Schröder | Systemische Seelsorge praktisch | Buch | 978-3-86827-541-4 | www2.sack.de

Buch, Deutsch, 223 Seiten, GB, Format (B × H): 139 mm x 211 mm, Gewicht: 357 g

Schröder

Systemische Seelsorge praktisch

Im Spannungsfeld zwischen sichtbarer und unsichtbarer Wirklichkeit
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86827-541-4
Verlag: Francke-Buch GmbH

Im Spannungsfeld zwischen sichtbarer und unsichtbarer Wirklichkeit

Buch, Deutsch, 223 Seiten, GB, Format (B × H): 139 mm x 211 mm, Gewicht: 357 g

ISBN: 978-3-86827-541-4
Verlag: Francke-Buch GmbH


Dieses Seelsorgebuch verbindet praktisch-theologische Gedanken mit einem systemischen Ansatz. Die theologischen, psychologischen und neurobiologischen Grundlagen werden mit zahlreichen Beispielen unterlegt. Fälle aus der Praxis illustrieren die vorgestellten systemischen Interventionen und Methoden. Die Autorin schöpft aus ihrem reichen Erfahrungsschatz und erläutert sowohl für spontane alltägliche als auch für geplante Gesprächsprozesse praktische Vorgehensweisen.

Ein Buch für Laien und Profis, das den Spannungsbogen zwischen psychologischer Wirksamkeit und göttlicher Möglichkeit aufrechterhält.

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Los geht’s: Eine inhaltliche Einleitung

Noch einmal ein kurzer Blick zurück in den Flur.

„Tschüss, mein Süßer, bis später.“

Die Augen meines Katers sind voller Empörung. Schon wieder gehe ich weg in dieses unbekannte Reich hinter der Tür, ohne auch nur daran zu denken, ihn mitzunehmen. Wohnungskatzen haben es wirklich schwer! Denn hinter dieser Tür warten jede Menge Ressourcen, die erkundet und erorbert werden wollen: neue Räume, Gerüche, Abenteuer, Verstecke, Spiel- und Spaßmöglichkeiten, Begegnungen und anderes mehr. Die Welt meiner Katzen ist begrenzt, hinter der Wohnungstür ist Schluss – meistens jedenfalls. Sie kennen keine Züge oder Flugzeuge, sie wissen nicht, was Hunde oder Meerschweinchen sind oder wie ein Garten aussieht. Sie leben in ihrem System: Schwester, Bruder, Frauchen und manchmal auch mit Besuch.

Doch ihr kleines Revier ist von einem viel größeren System umgeben, das sie nur erahnen können. Wollte ich ihnen das erklären, müsste ich die Katzensprache lernen oder besser noch: Katze werden. Trotzdem: Wie erklärt eine Katze einer anderen, was ein Flugzeug ist? Ein schwieriges Unterfangen! Wie erzählt sie davon, dass unser Haus in einem Stadtbezirk liegt, der zu Berlin gehört, Berlin wiederum zu Deutschland, zu Europa, zur Erde, zum Sonnensystem, zum Kosmos? Doch das ist noch nicht alles! Denn die Rede ist immer noch von dem großen System der sichtbaren Welt.

Auch wenn der Vergleich etwas hinken mag – unser sichtbarer Kosmos hat eine „Wohnungstür“, hinter der sich das gewaltige System der unsichtbaren Welt für uns verbirgt. Wir erahnen unendliche Ressourcen, die unerschöpflich sind, doch wenn wir manchmal einen Blick auf die andere Seite der Tür werfen dürfen, können wir nicht beschreiben, was wir gesehen haben. Bilder in manchen prophetischen Büchern der Bibel oder in der Offenbarung machen deutlich, dass wir für die Wirklichkeit der unsichtbaren Welt keine Worte finden. Es musste jemand aus eben dieser unsichtbaren Wirklichkeit in unser System kommen, der uns etwas von dem erklärt, was sich hinter dieser Tür befindet: Genau dazu ist Jesus Mensch geworden.

Wenn von einer systemischen Seelsorge die Rede ist, dann geht es darum, seelsorgliches Reden und Handeln in Beziehung zu setzen zu den Systemen, in denen wir leben. Dabei ist jedes System in einen größeren Kontext, in seine Umwelt, eingebettet. Der größte Kontext für das gesamte System der sichtbaren Welt ist die unsichtbare Welt, die wie eine Folie den Hintergrund für alles bildet, was existiert. Das In- und Miteinander von sichtbarer und unsichtbarer Welt, die immanente und die transzendente Komponente also, entfaltet den Spannungsbogen, innerhalb dessen Seelsorge geschieht.

Dieser Spannungsbogen findet sich z.B. als eines der Hauptthemen des Hebräerbriefs, der in der „Ouvertüre“, d.h. in den ersten vier Versen dieses Briefes bereits angerissen wird:

„Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat. Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name.“ (Hebr 1,1–4)

Diese Ouvertüre besteht aus zwei Hauptthemen. Zunächst beschäftigt sich der Verfasser damit, dass unsere Endlichkeit mit der Ewigkeit zeitlich verschränkt ist. Jesus Christus ist der, der zu Beginn unserer Zeit die Welten gemacht hat, und derselbe, der am Ende der Zeiten alles erben wird. Alles, das bedeutet das Komplettpaket, also auch Sie und mich. Gott redet nicht durch einen neuen Propheten, der in Raum und Zeit gefangen ist, sondern durch seinen Sohn, der schon vor unserer Zeitrechnung da war, jetzt da ist und auch nach unserer Zeitrechnung immer noch da sein wird. Der bedrängte Christ hört: Gott hat seit jeher auf äußerst kreative Weise zu den Menschen geredet, aber jetzt redet er durch seinen Sohn. Ewigkeit bricht in unsere Zeit ein und setzt ihr doch Grenzen, indem sie sie umfängt.

Das zweite Hauptthema spannt den Raum auf, in dem Gott den Menschen begegnet. Jesus Christus tritt aus der unsichtbaren Welt in die sichtbare Welt, um uns aus der sichtbaren Welt in der unsichtbaren Welt zu verankern. Zunächst heißt es, dass Jesus Christus Abglanz oder Ausstrahlung von Gottes Herrlichkeit ist. Gott legt in seinen Sohn, der unsere sichtbare Welt betritt, seine ganze Herrlichkeit hinein. Das Wort Herrlichkeit könnte auch mit „Schwere“ oder „Bedeutung“ übersetzt werden. Der Sohn Gottes strahlt die ganze Bedeutung, die ganze Schwere Gottes aus und zwar vollständig.

Wir finden dieses Wort in seiner Bedeutung übrigens auch in einer anderen Eltern-Kind-Beziehung, nämlich im 4. Gebot. Da heißt es, dass wir Vater und Mutter ehren sollen. Von der Wortbedeutung besagt das Gebot letztendlich, dass Vater und Mutter so viel Ehre bekommen sollen, wie sie in unserem Leben Bedeutung hatten bzw. uns heute bedeuten. Für die seelsorgliche Praxis kann das heißen, dass ein Ratsuchender, der z.B. in seiner Kindheit emotionalen Missbrauch erlebt hat, seinen Eltern nur die Bedeutung zuzumessen braucht, die sie in seinem Leben eingenommen haben. Und weil hier Eltern ihrer Verantwortung gegenüber ihrem Kind wenig gerecht geworden sind, sie also mit ihrem Kind kaum deckungsgleich sind, hat er die Freiheit, seinen Eltern auch jetzt weniger Bedeutung einzuräumen. Für Betroffene ist diese Auslegung eine große Entlastung, die ihnen jeglichen Druck nimmt. Bei Jesus ist die Beziehung zum Vater eine andere: Sie sind vollkommen eins und deshalb trägt er die vollkommene Schwere Gottes mit sich.

Jesus Christus ist daneben auch Ebenbild oder Abdruck von Gottes Wesen. Das Bild, das hier verwendet wird, ist das einer Totenmaske. Wenn jemand gestorben war, dann wurde das Gesicht eingefettet, sodass mithilfe einer dünnen Wachs- oder Gipsschicht ein negativer Abdruck genommen werden konnte. Wenn man sorgfältig arbeitete, konnten so alle Gesichtsfurchen abgebildet werden. Das Gesicht des Toten wurde also sozusagen auf der Totenmaske eingefurcht. Und genauso ist das Wesen Gottes auf dem Gesicht von Jesus eingefurcht gewesen. Vor einigen Jahren war in der Zeitung zu lesen, dass der vermeintliche Kopf von Johann Sebastian Bach ausgegraben und mit einer Computertomografie vermessen wurde. Plötzlich war es möglich, anhand der Daten das Gesicht von Bach so abzubilden, wie es tatsächlich ausgesehen hat. Wenn man heute den Hebräerbrief modern übersetzen wollte, könnte es also heißen:

„Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und die Computertomografie seines Wesens.“

Jesus zeigt in der sichtbaren Welt den unsichtbaren Gott.

Obwohl das so ist, hat er sich um unsere Schuld gekümmert und ist danach wieder zu Gott in die himmlischen Welten zurückgekehrt. Der Hebräerbrief legt weniger die Betonung auf Kreuz und Auferstehung, als vielmehr auf das vollbrachte Werk, das durch die Himmelfahrt Jesu vollendet wird. Christus ist zu Gott zurückgekehrt und thront dort zu seiner Rechten. Dieses Zurückkehren in die unsichtbare Welt ist nicht nur eine einfache Rückreise. Nein, was hier nur wie in einer Ouvertüre angedeutet ist, wird an anderer Stelle im Brief deutlicher entfaltet: Mit uns ist dadurch etwas Entscheidendes passiert. Jesus Christus hat durch die Rückkehr ein „Es ist vollbracht“ über unser Leben geschrieben und vertritt diese Wahrheit vehement in der himmlischen Welt. Wir sind bereits jetzt schon mit ihm aus der sichtbaren in die unsichtbare Welt versetzt und dort verankert worden. Ich erkläre das gerne so, dass über unserem Leben, über jedem einzelnen Tag der Satz „Es ist vollbracht“ steht. Auch heute. Egal, was passiert, heute ist ein Tag, der unter dem Zeichen der Vergebung steht. Über meinem, über Ihrem Leben steht „Es ist vollbracht“. Gott sieht uns jetzt ausschließlich durch seinen Sohn Jesus Christus hindurch an. Er sieht letztlich nicht mehr uns, sondern er sieht auf Jesus und der zeigt im himmlischen Heiligtum seine Hände und Füße und sagt: „Es ist alles in Ordnung, für sie und für ihn bin ich gestorben.“

Dadurch, dass Jesus Christus zur Rechten Gottes sitzt und uns dort vertritt, sind wir dort verankert. Im 6. Kapitel des Hebräerbriefes heißt es:

Diese (Hoffnung) haben wir als einen sicheren und festen Anker unsrer Seele, der auch hineinreicht bis in das Innere hinter dem Vorhang. (Hebr 6,19)

Unser Anker reicht in das himmlische Heiligtum, in die unsichtbare Welt hinein, dorthin, wo Gottes Thron steht. Wir wissen, dass jeder Anker eines Schiffes eine Ankerleine besitzt. Diese wird beim Ankern fünfmal so lang gelassen, wie das Gewässer an dieser Stelle tief ist. Das bedeutet, das Schiff kann sich ein gutes Stück vom eigentlichen Anker wegbewegen, bei Sturm wird es auch ein bisschen fester daran ziehen, aber das Schiff bleibt verankert. Genau so sind auch wir in der himmlischen Welt verankert in Jesus Christus.

Was hier durch diese beiden Hauptthemen angedeutet wird, zieht sich durch den gesamten Hebräerbrief: Die Ewigkeit umspannt Raum und Zeit und bricht, wann immer es Gott gefällt, durch sein Reden in sie ein. Sie ist nicht etwas, was irgendwann einmal sein wird, wenn wir gestorben sind, sondern sie ist jetzt! Immer wieder fordern uns die Bücher der Bibel auf, dieses Hier und Jetzt bewusst wahrzunehmen und darin zu leben.

Aus hypno-systemischer Sicht sprechen wir von der Fokussierung unserer Aufmerksamkeit. Die unsichtbare Welt ist die Folie, auf der wir unsere sichtbare Welt wahrnehmen. Jesus Christus ist aus dieser Welt in unseren Raum gekommen, um uns hier zu begegnen und uns mit hineinzunehmen in seine Welt – jetzt schon. Daraus erwächst eine große Freiheit, unser Leben in den Grenzen von Zeit und Raum zu leben.

Seelsorgliches Reden und Handeln sollte genau diese Spannung aufnehmen, dass Raum und Zeit uns zwar Orientierung geben, uns aber auch begrenzen, sodass wir nicht annähernd die volle Wirklichkeit erkennen können. Wir bleiben bei unserer eigenen Wirklichkeit stehen und es fällt uns schwer, die Wirklichkeit unseres Gegenübers wahrzunehmen und nachzuvollziehen. Darin besteht auch die Herausforderung, in die Seelsorger gestellt sind, und zugleich auch ihre Grenze. Wie viel schwerer gelingt es uns, etwas von der Wirklichkeit, die Gott sieht, wahrzunehmen. Doch gibt er uns genau darin frei, denn durch Jesus Christus steht das „Es ist vollbracht“ bereits über unserem Leben. In dieser Spannung, verhaftet zu sein in der eigenen Wirklichkeit und doch mit einer anderen Wirklichkeit zu rechnen, ohne letztlich Gott in die Karten schauen zu können, sollte sich Seelsorge in allen Fragestellungen bewegen, ohne dabei die Spannung aufzulösen. Zu einem Glauben in diesem Spannungsfeld lädt u.a. der Hebäerbrief ein und an ihm und an anderen Büchern der Bibel entlang entfalten sich die vorliegenden theologischen Erwägungen einer hypno-systemisch und lösungsfokussiert orientierten Seelsorge.


Dr. Sabine Schröder ist Theologin, systemische Seelsorgerin, Coachin und Traumatherapeutin (HP) in Berlin. Die frühere Lehrerin schreibt Artikel, Schul- und Fachbücher, hält Seminare und bietet pferdegestützte Führungskräfte- und Mentaltrainings an.



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