E-Book, Deutsch, 120 Seiten
Schulz / Jungmann / Koch Überall steckt Mathe drin
2. durchgesehene Auflage 2020
ISBN: 978-3-497-61307-6
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Alltagsintegrierte Förderung mathematischer Kompetenzen für 3- bis 6-jährige Kinder
E-Book, Deutsch, 120 Seiten
ISBN: 978-3-497-61307-6
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. Dr. Katja Koch, Sonderschulpäd., ist Professorin für frühe Sonderpädagogische Entwicklungsförderung an der Universität Rostock.Andrea Schulz, Dipl. Päd. (Rehab.), ist als Pädagogin in Mecklenburg-Vorpommern tätig. Prof. Dr. Tanja Jungmann, Dipl.-Psych., lehrt sonderpädagogische Frühförderung und Sprachbehindertenpädagogik an der Universität Rostock. Sie veröffentlichte im Reinhardt Verlag bereits das Buch "Frühe sprachliche Bildung und Förderung" - zusammen mit Prof. Dr. Timm Albers.
Zielgruppe
ErzieherInnen, frühpädagogische Fachkräfte, GrundschullehrerInnen
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
2 Alltagsintegrierte Förderung mathematischer Basiskompetenzen
In diesem Kapitel wird erläutert, was unter alltagsintegrierter Förderung zu verstehen ist und wie sie sich von anderen Förderansätzen abgrenzt. Im Anschluss daran wird die besondere Bedeutung der pädagogischen Fachkräfte thematisiert und ihre Rolle bei der alltagsintegrierten Förderung beschrieben. Ebenso werden grundlegende mathematikdidaktische Prinzipien und Methoden sowie der förderliche Umgang mit mathematischen Fehlern anschaulich dargestellt. Abschließend wird auf ausgewählte Aspekte einer förderlichen Raumgestaltung sowie auf relevante Materialien eingegangen.
2.1 Was ist alltagsintegrierte Förderung?
Programme zur mathematischen Frühförderung
Das Wissen um die Bedeutung der frühen mathematischen Kompetenzen hat in den letzten Jahren im gesamten deutschsprachigen Raum zur Entwicklung von Förderprogrammen geführt, die in den Alltag der Kindertageseinrichtungen integriert werden können (Hauser et al. 2014). Exemplarisch hierfür stehen Programme, wie „Mengen, zählen, Zahlen (MZZ)“ von Krajewski et al. (2008), „Komm mit ins Zahlenland“ (Friedrich / Munz 2006) oder „Mathe 2000“ (Wittmann 2010).
alltagsintegrierte Förderung
In Abgrenzung dazu geht die alltagsintegrierte Förderung mathematischer Basiskompetenzen auf den aktivitätsorientierten Ansatz (van Oers 2004) zurück, der von der Bedeutung mathematisch reichhaltiger Spiel- und Alltagssituationen ausgeht. Vertreter dieses Ansatzes nehmen vor dem Hintergrund der sozial-konstruktivistischen Lerntheorie an, dass Mathematik im Kontext bedeutsamer Aktivitäten (Kap. 3) in alltäglichen Interaktionssituationen erlernt wird. Entscheidend dabei und gleichzeitig Aufgabe der pädagogischen Fachkraft ist es, mathematische Inhalte in Alltagssituationen „aufzudecken“ und diese Situationen zielgerichtet pädagogisch zu nutzen.
Alltagsintegrierte Förderung ist die zielgerichtete Förderung mathematischer Basiskompetenzen in Alltagssituationen.
Vor allem das Spiel wird als ein bedeutsamer Kontext betrachtet, um Gespräche mit den Kindern zu führen und dadurch ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte mathematische Vorgänge oder Aspekte einer Situation zu lenken.
Zielgruppe der alltagsorientierten Förderung sind nicht nur Kinder mit Risiken oder bereits bestehenden Auffälligkeiten, sondern alle Kinder, die die Einrichtung besuchen.
Die alltagsintegrierte pädagogische Förderung in Kindertageseinrichtungen hat hauptsächlich eine entwicklungsunterstützende, aber auch eine präventive Funktion: Indem die Kinder in ihrer Entwicklung adäquat gefördert werden, soll das Entstehen von Auffälligkeiten verhindert und daraus resultierenden Rechenschwierigkeiten vorgebeugt werden.
2.2 Rolle der pädagogischen Fachkraft
Die entscheidende Herausforderung an die pädagogischen Fachkräfte ist, das in der Alltagssituation steckende mathematische Förderpotenzial zu erkennen und pädagogisch zielgerichtet zu nutzen.
Dabei sind insbesondere die folgenden Aspekte wichtig:
1 Das Wissen der Fachkräfte über Mathematik sowie über die Entwicklung mathematischer Basiskompetenzen beim Kind,
2 das didaktisch-methodische Wissen der Fachkräfte und
3 deren Einstellung gegenüber der Mathematik und gegenüber den Kindern.
Wissen über Mathematik
Pädagogische Fachkräfte müssen über mathematisches Fachwissen verfügen. Das meint natürlich nicht, dass jede Fachkraft ad hoc schwierige Exponentialaufgaben rechnen können muss. Mit Fachwissen ist hier vielmehr das Wissen über die mathematischen Inhaltsbereiche und Kompetenzen, ihre Zusammenhänge und ihre Bedeutung für den mathematischen Lernprozess gemeint (Kap. 1.1).
Wissen über die Entwicklung
Weiterhin müssen umfangreiche Kenntnisse über die kindliche Entwicklung vorhanden sein. Um Kinder entwicklungsangemessen fördern zu können, muss man wissen, wie sich Kinder entwickeln, welche Phasen in welcher Reihenfolge durchlaufen werden, welche wesentlichen, im konkreten Verhalten beobachtbaren Meilensteine dabei erreicht werden und welche inter- und intraindividuellen Unterschiede auftreten können (Kap. 1.1).
Notwendige Voraussetzung, „an der richtigen Stelle“ anzusetzen, ist eine regelmäßige und systematische Beobachtung der kindlichen Entwicklung. Die Fachkraft agiert dabei gewissermaßen immer in einem Spannungsfeld zwischen der individuellen Entwicklung eines Kindes und dem, was dieses Kind in seinem Alter an Fähigkeiten entwickelt haben könnte (Zone der nächsten Entwicklung).
Der Fachkraft kommt damit die Aufgabe zu, das Kind ausgehend von seinem individuellen Entwicklungsstand so zu fördern, dass es sein Potenzial ausschöpfen kann. Dazu muss sie den aktuellen Entwicklungsstand des Kindes einschätzen, darauf abgestimmte, fördernde Anregungen geben und die individuelle Lernentwicklung dokumentieren.
Die Unterschiedlichkeit von Kindern zeigt sich nicht nur in ihrem Entwicklungsstand, sondern auch in ihren Interessen: Während die einen sich für Zahlen begeistern, beschäftigen sich andere vielleicht lieber mit Tieren oder Pflanzen. Mathematische Aspekte lassen sich aber in jedem Bereich entdecken, so natürlich auch in der Tier- und Pflanzenwelt, hier am Beispiel Zoo:
Beispiel
Mengen, Zahlen, Operationen: Wie viele Elefanten sind zu sehen? Wie viele Schafe gibt es und wie viele Lämmer? Gehört zu jeder Schafmama ein kleines Schäfchen? Hat jede Tierart ihr eigenes Gehege? Wie viele Tiere sind es insgesamt?
Formen und Raum: Das eine Gehege ist viereckig, das andere rund. Die Lämmer stehen alle dicht um die Mutter herum und bilden einen Kreis. Der kleine Elefant steht direkt unter der Giraffe.
Größen und Messen: Welches Tier ist größer, welches kleiner? Ist eines der kleinen Lämmer größer als die anderen? Welches Tier ist wohl das schwerste? Wo sind die Tiere tagsüber, wo bleiben sie in der Nacht?
Die Aufgabe der Fachkraft besteht darin, die Interessen der Kinder herauszufinden und diese in die mathematische Förderung einzubeziehen.
didaktisch-methodisches Wissen
Nicht zuletzt müssen Fachkräfte über ein umfangreiches didaktisch-methodisches Repertoire verfügen, um den Kindern mathematische Inhalte freudvoll nahe zu bringen. Dabei kommt dem handelnden Lernen eine wichtige Rolle zu. Denkoperationen sind in einem weiteren Verständnis „verinnerlichte Handlungen“ (Aebli 2006). Was bedeutet das konkret für den Bereich Mathematik?
Rechnen im eigentlichen Sinne erfolgt mit Zahlen, Zahlenzeichen symbolisieren Mengen. Nun könnte man natürlich auch immer nur mit Mengen, also konkreten Objekten rechnen.
Beispiel
Bei Aufgaben wie 2+3 ist das ganz einfach, bei größeren Mengen (4378+27896) oder komplizierteren mathematischen Operationen (Wurzel aus 6789) wird das natürlich unmöglich.
Operationen werden in Zeichensysteme (Zahlen) kodiert und sind in diesem Sinne „in Zeichensysteme übersetzte Handlungen“. Um mit diesen Symbolen (Zahlen) erfolgreich operieren (= rechnen) zu können, muss man sich seine Handlung vorstellen können, sie verinnerlicht (interiorisiert) haben. Statt mit konkreten Gegenständen umzugehen, vollzieht man nunmehr die Handlungen mit Objekten in seiner Vorstellung („im Kopf“). Vorstellungen basieren somit auf konkreten Handlungen, die auf einer vorhergehenden Entwicklungsstufe zunächst tatsächlich wiederholt durchgeführt werden müssen.
Phasen der Verinnerlichung
Aebli (2006) geht von mehreren Phasen der Verinnerlichung von Handlungen aus, die mit bestimmten Darstellungsformen verknüpft sind:
1 Das Lernen vollzieht sich rein handelnd.
2 Die Handlung wird mit Bildern verbunden (ikonisch).
3 Die Operation wird sich anhand eines Bildes vorgestellt.
4 Bild und Zeichen (Zahlsymbol) verbinden sich.
5 Die Operation wird allein aufgrund der Darstellung durch Ziffern ausgeführt.
Die Entwicklung besteht nach Aebli in der Loslösung von konkreten Dingen, und zwar über die bildliche (ikonische) Darstellung bis hin zum Operieren mit Zahlsymbolen. Dabei können Kinder sich in unterschiedlichen Zahlenbereichen auch auf unterschiedlichen Ebenen befinden.
Die Schritte zum Aufbau mathematischer Operationen lauten, auf das Wesentliche reduziert:
1 Tun / Handeln
2 Verstehen
3 Verinnerlichen
4 Automatisieren
Kinder müssen zur Verinnerlichung von Operationen dabei unterstützt werden, sich von konkreten Dingen (Gegenständen) zu lösen.
Gerade strukturierte Alltagssituationen wie das Spiel, aber auch der Morgenkreis oder das gemeinsame Basteln eignen sich hervorragend dazu, den Umgang mit Zahlen, Mengen und Operationen zu automatisieren.
Beispiel
Kinder zählen ihre Finger, Steine, Schmetterlinge, Treppenstufen und vieles andere mehr....




