E-Book, Deutsch, 212 Seiten
Schuster Nur die Angst überlebt
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-99146-823-3
Verlag: novum Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 212 Seiten
ISBN: 978-3-99146-823-3
Verlag: novum Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Chris, ein unbeschwerter Lebemensch, genießt den Besuch bei Freunden in den USA. Doch als er eines Morgens aufwacht, hat sich alles verändert. Etwas hat die Menschen über Nacht in blutrünstige Bestien verwandelt. In Panik flieht er aus der Stadt. Seine Hoffnung, dem Grauen zu entfliehen und an einem anderen Ort wieder Normalität zu finden, verfliegt schnell. Es geht bald nur noch um das nackte Überleben. Auf seiner Flucht trifft er auf Sarah, die dieser Situation besser gewachsen zu sein scheint, und schließt sich ihr an. Auf ihrem beschwerlichen Weg in das Ungewisse werden beide mit Angst, Hass, Liebe und Verrat konfrontiert und auf eine Zerreißprobe gestellt.
Autoren/Hrsg.
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Tag 1 Ich blinzelte stark. Die Sonne strahlte wieder durch mein geöffnetes Fenster. Vögel zwitscherten und in der Ferne konnte man leise eine Sirene hören. Ich fühlte mich schlapp, streckte mich quer über das ganze Bett und gähnte übertrieben laut. So, als könnte mich jemand hören und daraus schließen, dass ich jetzt endlich wach war. Doch es war sicher keiner hier. Wie immer hatte ich keine Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte. Bestimmt wieder eine halbe Ewigkeit. Bei mir in der Heimat könnte ich am Stand der Sonne die genaue Uhrzeit abschätzen, aber dort gab es auch genug Berge, welche man als Anhaltspunkt verwenden konnte. Hier gelang es mir noch nicht, allerdings war ich auch erst ein paar Wochen hier. Um hier zu sehen, wie spät es ist, musste ich mein Handy suchen. Verschlafen und mit sandigen Augen tastete ich erneut den Boden ab. Kabel, Verpackungen und … „FUCK!”, schrie ich laut auf und schreckte hoch. Ich hatte ein Glas mit Cola neben dem Bett stehen, welches sich jetzt mit einem lauten platsch über den Teppich verteilte. „Na super“, murmelte ich mit knirschenden Zähnen und zog die Augenbrauen hoch. „Das fängt ja gut an.” Schnell stolperte ich rüber zum Schrank, riss ein Handtuch heraus und warf es auf den Fleck am Boden. Vorsichtig zog ich das Glas darunter hervor und begann, wie wild auf dem Handtuch herumzutreten. Jetzt war ich definitiv wach. Ich setzte mich aufs Bett und atmete einmal tief durch, um mich zu beruhigen. Ich reagierte sehr empfindlich, wenn etwas meine Ruhe nach dem Aufstehen störte. Draußen schallte noch immer die Sirene, oder waren es jetzt schon zwei? Ist vermutlich etwas Größeres passiert, mutmaßte ich und schüttelte den Kopf. Von unten aus dem Wohnzimmer konnte ich Hans in seinem Zwinger unruhig umhertapsen hören. Wie spät war es? War etwa schon jemand zuhause? Noch immer suchte ich nach dem Telefon. Es lag nicht auf dem Boden und so nahm ich die Bettdecke und schüttelte sie kräftig auf. Manchmal versteckte sich das Handy in einer der Falten darin, und genauso war es auch. Als die Decke aufschnellte, flog das Telefon quer durch den Raum und knallte mit voller Wucht gegen die Tür. „Ich halt’s nicht aus“, rief ich laut und ließ die Decke fallen. Genervt hob ich das Handy auf, zupfte meine Klamotten zurecht und ging nach unten. Nach einem solchen Start in den Morgen brauchte ich sofort einen Kaffee. Duschen konnte ich danach auch noch. Außerdem, warum sich umziehen, wenn man eh nur auf dem Sofa lümmelt, dachte ich und schlürfte über den Teppich im Flur. Das Geklapper der dünnen Zwingergitter zerriss die Luft und malträtierte meine am Morgen so dringend benötigte Ruhe. Ich ging wieder durch die Küche, schaltete den Wasserkocher für die Kaffeemaschine ein und schlenderte weiter zu Hans. Heute freute er sich aber besonders. Er tapste nervös im Käfig auf und ab. Gerade als ich mich nach unten beugte, um sein Gitter zu öffnen, bellte er mir lautstark ins Ohr. „Aua! Was ist denn los mit dir“, schnauzte ich ihn an und steckte mir den Finger ins Ohr. Es schmerzte, das Ohr pochte und ich vernahm ein leises Pfeifen. Verdammt, konnte dieser Hund laut bellen. Erneutes Gebell schallte mir entgegen, doch diesmal war ich darauf gefasst. „Beruhig dich, meine Fresse. Warum drehst du denn so durch?” Doch er wollte sich nicht beruhigen. Sonst war er durch fast nichts aus der Fassung zu bringen, doch heute wirkte er sehr aufgekratzt und schien einfach nur aus seinem Zwinger herauszuwollen. Als der letzte Riegel zurückgeschoben war, drückte er die Türe auf, indem er sich mit seinem gesamten Körper dagegen warf. Sie knallte gegen meine angewinkelten Knie und riss mich zu Boden. „Was zum …?” Mann, war ich angepisst. Er stand nun bellend vor der Terrassentüre und wollte so dringend ins Freie, dass er vor der verschlossenen Türe hin und her sprang und mit seiner feuchten Nase leichte Schlieren über das Fenster zog. Ich öffnete ihm die Türe, und weg war er. Kopfschüttelnd schloss ich sie wieder und ging zurück in die Küche. Wenn man muss, dann muss man, dachte ich, wohl in der Annahme, er müsste sein Geschäft im Garten verrichten. Dabei konnte man es schon mal eilig haben. „Ich brauch jetzt einen Scheißkaffee!” Ich brühte wieder behutsam und wie in Zeitlupe den Kaffee auf. Ich machte das immer so, egal wie gestresst ich war. So schmeckte er einfach am besten. Das kochende Wasser muss ganz langsam und mit Gefühl in den mit gemahlenem Kaffee gefüllten Filter fließen. Wenn man alles auf einmal hineinschüttet, zerkocht das heiße Wasser das Aroma und alles wird am Ende bitter. Doch heute fiel es mir besonders schwer, darauf zu warten, bis die kleinen Seen auf dem Pulver versickerten. Mit grummelndem Magen und meinem Becher in der Hand schlenderte ich rüber zum Sofa und ließ mich vorsichtig darauf plumpsen. Noch immer bellte der Hund draußen im Garten und im Hintergrund schallten die Sirenen im Takt. Bestimmt flippte er deswegen so aus. Würde ich sicherlich auch, wenn ich so gute Ohren hätte und die ganze Zeit diesen Lärm hören müsste. Ich griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Das Ladesymbol drehte sich hypnotisierend im Kreis, bis nach einigen Sekunden ein kleiner Text erschien. KEIN SIGNAL! „Wollt ihr mich verarschen?” Ich versuchte, die HDMI-Kanäle zu wechseln, doch nichts passierte. Der einzige belegte Platz war HDMI1 und der zeigte wieder dieselbe Störmeldung. „Fuck you!” Ich warf die Fernbedienung, so fest ich konnte, gegen das Sofakissen, wohl wissend, dass sie keinen Kratzer abbekommen würde. Jedoch fühlte ich mich damit einen Augenblick besser. Zurück in mein Zimmer, dachte ich und schnappte mir meinen Kaffee. Der Hund bellte draußen weiter laut umher und im Vorbeigehen riss ich die Türe auf. „Aus. AUS! Halt endlich deine Klappe, du Nerven fressender Zeckenteppich!”, rief ich in einem aggressiven Tonfall zu ihm hinaus. Mit geschlossenen Augen rieb ich mir sanft die Schläfen. Wie spät war es, verdammt noch mal? Ich schaute jetzt zum ersten Mal auf mein Telefon. Einige meiner Spielbenachrichtigungen erschienen, als ich die Sperrtaste drückte. Xing_Lu69 hat ihr Dorf angegriffen. Ihre Elixiersammler sind randvoll. Bau des Dorfzentrums ist abgeschlossen. Ich wischte eilig alles beiseite, um die digitalen Zahlen betrachten zu können. Es war 10:02am. Der Tag hatte noch nicht mal angefangen und schon war er scheiße. Ich ging nach oben, setzte mich auf mein Bett und stellte die Tasse daneben ab. Mit einem weit ausgestreckten Finger schaltete ich meinen Laptop ein und nahm einen tiefen Zug aus meiner Pipe. Ich versuchte, die Luft anzuhalten, doch ich musste sofort husten. Oh Mann, war das Zeug stark. Leicht benommen lehnte ich mich etwas entspannter zurück und öffnete meinen Browser. Keine Internetverbindung! Ich öffnete die WLAN-Suchleiste. Kein Router angezeigt. Die Fläche, in der sich sonst Dutzende Adressen aufreihten, war jetzt wie leergefegt. Verdutzt prüfte ich mein Telefon. Nichts! Auch als ich auf die mobilen Daten zugreifen wollte, erschien wieder dieselbe Anzeige. Keine Internetverbindung! Meine Fresse, dachte ich. Ihr wollt mich wohl verarschen? „Fickt euch alle!”, fluchte ich, knallte den Laptop zu und stellte ihn grob auf dem Boden ab. Das Blut kochte förmlich in meinen Ohren. Es war nichts im Zimmer zu hören. Lediglich die Geräusche von draußen schallten durch das geöffnete Fenster herein. Die Hunde der Nachbarn hatten sich jetzt unserem Krawallmacher angeschlossen und im Hintergrund wieder eine Sirene. Man konnte fast mitfühlen, wie schnell der Fahrer des Einsatzfahrzeugs über den Asphalt raste, denn das Geräusch bewegte sich sehr deutlich in der Ferne. Was war heute nur los? „Der hat’s echt eilig“, stammelte ich und schlug meinen Hinterkopf fest in mein Kopfkissen. Plötzlich war ein ohrenbetäubendes Krachen von unten zu hören. Es war so laut, dass die Wände zitterten und ich die Vibrationen der Wand im Rücken spürte. Ich sprang auf, zog meine Schuhe an und rannte nach unten, um zu sehen, was dort vor sich ging. Der Lärm von der Straße riss den ganzen Weg durch die Flure nicht ab. Ich nahm bei der Treppe drei Stufen auf einmal und verlor dabei fast den Halt, konnte mich aber mit einem beherzten Griff zum Geländer retten. Unten angekommen, musste ich mich mit den Armen an der Türe abbremsen, um nicht mit vollem Tempo dagegen zu laufen. Ich drehte den Knauf, ein Spalt öffnete sich und der dumpfe Lärm verwandelte sich urplötzlich in absolutes Chaos. Nun sah ich auch, was das Haus erzittern ließ. Eine Wasserfontäne ergoss sich von der rechten Seite zum Eingang, der Rasen war zerpflügt und dicke braune Erdklumpen waren überall verteilt. Zwei deutliche, tiefe Rinnen führten von der Straße quer über die gesamte Auffahrt zum Haus. Mein Blick folgte dieser Spur und sah ein Auto, welches zur Hälfte in unserer Kellerwand steckte. Es hatte die Leitung zum Gartenschlauch abgerissen, und mit einem leisen Zischen wurde das Wasser über die Wiese gespritzt. Weißer Dampf stieg aus dem Kühler auf und die Elektronik summte bedrohlich in der im Haus versenkten Motorhaube. Die Fenster waren zerbrochen und die Seitenairbags hingen wie geschmacklose Vorhänge herunter. Geschockt von dem Anblick, sah ich mich um, um zu verstehen, was passiert war, oder ob jemand in der Nähe war, um zu helfen. Wie in Zeitlupe wanderte mein Blick durch die Nachbarschaft. Meine Knie fingen an zu zittern und ich spürte, wie mein Blut aus dem Gesicht wich. Das war der mit Abstand schlimmste Trip, den ich je erlebt hatte. Bei unseren Nachbarn gegenüber war zersplitterndes Glas und lautes Gepolter zu hören. Es klang, als würden die Möbel ruckartig verschoben oder gar durch die Räume geworfen. Mrs. Keyel, die rechts neben uns wohnte, kam schreiend aus ihrem Haus gelaufen....