E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Schubiger Lehren und Lernen (E-Book)
3. Auflage 2022
ISBN: 978-3-0355-2152-8
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
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E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-0355-2152-8
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen.
«Lehren und Lernen» ist ein praxisorientiertes Methodenhandbuch für Lehr-Lern-Prozesse in der beruflichen Grundbildung, höheren Berufsbildung und Erwachsenenbildung. Kernstück des Werkes bildet das kompetenzorientierte Lernprozessmodell RITA. Dieses beschreibt das Wesen von Kompetenzen und deren Entwicklung. «Lehren und Lernen» kann als Lehrbuch für die Ausbildung von Ausbildenden, als Nachschlagwerk oder als Methodensammlung eingesetzt werden.
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Kapitel 2
Was wir über gutes Lehren und Lernen wissen
Die erste Ausgabe dieses Buchs war im Lektorat, als Hatties vielbeachtetes Werk «visible learning» erschien und in den Folgejahren auch im deutschsprachigen Raum zu den meistzitierten Werken in didaktischen Diskussionen zählte. Der Frage, was wirklich wirkt, geht er mit einer Metastudie über Metastudien in akribischer Weise nach, und berücksichtigt bis zum heutigen Zeitpunkt über 80 000 Einzelstudien. In einer bis dahin noch nie dagewesenen Ausführlichkeit werden Interventionen rund um das Lehren und Lernen nach ihrer Wirksamkeit mit vergleichbaren Effektstärken dargestellt und beurteilt. Leider wurden diese Vergleiche häufig missverstanden und zum Teil auch für politisch motivierte Argumentationen missbraucht. So verkündete die deutsche Boulevardpresse das Ende der «Kuschelpädagogik» bezugnehmend auf die grosse Effektstärke der «direkten Instruktion». Einerseits wurde die direkte Instruktion fälschlicherweise mit dem nach wie vor weitverbreiteten Frontalunterricht und dem fragend-entwickelnden Unterricht verwechselt. Andererseits wurden innovative Ansätze mit selbstorganisiertem Lernen oder offenen Lernformen der «laisser faire»-Pädagogik zugeordnet. Die Recherche der Vielzahl von Forschungsergebnissen und deren Effektstärken ist nicht jedermanns Sache, doch es lohnt sich, zumindest den letzten Teil des Buches zu lesen. Hattie fasst darin zusammen, worauf es wirklich ankommt: The «teacher matters». Diese nicht überraschende Schlussfolgerung fasst er mit essenziellen «Mindsets» von wirkungsvollen Lehrpersonen zusammen. Es sind nicht die konkreten Methoden, die sie anwenden, sondern dere Haltungen und Überzeugungen. Solche Haltungen und Überzeugungen sind: •Es geht um Lernen und nicht um Lehren. •Als Lehrpersonen ist es meine Aufgabe, dass ich die Wirkung meines Handelns überprüfe. •Als Lehrperson bin ich überzeugt, dass ich eine Wirkung auf das Lernen der Lernenden habe. •Prüfungen von Lernergebnissen sind auch ein Feedback für mich als Lehrperson und nicht nur für die Lernenden. •Lehrpersonen engagieren sich für einen Dialog. •Als Lehrperson suche ich die Herausforderung und gebe mein Bestes. •Als Lehrperson bin ich zuständig für gute Beziehungen innerhalb des Klassenverbandes. •Als Lehrperson bilde ich mich als Expertin oder Experte für das Lernen kontinuierlich weiter. Zusammengefasst beschreibt Hattie gute Lehrpersonen als Menschen, die das Lernen mit den Augen der Lernenden zu verstehen versuchen. Betrachtet man die didaktischen Interventionen mit den grossen Effektstärken, fällt auf, dass diese alle auf einer dialogischen Beziehungsqualität aufbauen. •Direkte Instruktion •Nichtettiketieren von Lernenden •Feedback geben •Feedback entgegennehmen, auch als Lehrperson Es sind alles Interventionen mit folgenden Beziehungsqualitäten: •Fordern und Fördern •Klarheit •Begegnung auf Augenhöhe •Vertrauen •vorurteilsfreie Begegnung •Feedback geben •Feedback entgegennehmen Das mit den Lernenden in Beziehung gehen wird bis heute unterschätzt. Insbesondere die aktuellen Forschungsergebnisse der sozialen Neurowissenschaften zeigen, dass Lehrpersonen auf die Neurophysiologie des Gegenübers einen direkten Einfluss haben. Cozolino (2013) bezeichnet darum Lehrpersonen auch als «neurologische Bildhauer». Nach diesem Blick auf die empirische Forschung und Vermessung des Lernens sei darauf hingewiesen, dass es noch einen ganz anderen Blick auf die Qualität des Lernens jenseits von Effektstärken gibt. Zierer (2019) verweist auf vier zentrale Fragen in Anlehnung an Ken Wilbers erkenntnistheoretisches Modell für eine gute Schule. 1.Was ist eine effektive Schule? (Objektive Perspektive) 2.Was ist eine freudvolle Schule? (Subjektive Perspektive) 3.Was ist eine kulturell passende Schule? (Intersubjektive Perspektive) 4.Was ist eine funktionale Schule? (Interobjektive Perspektive) Eine effektive Perspektive vermisst schulisches Lernen und lässt unter anderem das Gefühl des Geborgenseins, des Miteinanders, des freudvollen Umgangs und des Vertrauens untereinander ausser Acht. Asiatische Schulsysteme mit hohen Effektstärken zeigen unter anderem Schattenseiten im Bereich der psychischen Gesundheit. Eine Schule, in der sich sowohl Lernende als auch Lehrende wohlfühlen, zeigt womöglich Wirkungen, die sich mit noch so ausgeklügelten Forschungsdesigns kaum messen lassen. Jede Schule ist auch in eine gesellschaftliche Situation und Kultur eingebunden. Die Passung trägt zur Konfliktfreiheit und Entwicklung bei. Schulen bekommen gerade durch die gesellschaftliche Einbettung eine funktionale Ausrichtung und Aufgabe. So haben Gymnasien, Berufsfachschulen, höhere Fachschulen oder Hochschulen eine ganz bestimmte Funktion zu erfüllen, deren Erfüllungsgrad ebenso etwas über ihre Qualität aussagt. Wenn schon, denn schon Weder die richtige Methode noch das eine universelle didaktische Konzept garantieren «gutes Lehren und Lernen». Selbst die Forschungsergebnisse über die Wirkung von handlungsorientiertem Unterricht sind äusserst widersprüchlich (Nickolaus, 2008). Weniger die Methoden selbst als vielmehr die Qualität des Unterrichts haben einen Einfluss auf den Lernerfolg bei den Lernenden (Nickolaus, 2008, Helmke, 2004, Meyer, 2004). Methoden helfen uns allerdings bei der Umsetzung. Folgende übergeordnete Faktoren werden von der aktuellen Forschung für das Gelingen von Lernprozessen herausgestellt: Faktor Was ist damit gemeint? Methodische Beispiele Inhaltliche Klarheit Transparenz Struktur –Das Ziel der Lernveranstaltung ist den Lernenden bekannt. Aufgabenstellungen sind den Fähigkeiten der Lernenden angepasst. Der inhaltliche Ablauf ist den Lernenden jederzeit bewusst. Der Inhalt ist in zusammenhängende Abschnitte unterteilt. Die Lernenden können einen persönlichen Bezug durch Reaktivierung der Erfahrungen und der Vorkenntnisse herstellen. Der Unterrichtsverlauf orientiert sich an einem roten Faden und an der Zielerreichung. –Die Unterrichtsschritte folgen einer inneren Logik und sind nicht beliebig aneinandergereiht. Der Unterricht wird mit einem klaren und beabsichtigten Lernprozessmodell geplant. Er zielt auf den Erwerb konkreter Kompetenzen und verfolgt entsprechende Lernziele. Lehrende und Lernende wissen immer, in welcher Phase sie sich befinden. Die methodischen Schritte sind folgerichtig und den Kompetenzen und Lernzielen angepasst. Es ist ein grundlegendes Prinzip erkennbar wie: –vom Konkreten zum Abstrakten –vom Abstrakten zum Konkreten –von der Fremdsteuerung zur Selbststeuerung –vom Einfachen zum Komplexen –von der Distanziertheit zur Nähe –Der methodische Grundrhythmus ist in voneinander abgegrenzte Phasen gegliedert. Die Lernenden wissen immer, was sie zu tun haben. Die Aufgaben sind eindeutig formuliert. Es besteht Regelklarheit und den Akteuren ist bewusst, welche Rolle sie einzunehmen haben. –Partnerinterview mit Leitfragen –Agenda –Informierender Einstieg –Advance Organizer –Lernzielkontrollen –Sandwich –Gelenkstellen –Methodenwechsel (in Abstimmung mit Zielen) –Schriftliche Aufträge –Zurückhaltendes Verhalten während individueller und kooperativer Phasen Sinnstiftung –Die Lehrperson zeigt auf, worauf die neue Lerneinheit aufbaut und wo sie hinführt. Die Lernenden haben die Möglichkeit, eigene Bezüge herzustellen. Die Einführung ins neue Thema ermöglicht den Lernenden, ihre eigenen Interessen zu entwickeln. Die Lernenden bringen sich mit eigenen Impulsen und Fragestellungen ein. –Advance Organizer –Planungsbeteiligung –Problemspeicher –Reflexionsmethoden –Portfolioarbeiten –Lernjournal –Feedbackmethoden Methodenvielfalt und Methodentiefe –Lehrende verwenden eine Vielfalt von Methoden. Die methodischen Kleinformen werden den Lernzielen entsprechend eingesetzt. Zwischen ihnen werden die Übergänge fliessend und sinnstiftend gestaltet (keine Aneinanderreihung beliebiger Methoden). Die Lehrenden können auch ausserhalb der Planung zusätzliche Methodenentscheidungen fällen. Lehrende wie Lernende bauen kontinuierlich ihre Methodenkompetenz auf, beherrschen das Methodenrepertoire und setzen es situativ ein (Meyer, 2020). –Sandwich –Kleinformen von Methoden –Handlungsorientierte Methoden Klima Interaktion –Unter den Lernenden...