeitspausen nicht so viele bunte Schlangen und Frösche aus ihrer Haribo-Tüte erlegt. Mit ihrem kriegerischen Auftreten lenkte sie zudem einigermaßen gelungen von ihrem fleischigen Bauch ab.
Sehr viel zarter gebaut war Herrin Undine. Sie war Katjas Lieblingsschmuckstück, weil sie etwas verkörperte, das fast jedem Mann, ob devot oder dominant, die Beine weich werden ließ. Undine war blond und solariumgebräunt. Sie trug ausschließlich kurze Kleider aus Lack oder Leder, was sie sich auch leisten konnte, denn ihre Figur war das, was alle Frauen neidisch als »ideal« bezeichnen: geschwungene Hüften, schmale Taille, endlose Beine, große Brüste. Blaue Augen hatte sie natürlich auch. Kurz, sie war das Katalogmodell unter den Dominas. Sie war so begehrt, dass man sie praktisch nie im Aufenthaltsraum des Studios antraf, sondern nur aus einem der angrenzenden Folterkämmerchen Befehle schreien hörte. Abends ging sie mit einem entsprechend dicken Geldbündel heim, wovon sie sich ihr Tiermedizinstudium finanzierte.
Dann gab es noch Lady Luzifera, die genau so aussah, wie sie hieß. Ihr blasser Körper war komplett mit Schlangen, Skorpionen und anderen Untieren tätowiert. Gleich an meinem ersten Arbeitstag zeigte sie mir ihre Schamlippen, die vom Kitzler bis zur Arschfalte links wie rechts komplett gepierct waren, ebenso wie ihre Nippel, Zunge, Nasenlöcher, Bauchnabel und alles, was man sonst noch durchstechen kann. Wahrscheinlich hatte sie auch noch diverse innere Organe gepierct.
Luzifera gab zu, magersüchtig zu sein, und brachte nichtsdestotrotz (oder gerade deswegen?) jeden Tag für die anderen Frauen Mohrenköpfe und Mozartkugeln mit.
Die letzte der Dominas war Herrin Kassandra. Sie sollte mir lange ein Rätsel bleiben.
Katja pries sie als beispielhaft – aber warum? Ihr Körper war von vier Geburten schlapp und faltig. Sie kaufte ihre Lackfummel secondhand, konnte sich nicht für eine einheitliche Haarfarbe entscheiden und roch nach gefälschtem Parfum aus Tschechien. Kassandra hatte sich auf Psycho-Rollenspiele spezialisiert, war schweigsam und tat sehr wissend. Katja sagte gleich am Anfang zu mir, dass ich unbedingt einmal einer ihrer Sessions beiwohnen solle – wegen Kassandras besonderer verbaler Fähigkeiten. Ich war zwar durchaus gespannt, was damit gemeint war, ließ mir mit der Umsetzung dieses Ratschlages aber so lange wie möglich Zeit.
Da saß ich nun also im Aufenthaltsraum des Medea, zwischen all diesen Frauen, von denen ich etwas lernen sollte. Wahrscheinlich stellte Katja es sich so vor, dass ich mir von jeder ihrer Damen etwas abguckte. Ich begann mich zu fragen, wie ich überhaupt hier hereinpasste. Ich war weder Kampfamazone noch Psycho-Bitch. Und wie, bitte schön, sollte ich einen Mann dazu bringen, sich eine Möhre in den Arsch zu stecken und wie ein Ameisenbär zu grunzen? So etwas musste man als professionelle Domina schließlich können, oder?
Vielleicht lag es daran, dass ich noch gar keinen Künstlernamen hatte. Jede Frau, die irgendwie im Sex-Gewerbe arbeitet, legt sich einen solchen zu. Dabei kommen so verschnörkelte, mehr oder weniger respektheischende Kunstwerke heraus wie »Aribora die Unbarmherzige«, »Herrin Pluta von Cherbera« oder auch »Dämonia Satanica«. Hatte Katja einen Namen für mich parat? Hoffentlich nannte sie mich nicht Pimpinella oder Daphne oder so.
Aber Katja hatte sich bereits etwas Passendes für mich ausgedacht. Name: Lady Elvira. Status: Jungdomina. Na also! Schon war ich zehn Zentimeter gewachsen, auch ohne hohe Absätze. Ich bekam einen Platz auf der Internetseite des Medea und wurde als bizarres, neugieriges Nesthäkchen angepriesen. Auf den Bildern trug ich ein weinrotes Samtkorsett, das mich gnadenlos romantisch wirken ließ, und meine Beine verschwanden unter einem langen Lackrock. Mein Lächeln war etwas schief, und meine Augen schienen zu sagen: Hoffentlich merkt niemand, dass ich noch blutige Anfängerin bin.
Wenn ich heute an meine ersten Domina-Fotos denke, muss ich darüber lachen, wie mädchenhaft und unsicher ich damals ausgesehen habe. Wäre ich ein Mann und sähe solche Bilder, würde ich dieses harmlos aussehende Mädchen mit den schwarzgefärbten Haaren für alles Mögliche halten, nur nicht für eine Domina.
Und doch geschah das Unfassbare: Schon an meinem ersten offiziellen Arbeitstag riefen mindestens fünfzehn Männer an, die nach Jungdomina Elvira verlangten. Der Reiz des Neuen. Frischfleisch. Nieten, Peitschen, Sensationen. Immer wieder reichten meine Kolleginnen mir das Telefon und sagten: »Da, für dich.« Ich sagte dann meinen einstudierten Text auf: »Studio Medea, du sprichst mit Jungdomina Elvira. Was kann ich für dich tun?«
Und dann musste ich Männern, die zum Telefonieren vermutlich in die Garage gegangen waren (oder sich an sonst einem vermeintlich unbeobachteten Winkel befanden) und sich alle Peter und Michael nannten, erklären, dass ich hier ganz neu war, noch nicht auf die Sklavenschaft losgelassen werden und daher nur zusammen mit einer erfahrenen Kollegin gebucht werden konnte. Ich spielte also vorerst noch die zweite Geige beziehungsweise Peitsche, und zwar genau so lange, bis ich mir dereinst zutrauen würde, einem Sklaven alleine gegenüberzutreten.
Aber nicht nur meinen dominanten Kolleginnen war ich erfahrungsmäßig gnadenlos unterlegen. Auch alle anderen Angestellten des Studios hatten mir einiges voraus.
Das Medea war nämlich gar kein reines SM-Studio. Die Dominas stellten nur ungefähr vierzig Prozent der Belegschaft. Der Rest der Frauen war zwar ebenfalls in Lack und Leder gekleidet, hatte aber mit Sadomaso so wenig zu tun wie Madame Pompadour mit der heiligen Barbara.
Diese Damen werden im Internet mit allen möglichen neckischen Beinamen bedacht, deren wichtigster Bestandteil das dezente Präfix »Bizarr-« darstellte: Bizarrengel, Bizarrluder, Bizarrhexe, Bizarrlady. Dahinter versteckten sich schlichtweg Frauen, die vom schnöden Rotlichtmilieu, der Stripstange oder dem Straßenstrich auf SM light umgesattelt hatten. Diese Damen machten im Medea alles, was der brave Mann von der Straße unter SM versteht. Das Lederhalsband, die Fesseln und alle anderen gängigen Requisiten waren bloß theatralisches Beiwerk. Eigentlich machten sie nur die Beine breit.
Für gewöhnlich verdienten die Bizarr-Schwestern allerdings etwa doppelt so viel wie eine schwer arbeitende Domina. Männer, die in bizarrem Ambiente gerne mal »einen wegstecken«, bilden eben einen größeren Absatzmarkt als solche, die vor allem Stiefelabsätze lecken wollen.
Doch es gab noch eine dritte Abteilung im Dienstleistungszentrum Medea: die Sklavinnen. Diese Gruppe setzte sich zusammen aus Lustsklavinnen, normalen Sklavinnen und Extremsklavinnen. Erstere taten eigentlich nichts anderes, als sich gefesselt vögeln zu lassen und dabei so zu tun, als würden üble Beschimpfungen und Demütigungen beim Blümchensex in Missionarsstellung sie aufgeilen. Letztere hingegen ließen sich von zahlenden Kunden anspucken und ins Gesicht schlagen, von Hobbyärzten Klistiere mit Kernseife verabreichen und sich mit dem Rohrstock auf die Vagina hauen. Normale Sklavinnen bewegten sich irgendwo dazwischen.
Auch bei den Sklavinnen lief es im Wesentlichen auf das teuer bezahlte Rein-Raus-Spiel hinaus, mit dem empfindlichen Unterschied, dass sie sich dabei mitunter noch Wäscheklammern an die Schamlippen zwicken ließen. Der Typ, der das mit ihnen machte, konnte furchtbar haarig sein und Mundgeruch haben, er konnte aber genauso gut Mister Nice sein, attraktiv, gut gebaut und wohlriechend, was ihn nicht daran hinderte, der gefesselten Sklavin grinsend mit dem Rohrstock auf die Nieren zu schlagen, was dem körperlichen Wohlbefinden gemeinhin nicht gerade zuträglich ist. Frauen, die im SM-Studio passive Dienste anbieten, leben so gesehen durchaus...