Schrödl / Keyenburg | Australien? Australien! | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Schrödl / Keyenburg Australien? Australien!

Ein Roadmovie
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7641-9053-8
Verlag: Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Roadmovie

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-7641-9053-8
Verlag: Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Für den fünfzehnjährigen Meo verlief das Leben bisher recht gemächlich. Damit ist nun Schluss, denn seine Eltern wollen mit ihm eine Rundreise durch Australien unternehmen. Die Reise soll Meo für das Land begeistern, in das seine Eltern bald mit ihm ziehen wollen. Zum Glück hat er seine pummelige Freundin Odette dabei, die ihm mit Rat und Tat zur Seite steht. Dabei bringt sie ihn jedoch mehr als einmal in die Bredouille. Ausgerechnet im Kakadu-Nationalpark verirren sich die beiden auch noch und müssen sich fortan allein durchschlagen - vom äußersten Norden Australien bis in den Süden nach Melbourne. Der Trip wird zum Abenteuer ihres Lebens ...

Tino Schrödl wurde 1972 geboren und arbeitet als Autor, Regisseur und Producer von TV-Reportagen. Der Autor lebt in Berlin.

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5. Abflug
Einen Monat später sitzen wir alle im Flieger, meine Eltern, Odette und ich. Ich kann nicht behaupten, dass meine Eltern begeistert waren von der Idee, Odette mitzunehmen. Niemand wäre davon begeistert gewesen. Als ich sie aber vor die Wahl stellte, dass wir entweder beide mitkommen würden oder keiner von uns, stimmten sie zähneknirschend zu. Mein Vater hat ihr sogar das Ticket gezahlt, weil Odettes Eltern sich das nie hätten leisten können. Qualle habe ich in die Obhut meiner Oma gegeben. Nicht freiwillig, das könnt ihr mir glauben. Meine Oma lebt auf einem Bauernhof und hat ein sonderbares Verhältnis zu Tieren. Als ich Qualle abgab, meinte sie, dass das Vieh ja ziemlich fett sei und einen guten Braten abgeben würde. Keine Ahnung, ob sie das lustig fand. Ich tat das jedenfalls nicht und habe Oma gewarnt, dass, falls Qualle im Kochtopf landen sollte, sie vergessen könne, dass ich später mal zu ihrer Beerdigung käme. Ich glaube, darüber hat sie sich etwas erschrocken. Ich hoffe es zumindest. »Vier Wochen«, habe ich Qualle versprochen. »Vier Wochen, dann sind wir wieder zurück. So lange musst du durchhalten.« Odette hat ihr versprochen auf mich aufzupassen, was ich etwas übertrieben finde. Trotzdem bin ich dankbar, dass sie mitkommt. Zum einen, weil ich wirklich denke, dass sie ein Krokodil in die Flucht schlagen könnte. Zum anderen, weil ich hoffe, dass ein hungriges Krokodil sich eher auf Odette als auf mich stürzen würde. Unser Reiseziel liegt ganz unten im Süden Australiens, in der Stadt Melbourne, von der die Hälfte meiner Klassenkameraden wahrscheinlich noch nie was gehört hat. Dort wohnt bereits ein Kollege meines Vaters. Bei ihm können wir schlafen, solange wir da sind. Sollten wir im Herbst hinziehen, wäre Melbourne auch unser neues Zuhause. Ich kann mir das immer noch nicht vorstellen. Ich will es auch gar nicht. Ich kann mir ja nicht mal vorstellen, in Deutschland umzuziehen. Oder auf eine andere Schule zu gehen. Was soll ich da in Australien? Eltern können wirklich grausam sein. Nein, ich werde Australien auf keinen Fall mögen. Das kann ich jetzt schon sagen. Allein der Flug dahin dauert fast dreißig Stunden, das muss man sich mal vorstellen. Das ist länger als ein Tag! Da kann man genauso gut auf den Mond fliegen. Beim Einsteigen habe ich darauf bestanden, am Fenster zu sitzen. Wenn ich schon fliege, will ich wenigstens nach draußen schauen können. Doch schon jetzt, bevor der Flug losgeht, bemerke ich das erste Problem: Meine Rückenlehne klemmt und lässt sich nicht zurückklappen. Odette sitzt neben mir auf dem Mittelplatz und hat bereits die Augen geschlossen. »Willst du mit mir den Platz tauschen?« »Nein.« »Mama, können wir die Plätze tauschen?« Meine Mutter hat sich gerade hingesetzt, nachdem sie sich eine gefühlte halbe Stunde aus ihrer Jacke geschält hat. »Warum das denn?« Sie klingt gestresst. »Ich denke, du willst aus dem Fenster schauen.« »Ich habe es mir anders überlegt.« »Wie? Auf einmal?« »Okay, meine Rückenlehne klemmt.« Manchmal ist Ehrlichkeit doch der beste Weg. »Aha, und du denkst, ich will auf so einem Stuhl sitzen?« Auf diese Antwort bin ich nicht vorbereitet. »Ich kann aber so nicht sitzen.« »Und was soll ich da jetzt machen?« Woher soll ich das denn wissen? Immerhin ist sie die Mutter. Gott sei Dank scheint sie sich in dem Moment ebenfalls daran zu erinnern und tut das, was Mütter in einer solchen Situation am besten können. Sie stößt meinen Vater an. »Der Sitz von deinem Sohn klemmt.« Mein Vater versucht das Problem natürlich selbst zu lösen, indem er, halb über meiner Mutter und Odette liegend, an meiner Lehne rüttelt, bis mir schlecht wird, und meine Mutter ihn festhält und sagt: »Willst du, dass er ein Schleudertrauma bekommt?« Odette hat die Augen inzwischen wieder aufgeschlagen. Ist euch schon mal aufgefallen, dass Väter zwar auf alles eine Antwort haben – auch wenn es die falsche ist, – sie aber niemals selber Fragen stellen? Keine Ahnung, warum das so ist, aber auch jetzt ist meine Mutter diejenige, die eine Stewardess holt und ihr das Problem schildert. Die Dame ist jedoch mindestens genauso genervt wie meine Mutter, weil immer noch Leute einsteigen und versuchen, ihr Gepäck in die bereits überfüllten Gepäckfächer zu quetschen. Ein Duell »überforderte Stewardess« gegen »gestresste Mutter« kennt aber nur eine Siegerin. »Sie erwarten doch nicht ernsthaft, dass mein Sohn hier die nächsten zwölf Stunden kerzengerade sitzt? Sollte dies der Fall sein, verlassen wir jetzt, noch vor Abflug, die Maschine und ich werde mich über die Fluggesellschaft im Allgemeinen und über Sie im Besonderen beschweren! Wie heißen Sie eigentlich, meine Liebe?« Kurzzeitig hege ich die Hoffnung, dass wir nach dieser Ansage aus der Maschine fliegen. Doch stattdessen probiert Melanie, so heißt die Dame, nun ihrerseits quer über uns liegend, die Lehne durch Rütteln zu lösen, also genau das zu machen, was mein Vater zuvor versucht hat. Natürlich genauso erfolglos und mit dem einzigen Ergebnis, dass anschließend mein Kopf schwirrt und ich ernsthaft befürchte, wieder ein paar Gehirnzellen eingebüßt zu haben. Dann lässt sie uns allein, um kurz darauf mit der Erfolgsmeldung zurückzukehren, dass der Flug nicht ausgebucht sei, im hinteren Flieger also noch Plätze frei seien und wir nach dem Start gern umziehen könnten. So verharre ich also auf meinem Platz und starre regungslos aus dem Fenster, während das Flugzeug abhebt und in einen grauen und verregneten Himmel schwebt, bevor es durch die Wolkendecke stößt und man die letzten Strahlen einer roten Sonne verschwinden sehen kann. Neben mir beginnt Odette leise zu schnarchen. Eine Stunde später sitze ich dann allein in meiner Reihe im hinteren Flugzeug und leide still vor mich hin. Ich stelle mir vor, ich wäre ganz allein auf der Welt. Meine Eltern und Odette sind vorn geblieben. Nun kann ich zwar die Lehne zurückklappen, glücklich bin ich mit der Situation aber trotzdem nicht. Wir haben gerade mal einen Bruchteil unserer Strecke zurückgelegt und ich langweile mich schon zu Tode. Draußen ist es inzwischen dunkel und im Bordprogramm läuft nur Schrott. Ich habe mein Buch vor mir aufgeschlagen liegen, aber auch das interessiert mich gerade nicht. Gern würde ich etwas schlafen, habe jedoch Angst, dass mir dabei die Beine einschlafen. Das passiert schneller, als man denkt, habe ich gelesen. Wenn man Pech hat, müssen sie einem danach abgenommen werden, weil sie abgestorben sind. Das nennt man dann Thrombose. Wisst ihr, wie schlecht es sich ohne Beine lebt? Man kann keine Treppen mehr steigen und kein Fahrrad mehr fahren. Das Leben würde beträchtlich an Qualität verlieren. Dann beginnt das Balg hinter mir auch noch gegen meine Rückenlehne zu treten. Ich leide weiter vor mich hin. Im Flieger stinkt es so entsetzlich, dass ich kaum zu atmen wage. Wer weiß schon, was für Bazillen hier durch die Luft schwirren. Schräg hinter mir sitzt ein dicker Mann, der mit offenem Mund schläft, während ihm ein dünner Speichelfaden aus dem Mundwinkel läuft. Allein schon seinetwegen will ich diese verpestete Luft nicht atmen. Er ist bestimmt Australier. Um mich abzulenken, stehe ich auf und laufe durch die Reihen, um die Leute, die schlafen, zu betrachten. Ich vermute, dass die besonders Hässlichen aus Australien kommen. Sagt man nicht, dass die hässlichsten Menschen auf Inseln wohnen? Weil sie nur einander zum Heiraten haben. Und Australien ist ja schließlich eine Insel. Zwar eine sehr große, aber wenn man lange genug läuft, steht man in jeder Richtung irgendwann am Wasser. Dann versuche ich, ein paar Übungen zu machen, von denen ich gelesen habe, dass sie Thrombosen vorbeugen. Beine hochziehen, Ausfallschritte und so ein Zeug. Als jedoch Melanie, die Stewardess, vorbeikommt und mich spöttisch anlächelt, lasse ich es sein und laufe zu meinem Platz zurück. Als wir in Singapur umsteigen, will mein Vater die Gelegenheit nutzen, um uns Australien noch einmal schmackhaft zu machen. »Dort gibt es Tiere, die sonst nirgendwo vorkommen. Kakadus, Koalas, riesige bunte Schmetterlinge …« »Schlangen, Spinnen und Skorpione.« Meine Mutter hat ebenfalls ihre Hausaufgaben gemacht. »Sieben der zehn giftigsten Schlangen leben in Australien.« »Ja, schon. Aber nicht nur. Es gibt Leute, die wohnen ihr ganzes Leben lang dort und haben noch nie eine Schlange gesehen.« »Kennst du einen?« Natürlich kennt mein Vater keinen. Als wir von Singapur nach Australien weiterfliegen, gerät das Flugzeug in Turbulenzen. Es beginnt dermaßen zu schütteln und zu wackeln, dass irgendwann die Flugbegleiter zu ihren Sitzen eilen und sich anschnallen müssen. Von dort versuchen sie dann, tapfer in Richtung der Passagiere zu lächeln, als ob das alles gar nicht schlimm, sondern ein Riesenspaß wäre. So wie eine Fahrt in der Achterbahn. In meinem Fall reine Zeitverschwendung, denn ich mag keine Achterbahnen. Ebenso wenig wie jedes andere Karussell. Da wird man nur sinnlos durchgeschüttelt und muss sich an Griffen festhalten, die vorher von tausend anderen Leuten angefasst wurden, von denen sich wahrscheinlich die Hälfte seit Ewigkeiten nicht mehr die Hände gewaschen hat. Da ist das jetzt geradezu harmlos. Meine Mutter sieht das anders. »Wir stürzen ab«, stellt sie mit der Schicksalsergebenheit einer Ziege...



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