Schröm / Hollenstein | Die Akte Scholz | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Schröm / Hollenstein Die Akte Scholz

Der Kanzler, das Geld und die Macht
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-8412-3096-6
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Kanzler, das Geld und die Macht

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-8412-3096-6
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein einzigartiger Einblick in die Hinterzimmer der Macht.

Auf öffentlicher Bühne inszeniert sich Olaf Scholz sorgfältig als sachorientierter Macher. Doch wie sieht die Realität hinter den Kulissen aus? Nichts verrät darüber so viel wie seine Verwicklung als Hamburger Bürgermeister in das 47-Millionen-Euro Steuergeschenk an eine Privatbank. Nie hat er so sehr die Kontrolle über sein Image verloren, keine Affäre war so gefährlich für ihn. Und keine verrät so viel über ihn.

Gestützt auf Zeugen und neue Dokumente enthüllt dieses Buch Scholz' Rolle in dem Skandal. Es zeigt, wie der heutige Kanzler und seine Helfer agieren, wenn sie unter Druck geraten. Ein System von Abhängigkeiten offenbart sich, von fragwürdigen Allianzen, von kleineren und größeren Lügen und von geschickter Manipulation der öffentlichen Meinung. Zugleich kommen Muster zum Vorschein, die sich durch Scholz' gesamte Karriere ziehen - bis heute.

'Diese sehr engmaschige Dokumentation im Tagebuchstyle, sehr nüchtern aufgeschrieben, (...) sehr faktenorientiert, (...) hat uns von der ersten bis zur letzten Zeile fasziniert.'

Aus der Laudatio bei der Verleihung des Deutschen Journalistenpreises an die Autoren.



Oliver Hollenstein, Jahrgang 1985, ist Leitender Redakteur beim . Als Redakteur im Hamburg-Teil der hat er zuvor viele Jahre Olaf Scholz' Karriere, sein Wirken und seine Netzwerke beobachtet. Für seine Recherchen wurde er unter anderem mit dem Axel-Springer-Preis und dem Deutschen Journalistenpreis ausgezeichnet.

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PROLOG


Mittwoch, 7. September 2016


Die Pflicht beginnt für Olaf Scholz um 8:45 Uhr, und wie üblich hat sein Terminreferent ihm keine Verschnaufpausen im Kalender gelassen: morgens eine Rede bei einem Kongress, danach ein Grußwort bei einer Preisverleihung, nachmittags kommt die Bürgerschaft zusammen. Dazwischen Termine im Halbstundentakt. Für den Abend ist vor zwei Wochen auch noch ein Termin hinzugekommen. »18:45 bis 19:45 Uhr Gespräch mit Hr. Olearius und Hr. Warburg«, ist im Kalender notiert. Als Ort ist das »Bazi« genannt, das Bürgermeisteramtszimmer.

Seit mehr als fünf Jahren ist Scholz Erster Bürgermeister von Hamburg und die unangefochtene Nummer eins in der Stadt. Während die SPD vielerorts schwächelt, hat sie in Deutschlands zweitgrößter Stadt zweifelsfrei den Status einer Volkspartei. Bei der letzten Wahl vor anderthalb Jahren kam sie auf 45,6 Prozent der Stimmen, die CDU auf mickrige 15,9 Prozent.

Scholz ist kein begeisternder Redner, seine politische Karriere verdankt er nicht einem ungewöhnlichen Charisma, sondern seinem Fleiß und seiner unerschütterlichen Zielstrebigkeit. Scholz erarbeitet sich Macht. Er kennt alle Argumente zu den wichtigen Themen der Stadt, hat immer eine Antwort auf Gegenpositionen parat. Weil er die entscheidenden Akten gelesen hat. Weil er die entscheidenden Leute gesprochen hat. Er kann Positionen in prägnante Worte fassen. Und er ist penibel auf seine öffentliche Wirkung bedacht, macht nie etwas, ohne über die Folgen nachzudenken. Ein politischer Profi, seit Jahrzehnten im Geschäft.

Scholz lässt wenig Zweifel daran, dass ihm Hamburg als Spielfeld zu klein ist. Offiziell bestreitet er allerdings wie jeder Politikprofi höhere Ambitionen. Vor einigen Tagen war er mit dem Grünen-Politiker Robert Habeck bei einer Diskussion der taz zu Gast. Es wurde gescherzt, ob da nun der künftige Kanzler und sein Vize sitzen. Scholz ließ sich nicht aus der Reserve locken. »Ich bin Bürgermeister und völlig davon eingenommen«, sagte er. Und schmunzelte vieldeutig.

Auch wenn die CDU und Kanzlerin Angela Merkel in Umfragen uneinholbar weit vorn liegen: Scholz gibt sich überzeugt, dass seine bundesweit eher marode Partei wieder einen Kanzler stellen kann. »Wenn wir einen Kandidaten aufstellen, den die Bürgerinnen und Bürger als Kanzler wollen, wirkt sich das bei den Wahlen aus«, sagt er. Mehr als 30 Prozent sind drin, findet Scholz – mit dem richtigen Kandidaten. Wen er für den richtigen Kandidaten hält, ist ein offenes Geheimnis. Die Frage ist nur: Wann ist der richtige Zeitpunkt, zur Macht zu greifen?

Martin Kleine (Name geändert) überrascht es nicht, dass am Abend seine Anwesenheit im Amtszimmer des Bürgermeisters erwünscht ist. Seit 1985 arbeitet der Volkswirt in der Hamburger Verwaltung, inzwischen als Abteilungsleiter in der Wirtschaftsbehörde, zuständig für Wirtschafts- und Mittelstandspolitik. Als Behörde wird im Stadtstaat Hamburg bezeichnet, was in den Flächenbundesländern Landesministerien sind. Regierungschef ist kein Ministerpräsident, sondern der Erste Bürgermeister. Martin Kleine hat im Lauf der Jahre verschiedene Bürgermeister zu Treffen mit Unternehmen begleitet. Meist ging es um Kontaktpflege. Firmenbosse oder Banker wollten Ereignisse aus ihrem Haus vortragen, ihre Sicht der Dinge darstellen, unabhängig davon, was durch die Presse kolportiert wird.

Kleine hat eine Ahnung, worum es heute gehen könnte. Christian Olearius und Max Warburg sind Mitinhaber von M. M. Warburg & CO, einer der ältesten und größten Privatbanken Deutschlands. Kleine weiß aus der Zeitung, dass die Warburg-Bank ins Visier der Staatsanwaltschaft Köln geraten ist. Anfang des Jahres haben Ermittler die Zentrale des Geldinstituts durchsucht. Gegen eine Reihe von Managern wird wegen fragwürdigen Steuergeschäften ermittelt, auch gegen die beiden Mitinhaber.

Vorsichtshalber fragt Kleine im Büro des Bürgermeisters nach, ob es einen Anlass für das Treffen gibt oder ein spezielles Thema. »Nein«, lautet die Antwort. Kleine solle aber etwas vorbereiten und dem Bürgermeister rechtzeitig zukommen lassen. Der Abteilungsleiter ruft seine Referatsleiterin an. Sie soll ihm ein paar Informationen zusammenstellen.

Der Terminkalender von Christian Olearius ist an diesem Tag ebenso voll wie der von Olaf Scholz. Eigentlich hat der 74-Jährige vor zwei Jahren seinem Sohn Joachim die Geschäftsführung der Warburg-Bank übertragen, doch es fällt ihm schwer loszulassen.

Die Bank hat Hunderte Millionen in Schiffsfinanzierungen gesteckt, dann aber rutschte die ganze Branche in die Krise. Viel zu viele Schiffe befahren die Weltmeere, die Preise für Seefracht sind im Keller. Manche Frachter sind gerade noch die Masse an Stahl wert, der in ihnen verbaut ist. Olearius trifft das Problem gleich doppelt: Er hat persönlich in Schiffe investiert, seine Bank hat zudem vielen Investoren Kredite gegeben. Und dann ist da noch die Sache mit den Cum-ex-Geschäften.

Olearius’ Arbeitstag beginnt an diesem Mittwoch mit einer Aufsichtsratssitzung. Er wird sich später daran erinnern, dass er dafür gelobt wurde, wie er mit den beiden großen Problemen der Bank umgeht. Anschließend besucht der Bankier eine Trauerfeier. Wilfried Weber, Mitinhaber der Traditionsbuchhandlung Felix Jud, ist überraschend verstorben. Weber war eine feste Größe in besseren Hamburger Kreisen, eine kulturelle Institution. Immer wieder versorgte er seine Kunden mit Empfehlungen, sogar für Karl Lagerfeld stellte er Leselisten zusammen, tauschte mit ihm in krakeliger Schrift kleine Nachrichten aus. Auch an Olearius schrieb Weber solche Nachrichten.

Viel Zeit hat der Banker heute allerdings nicht für den Abschied vom beliebten Buchhändler – Geschäftstermine warten. Der Bankier will Beteiligungen außerhalb der Bank verkaufen, um finanziell mehr Spielraum zu bekommen. Seit die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt, schläft er schlecht, hat immer wieder körperliche Beschwerden. Aus seiner Sicht hat die Bank vor fast zehn Jahren völlig legale Geschäfte betrieben, die auf einmal kriminalisiert werden. Und nun droht auch noch das Finanzamt, Millionen von der Bank zu fordern.

Das gilt es zu verhindern. Olearius hat in den vergangenen Monaten auf allen Ebenen eine Abwehrschlacht organisiert. Er hat seine Anwälte und Steuerberater mit Gutachten beauftragt, sein politisches Netzwerk aktiviert und Verteidigungsschreiben an wichtige Kontakte schicken lassen. Nun will er Bürgermeister Scholz seine Sicht der Dinge vortragen.

Wer einen Termin bei Scholz haben will, landet bei Andreas Eichhorn (Name geändert). Der 34-Jährige arbeitet als Terminreferent von Bgm1, wie der Erste Bürgermeisters im Rathaus genannt wird. Aus den Anfragen erstellt Eichhorn Listen, die Scholz am Wochenende mit nach Hause nimmt. Wer dann einen grünen Haken von Scholz bekommt, den puzzelt Eichhorn in den Kalender.

Olaf Scholz trägt an diesem Spätsommertag einen dunkelblauen Anzug, weißes Hemd und hellblaue Krawatte. Die Anzüge sind weiter geschnitten, sein Gesicht ist etwas rundlicher als das des späteren Kanzlerkandidaten und Kanzlers. Um 11 Uhr steht die Verleihung des »Hamburger Nobelpreises« an. So sagt es Scholz, das klingt schön prägnant. Eigentlich ist die Auszeichnung nach der Körber-Stiftung benannt, oder besser nach Stifter Kurt A. Körber, einem lange verstorbenen Hamburger Unternehmer. Der Körberpreis gilt als einer der wichtigen deutschen Wissenschaftspreise, geehrt wird einmal im Jahr ein internationaler Spitzenforscher. Manche Forscher haben danach auch den Nobelpreis bekommen, darauf ist man in Hamburg stolz.

Politisch hat Scholz für Wissenschaft nicht viel übrig. Während andere Bundesländer in den vergangenen Jahren die ungewöhnlich hohen Steuereinnahmen genutzt haben, um Forschung und Wissenschaft zu stärken und substanziell mehr Geld in die Universitäten zu stecken, hat Scholz das nicht für nötig gehalten. Nur das Saarland war in den letzten Jahren knauseriger als Hamburg, die lokalen Hochschulen stöhnen unter dem Spardiktat. Scholz hat andere Prioritäten: Die Wirtschaft muss laufen, die Kasse stimmen. »Pay as you go« hat er als Devise ausgegeben. Die Botschaft lautet: Bei jeder Ausgabe sollte klar sein, woher das Geld kommt.

Für die Verleihung des Körber-Preises stellt Scholz dennoch gerne das Rathaus zur Verfügung. Im sonst oft so protestantisch nüchternen Hamburg gibt der prunkvolle Festsaal eine angemessene Kulisse ab für alles, was bedeutsam wirken soll. Bis zu 540 Gäste können in dem 46 Meter langen Saal unter prächtigen Kronleuchtern sitzen. Riesige Wandgemälde erzählen die Geschichte der Stadt: von der Urlandschaft vor der Besiedelung über die ersten Bauern und Fischer an Elbe und Alster und die Christianisierung bis schließlich zum Hamburger Hafen am Beginn des 20. Jahrhunderts.

Scholz darf die Veranstaltung mit einem Grußwort eröffnen, wieder spricht er vom »Hamburger Nobelpreis«. Das schmeichelt allen. Und er sagt, was für eine großartige Stadt der Wissenschaft Hamburg doch ist.

In der Wirtschaftsbehörde bekommt Martin Kleine ein Papier von...



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