E-Book, Deutsch, 128 Seiten
Schroeter Das Feuer des Lebens
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-641-28240-0
Verlag: Diederichs
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine Erzählung über den Mut zum Aufbruch
E-Book, Deutsch, 128 Seiten
ISBN: 978-3-641-28240-0
Verlag: Diederichs
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ben hat die Monotonie des Alltags satt. Er fragt sich, wofür er eigentlich noch brennt und was aus all seinen Träumen geworden ist. Er erinnert sich an die Momente, in denen er lebendig und voller Freude und Tatendrang war. Kurzentschlossen bricht er auf zu einer inspirierenden Reise ans Meer, wo sein alten Freund Bo bereits auf ihn wartet. Sechs Strandfeuer, ein Leuchtturmwärter und die Begegnung mit zwei wunderbaren Frauen sind es, die Ben schließlich den Weg zurück an sein Feuer weisen.
Das Feuer des Lebens ist ein Buch, in dem man das Rauschen des Meeres und das Knistern des Feuers hört und den starken Impuls verspürt, anschließend selbst etwas in seinem Leben zu verändern.
Autoren/Hrsg.
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1.
DER AUFBRUCH
Lebst du wirklich das, wofür du brennst?
»Lebst du wirklich das, wofür du brennst?«, hatte mein bester Freund Dave mich vor einer Woche gefragt. So simpel diese Frage war, so sehr hatte sie mich ins Mark getroffen.
Ich habe ihm nicht geantwortet, doch mein Schweigen war Antwort genug – für ihn und letztendlich auch für mich.
Mein Feuer war schon lange erloschen.
Ich ließ seit einer gefühlten Ewigkeit einen Großteil meiner Lebensenergie in einer Firma, die Jahr für Jahr nur ein Ziel kannte: mehr Umsatz und mehr Gewinn!
Ich lebte schon lange nicht mehr das, wofür ich brannte – diese Firma fraß meine ganze Lebensenergie und ich konnte mir kaum mehr vorstellen, wirklich einmal für etwas gebrannt zu haben.
Dave und ich standen in meiner Garage. Es war einer dieser selten gewordenen Tage in meinem Leben, an denen ich morgens aufwachte und mir nicht mit dem ersten Augenaufschlag bereits klar war, was im Dreiviertelstundentakt den Tag über in meinem Leben passieren würde. Mit einer chronischen inneren Gleichgültigkeit nahm ich die getakteten Termine und die dazugehörigen Themen zwar wahr, aber schon lange nicht mehr die Menschen hinter den Themen. Und am allerwenigsten mich selbst.
Ich funktionierte, lebte aber nicht mehr.
Dazu erreichten mich jeden Tag über fünfzig Nachrichten und Anfragen auf meinen Mail-Accounts. Ich habe mir, glaube ich, wirklich unterbewusst eingebildet, dass ich irgendwann meinen Computer anschalte und dort die Nachricht erscheint:
Die Tage kamen und sie gingen. Monotonie auf Hamsterradniveau.
Heute hatte ich aber frei und war mit meinem besten Freund Dave zu einer Mountainbike-Tour verabredet. Jetzt suchten wir in der Garage nach einer Fahrradpumpe.
»Blick dich mal um!«, lud Dave mich plötzlich ein und ließ seinen gestreckten Arm einmal kreisen. »Was siehst du?«
Ich folgte seiner Aufforderung, und nach Jahren blickte ich mich zum ersten Mal wieder bewusst in meiner Garage um.
Ich entdeckte mein Surfbrett. Ich hatte es mit Schnüren an zwei groben Haltern an der Garagenwand aufgehängt. Wie lange hatte ich damals gespart, um mir dieses Brett leisten zu können? Und wie stolz war ich gewesen, als ich es endlich mein Eigen nennen konnte!
Mit diesem Brett war ich Wellen auf Hawaii, an der Nordsee und am Atlantik geritten. Tausende Male aufgestiegen und wieder abgeworfen worden.
Sobald ich mit dem Brett auf das Meer hinaus paddelte, war ich in einer anderen Welt: in meiner Welt!
Ich fühlte mich frei und glücklich.
Damals wäre bestimmt niemand auf die Idee gekommen, mich zu fragen, ob ich das lebe, wofür ich brenne. Ich hatte aus jeder Pore meines Körpers gestrahlt, dass ich immer wieder gefragt wurde, warum ich so glücklich aussehe.
Der einzige Takt, der mein Leben bestimmte, waren die Gezeiten. Bei auflaufendem Wasser lässt es sich einfach besser surfen!
Ich war kein Getriebener, ich ließ mich treiben!
Mein Blick fiel auf meine Gitarre. Sie stand geschützt und dick eingepackt in der hinteren Ecke der Garage. Ich hatte sie schon fast vergessen, dabei war sie fünfzehn Jahre lang der wohl treueste Begleiter in meinem Leben. Ja, ich habe es geliebt, Gitarre zu spielen und zu singen. Egal ob ich fröhlich, nachdenklich oder im Sehnsuchtsmodus war – für jede Stimmung fand sich ein Lied, das mich begleitete.
Lieder waren der Balsam für meine Seele.
Und es gab so viele Begegnungen, in denen ich meine Leidenschaft für das Musikmachen mit anderen geteilt habe. So viele unvergessliche Abende an Lagerfeuern und kraftvollen Orten, an denen wir gemeinsam Lieder gesungen und ein unbeschreibliches Gefühl von Verbundenheit erlebt hatten. Ein Gefühl, das nur entstehen kann, wenn man das tut, was einen im tiefsten Herzen glücklich macht.
Damals wäre es für mich undenkbar gewesen, dass diese Gitarre in einer dicken Hülle eingepackt in einer Garagenecke verschwindet. Aber mit den Jahren im Unternehmen waren irgendwann auch die Lieder verstummt.
Meine alten französischen Kochtöpfe, eingelagert in stabilen Pappkartons. Seit Jahren lagen sie hier Seite an Seite mit den ebenfalls eingemotteten Tennisschlägern. Dabei gab es früher kaum ein Wochenende, an dem ich nicht Freunde zum Essen eingeladen hatte. Ich liebte es zu kochen. So sehr, dass ich auf zwei Hochbeeten im Garten meine eigenen Kräuter und mein eigenes Gemüse zog.
Als ich nach den trügerisch leichten Anfangsjahren endgültig im Unternehmen angekommen war, verschwanden die Kochtöpfe in der Garage und die Hochbeete unter einem pflegeleichten Rasen. Mit den wachsenden Anforderungen im Unternehmen verschwand auch die freie Zeit aus meinem Leben.
Der Blick in den Kühlschrank wurde mehr und mehr zu einem Blick in ein getriebenes Leben: Fertigkost statt Lebenskost.
Dabei waren das Kochen und ein gutes Essen mit Freunden für mich immer ein Ausdruck von Lebensqualität gewesen.
Wenn ich kochte, saß ich an meinem Feuer!
Mit den Töpfen in der Garage verschwanden auch viele Freunde in der Versenkung. Mein durchgetaktetes Leben hatte mich mit den Jahren immer einsamer gemacht. Nur Dave ließ sich nicht vertreiben.
Er war auf seine ganz eigene Art und Weise immer ein treuer Wegbegleiter geblieben, vielleicht auch deshalb, weil er keine unangenehmen Fragen stellte und mich kommentarlos mein Leben leben ließ.
Bis heute.
»Deine Garage ist ein Museum deiner erloschenen Feuer, Ben!«, sagte er schließlich, nachdem ich mich umgeschaut hatte. Er sah mich dabei fast ein wenig mitleidig an.
Ich wollte sein Mitleid nicht, schon deshalb nicht, weil Dave Zeit seines Lebens immer wusste, wofür er gerade brannte. Er war schon immer der Typ gewesen, der dieses Wissen auch auslebte. Er ließ sich von nichts und niemanden von seinem Feuer vertreiben. Er war Künstler, liebte das Mountainbiken und seine Familie.
Wem es nicht passte, wie er lebte, konnte aus seinem Leben verschwinden.
»Feuerlöscher« nannte Dave diese Art von übergriffigen Menschen, die ihm ständig einreden wollten, was richtig und falsch in seinem Leben war, obwohl sie selbst nicht mal im Ansatz für sich entdeckt hatten, wie sich ein glückliches Leben überhaupt anfühlte. Ich erinnere mich an eine Auseinandersetzung, die Dave mit einem Nachbarn führte und die er mit den Worten »So, genug missioniert! Du gehst jetzt nach Hause und suchst das Glück!« beendet hatte.
Es ist jetzt eine Woche her, dass wir in der Garage standen, und wir sind an diesem Tag noch mit unseren Mountainbikes unterwegs gewesen. Ich konnte mich kaum auf das Fahren konzentrieren, so sehr hing mir der Satz »Deine Garage ist ein Museum deiner erloschenen Feuer!« nach.
Tränen liefen über meine Wangen, aber mein Freund konnte sie nicht sehen.
Er fuhr fröhlich voraus.
Auf halber Strecke hielten wir an einem Fluss. Wir parkten unsere Räder und wanderten hinunter zum Wasser. Ich liebte diesen Ort. Auf der gegenüberliegenden Uferseite gab es eine große Wildwiese, auf der ich viele Jahre Kräuter für das Kochen pflückte.
Oft war ich schon in den frühen Morgenstunden unterwegs und erlebte den Tagesanbruch in der Natur. Lauschte dem Gesang der Feldlerchen, hörte die Rufe der Kiebitze, sah das magische Licht der aufgehenden Sonne über den taubenetzten Grashalmen und die mächtigen, schlafenden Eichen am Wiesenrand, umhüllt von Frühnebelfeldern.
Wenn ich zwei Stunden später die Kräuter in meinem Weidenkorb nach Hause trug, nahm ich auch diese wundervolle Welt und ihre Energie mit.
Sie nährte mein Essen und das meiner Freunde. Ich war mit allem verbunden.
Auch der Weidenkorb verschwand irgendwann in der Garage.
»Ich weiß nicht mehr, wofür ich brenne! Ich weiß es einfach nicht!« Ich schaute Dave an, als wir schließlich auf zwei großen Steinen saßen und das wild rauschende Wasser an uns vorbeiströmte.
»Ich habe schon lange Zeit das Gefühl, an einem erloschenen Feuer zu sitzen, sehr lange! Ich kann dir nicht einmal sagen, wann ich aufgehört habe, mich um mein Feuer zu kümmern. Es war ein schleichender Prozess!
Ich habe einfach immer weiter gemacht, und irgendwann dachte ich, umkehren sei keine Option, es wäre vielmehr ein Schuldeingeständnis an mein verpasstes Leben.
Ich habe wirklich geglaubt, anders funktioniert es nicht mehr. Ich habe es geglaubt, weil ich über die Jahre mir selbst gegenüber immer härter wurde. Verrückt, oder?«
Dave trank einen Schluck aus seiner Wasserflasche und anstatt mir zu antworten, beugte er sich vornüber, zog seine Schuhe und Socken aus und steckte seine Füße in das eiskalte Wasser.
»Komm Ben, zieh deine Schuhe und Socken aus!«, forderte er mich auf, »und stecke deine Füße auch ins Wasser!«
Etwas widerwillig folgte ich seiner Aufforderung und schrie kurz auf, als die Füße endlich im Wasser landeten. »Scheiße, ist das kalt!«
»Jetzt ist genau der richtige Moment für dich, auf Reisen zu gehen!«, reagierte Dave endlich auf meine Traurigkeit. »Willst du wirklich so weitermachen? Was ist das Ziel? Finde endlich heraus, wofür du wirklich brennst!« Er sah mich an. »Gib deinem Leben seine Lebendigkeit zurück! Du hast nur diese eine Reise auf der Welt! Was zaubert dir ein Lächeln in dein Gesicht? Was lässt die Lebensenergien in dir sprudeln: Freude, Liebe, Glück? Für...