Schüler Sherlock Holmes und die Schwarze Hand
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95441-173-3
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 280 Seiten
Reihe: Sherlock Holmes
ISBN: 978-3-95441-173-3
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Im Frühjahr 1914 erhält der britische Geheimdienst Hinweise auf das geplante Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand, hinter dem die serbische Geheimorganisation Schwarze Hand stecken soll.
Um mögliche internationale Verwicklungen und die Gefahr eines drohenden Krieges zu vermeiden, entschließt sich der Premierminister zu einem verzweifelten Schritt: Der berühmte Detektiv Sherlock Holmes und sein Assistent Dr. Watson werden zwangsrekrutiert. Ihr Auftrag lautet, die Verschwörer um jeden Preis zu stoppen.
Holmes und Dr. Watson wissen, dass sie für diese Aufgabe kaum geeignet sind. Sie besitzen keine Sprachkenntnisse und sind mit den Verhältnissen auf dem Balkan nicht vertraut. Schon bald beschleicht sie daher der Verdacht, dass ihnen in Wirklichkeit eine ganz andere Rolle zugedacht wurde: Sie sollen lediglich die Lockvögel spielen, um die Terroristen abzulenken und in die Irre zu führen.
Als es ihnen schließlich doch gelingt, bis an die Spitze der Macht vorzudringen, müssen sie zu ihrem Erschrecken feststellen, dass den eigentlichen Drahtziehern inzwischen die Fäden entglitten sind. Die Sache hat eine Eigendynamik entwickelt, die von Belgrad aus nicht mehr zu stoppen ist.
Wolfgang Schüler hat in Leipzig Jura studiert und arbeitet als Rechtsanwalt, Schriftsteller und Journalist. Er verfasste u. a. die erste deutschsprachige Edgar-Wallace-Biografie und das Handbuch zur Kriminalliteratur Im Banne des Grauens. Mit Sherlock Holmes und die schwarze Hand erscheint bereits sein vierter Roman um den berühmten Detektiv. Außerdem hat er mehrere Sherlock-Holmes-Erzählungen in Anthologien veröffentlicht. Am Theater Fact in Leipzig ist von ihm ein Kriminalstück in Vorbereitung, in dem Sherlock Holmes eine zentrale Rolle spielt. Wolfgang Schüler ist Mitglied in der Deutschen Sherlock Holmes Gesellschaft (DSHG), im Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur in der BRD, in Österreich und in der Schweiz, sowie im Literaturverein FürWort.
Autoren/Hrsg.
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DER PLAN APIS
10.06.1903, Belgrad
Der Abend war stickig und schwül. Immer wieder wurde der nachtschwarze Himmel von zuckendem Wetterleuchten erhellt. Donner grollte in der Ferne und kam näher. Ein heftiges Gewitter war im Anmarsch. Heftige Windböen wirbelten Blätter auf und ließen Fensterscheiben klirren. Die ersten schweren Regentropfen fielen auf die staubige Erde. Mehrere Dutzend stark bewaffneter Reiter in goldbestickten Offiziersuniformen preschten im gestreckten Galopp aus den Toren der Oberen Festung hinaus in Richtung Stadt. Sie kamen am Uhrturm vorbei, passierten die Kalmegdan-Parkanlage und wenig später den Großen Marktplatz. Der Hufschlag hallte weithin auf dem Kopfsteinpflaster. Drohendes Unheil lag in der Luft. Die zahlreichen Menschen, die in den Straßen und Gassen auf die erfrischende Kühle gewartet hatten, zogen sich in die dunklen Korridore ihrer Häuser zurück und verriegelten furchtsam die Türen hinter sich. Eine Kavallerie-Eskadron[1] in voller Montur um diese Zeit konnte nichts Gutes bedeuten. Im linken Flügel des Belgrader Schlosses, im Ballsaal mit seinen zitronengelben Wänden und den weißen Lüstern aus venezianischem Glas, lief Alexander Obrenovic, der König von Serbien, aufgebracht auf und ab. »Diese Hunde haben mir ein Ultimatum gestellt, mir, ihrem Gebieter! Sie beißen in die Hand, die sie füttert! Aber sie haben sich verrechnet! Ich werde sie alle zerschmettern!« Alexander I., ein schlanker, junger Mann von gerade mal 27 Jahren, trug einen schlichten, blauen Uniformrock mit doppelter Knopfreihe und breiter Ordensspange. Aus den dunklen Augen des Monarchen leuchtete wilde Entschlusskraft. Es gab tatsächlich allen Grund zur Exaltation[2]. Nach den langen Jahrhunderten der rigiden Türkenherrschaft war das Land nicht wieder zur Ruhe gekommen. Ständig hatte es Mordanschläge und Putschversuche[3] gegeben. Seit Serbiens Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich im Jahr 1878 wurde es von prorussischen und pro-österreichischen Strömungen zerrissen. Mal gewann die eine, mal die andere Fraktion die Oberhand. Im Saal hatten sich alle Getreuen versammelt: der Kriegsminister, mehrere Gardeoffiziere, zwei Provinzgouverneure und natürlich auch die Königin Draga nebst ihren beiden Brüdern Nikola und Nikodem Lunjevic. Alle spürten den drohenden Ernst der Stunde. An den Wänden standen mehrere Lakaien mit altmodischen Zopfperücken und weißgepuderten, maskenhaft erstarrten Gesichtern. Sie trugen hellblaue Justaucorps[4] zu Kniehosen und spitzen Schnallenschuhen. Die Domestiken hatten nichts zu tun. Obwohl ein kleines Buffet mit frischem Schinken, Weißbrot und Weintrauben aufgebaut worden war, zeigte niemand Appetit. Auch die Champagnerflaschen ruhten weiterhin ungeöffnet in ihren silbernen Kübeln. Lediglich die geschliffene Karaffe mit dem echten französischen Cognac war nur noch halb gefüllt. Daran hatte der Ministerpräsident Cincar Markovic, ein kleiner Mann mit übergroßer Nase, kugelrundem Bäuchlein und buschigen Augenbrauen, den größten Anteil gehabt. Im Moment tat er das, was er am Besten konnte, nämlich Unsinn schwafeln. Cincar Markovic zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass er keine eigene Meinung besaß – jedenfalls keine, die er jemals öffentlich kundgetan hätte. Er erzählte auf den Punkt genau das, was sein jeweiliges Gegenüber von ihm hören wollte. Beim nächsten Gesprächspartner behauptete er das ganze Gegenteil, ohne dabei rot zu werden. Mit Vorliebe verbreitete er Lügengeschichten und spann Ränke, wo es nur ging. Er versprach jedem alles und war insofern zu einhundert Prozent verlässlich, dass er sich konsequent an keine Absprachen hielt. Nur beim König machte er aus reinem Selbsterhaltungstrieb eine Ausnahme, indem er nach Möglichkeit dessen Anweisungen zu folgen versuchte. Mit anderen Worten: Markovic bewies sich stets aufs Neue als der ideale Staatenlenker. In Krisenzeiten wie diesen war er allerdings noch wertloser als einer der livrierten Lakaien neben dem kalten Buffet. Der Cognac verschaffte ihm nicht die erhoffte Erleichterung. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Durch einen bedauerlichen Irrtum war er nämlich in die Abendgesellschaft geplatzt und wusste nun nicht, wie er sich geschickt aus der Affäre ziehen sollte. Der Kriegsminister war da von einem ganz anderen Kaliber. Er hatte zwar vor nichts und niemandem Angst, aber er verschloss seine Augen auch nicht vor den Realitäten. Milan Pavlovic war ein Kerl, so groß wie ein Bär, und sein breites Gesicht wurde von einem dichten, grauen Vollbart überwuchert. Er trug einen schwarzen Gehrock mit einer Schärpe in den Nationalfarben Serbiens, nämlich Rot, Blau und Weiß. Aufgrund einer Kriegsverletzung zog er sein rechtes Bein hinter sich her. »Majestät«, beschwor er Alexander I. eindringlich. »Ein Teil des Offizierskorps meutert, der Rest übt sich in vornehmer Zurückhaltung und wird sich später auf die Seite der Sieger schlagen. Der Generalstab hat sich zurückgezogen und denkt nicht im Traum daran, die Verschwörung zu zerschmettern. Der Polizeipräfekt hat mir mitgeteilt, dass er aus Angst vor einem Bürgerkrieg jede Konfrontation mit dem Militär vermeiden wird. Infolge dessen sind wir ganz auf uns allein gestellt. Ich kann nicht länger für Euren Schutz garantieren. Ich schlage deshalb vor, dass Ihr Euch unverzüglich mit dem engsten Kreis der Camarilla[5] in Sicherheit bringt. Unten auf dem Hof stehen mehrere schwere Kutschen und ein letztes Fähnlein loyaler Soldaten vom Train-Bataillon[6] bereit. Bis nach Temeswar im Banat sind es nur wenige Stunden. Dort, unter der Ägide von Kaiser Franz Joseph I., wartet Ihr ab, bis sich die Lage wieder beruhigt hat. Dann kommt Ihr gestärkt zurück und schlagt dem Natterngezücht die Köpfe ab!« »Ich bin der König!«, brüllte Alexander I., der mit seinen Nerven recht am Ende war. Dann sprach er in normaler Tonlage weiter: »Habt Ihr das vergessen? Ein König verkriecht sich nicht wie ein Hund und zieht seinen Schwanz ein, nur weil ein paar verirrte Seelen den Ungehorsam proben. Sollen sie doch kommen, die Herren Aufrührer! Sie werden es nicht wagen, mir ihre Rücktrittsforderungen offen ins Gesicht zu sagen.« »Bravo, bravo!«, applaudierte der Ministerpräsident. »Der Starke zeigt keine Schwäche.« »Unsinn! Denkt an Euren Großvater Michael Obrenovic, der liebe Herrgott sei seiner armen Seele gnädig. Er wurde von den treulosen Fürsten im Toptschider Park ermordet. Auch er war ein furchtloser und aufrechter Mann. Sein ganzer Mut hat ihm in dieser Nacht der langen Messer[7] nichts genutzt«, entgegnete der Kriegsminister. »Und gegen eine Musketenkugel seid auch Ihr machtlos, Majestät.« »Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Seitdem ich König geworden bin, rumort es in diesem Land. Wir werden auch diese Krise überstehen. Uns kann es nur recht sein, wenn sich der Generalstab und der Polizeichef aus allem heraushalten. Hier im Schloss sind wir nämlich in Sicherheit. Die Gardeabteilung steht auf ihrem Posten. Es sind eingeschworene Männer, die allesamt bereit sind, ihr Leben für mich zu geben. Sollen die Putschisten nur kommen. Sie werden sich blutige Nasen holen.« Am Südflügel des Schlosses, der auf die Krunska Uliza hinausging, standen in den gestreiften Schilderhäuschen links und rechts von der Einfahrt zwei bis an die Zähne bewaffnete Wachposten. Für sie galt die höchste Alarmbereitschaft. Ihr Befehl lautete, ohne Anruf auf jeden zu schießen, der sich ihnen auf weniger als dreißig Schritt näherte. Die Soldaten in ihren langen, blauen Mänteln waren sichtlich nervös. Noch nie zuvor hatten sie eine solche Order erhalten. Sie trauten sich deshalb weder zu rauchen, noch miteinander zu sprechen. Sie hatten kurze Säbel umgeschnallt und Bajonette auf ihre Berthier-Karabiner aufgepflanzt. Im hell erleuchteten Innenhof waren Sandsäcke aufgestapelt worden. Aus einer Lücke im Mittelteil ragte die stumpfe Nase von einem Maxim-Maschinengewehr bedrohlich hervor. Um kurz nach acht Uhr schwenkte eine militärische Formation von der Krunska Uliza in Richtung Schloss. Ein Rittmeister, ein Korporal und acht Mann Begleitung kamen im Gleichschritt anmarschiert. »Achtung!«, brüllte der Unteroffizier. Die beiden Posten nahmen Haltung an. »Wache weggetreten. Zurück in die Kaserne!«, kommandierte der Rittmeister. »Euer Ehren, wir haben ausdrücklichen Befehl ...«, versuchte der eine Soldat zaghaft einzuwenden. »Ist er wahnsinnig geworden? Will er vor das Kriegsgericht kommen?«, schrie der Rittmeister. Die beiden Soldaten gaben jeden Widerstand auf und rückten ab. Zwei andere Uniformierte nahmen ihre Stellen ein. Sie trugen grüne Mäntel. Auch die Maschinengewehrschützen und Wachen an den unteren Palasttüren wurden ausgetauscht. Dann kehrte im südlichen Innenhof wieder Ruhe ein. Allerdings nicht für lange. Nun kam der dröhnende Hufschlag der Kavallerie-Eskadron näher. Die neuen Posten waren genau eingewiesen worden. Ohne...