Schröder | Kerzenschein und Tannenduft | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Schröder Kerzenschein und Tannenduft

Stimmungsvolle Geschichten für die schönste Zeit des Jahres
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7751-7458-9
Verlag: SCM Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Stimmungsvolle Geschichten für die schönste Zeit des Jahres

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-7751-7458-9
Verlag: SCM Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Draußen legt sich sanft der Schnee auf die Welt. Drinnen duftet es nach Plätzchen, Zimt und Tee. Das Kaminfeuer knistert. Am Weihnachtsbaum leuchten die Kerzen. Zeit für die Weihnachtsgeschichten aus diesem Buch. Ursula Schröder nimmt den Leser mit hinein in die schönste Zeit des Jahres. Heiter, besinnlich und voller Weihnachtszauber.

Ursula Schröder arbeitet nach einem Lehramtsstudium und vielen Jahren als Angestellte in einem mittelständischen Unternehmen inzwischen freiberuflich als PR-Texterin und Romanautorin. Sie ist Mitglied einer evangelischen Freikirche im Sauerland und engagiert sich im Vorstand des sozialen Bürgerzentrums ihrer Heimatstadt. Sie ist verheiratet und hat 3 erwachsene Kinder.
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[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Fliegen auf Erden


Lesezeit: ca. 7 Minuten


Unsere Eltern waren ein liebevolles Paar, das es grundsätzlich schaffte, nach christlichen Grundsätzen zu leben und Meinungsverschiedenheiten in Ruhe zu klären. Nur wenn es um den Mantel ging, wurde es schwierig.

Der Mantel (einer näher eingrenzenden Beschreibung bedurfte es bei uns zu Hause nicht) war ein dunkelgrüner Lodenmantel, den mein Vater von seinem Vater geerbt hatte. Der Stoff war von einer Qualität, die vermutlich auch eine nukleare Katastrophe überstehen würde, und nie hatte eine Motte gewagt, sich diesem Kleidungsstück auch nur zu nähern.

»Der wird mich noch überleben«, behauptete Vater und trug das Kleidungsstück nicht ohne Respekt, und wir fragten uns gelegentlich mit gemischten Gefühlen, auf wen von uns drei Kindern das traditionsreiche Stück übergehen würde.

Wenn unsere Mutter ihn nicht vorher entsorgte, denn sie hasste den Mantel von ganzem Herzen. Sie war ansonsten keine abergläubische Frau, aber sie vermutete, dass gewisse unerwünschte Eigenschaften ihres Schwiegervaters auf jede Person übergingen, die ihn trug – vornehmlich seine Unkonzentriertheit in lebenspraktischen Fragen. Opa Albrecht war in jeder Hinsicht der typische »zerstreute Professor« gewesen, eine anerkannte Koryphäe in seinem Labor, aber völlig hilflos, wenn es darum ging, die Hecke zu schneiden oder die Reifen am Auto zu wechseln. Als Vater den Mantel nach Opas Tod vom Dachboden holte, so erzählte Mutter gelegentlich, hätte sich in der Außentasche ein versteinertes Butterbrot befunden, und je nach Laune und Fantasie erweiterte sie die Beschreibung noch um Lebensmittelmarken aus der Nachkriegszeit oder ein Original-Autogramm von Justus von Liebig. Dennoch war Vater durch nichts dazu zu bewegen, das Kleidungsstück abzugeben. Gerade die Taschen mit ihrer Vielzahl und ihrem Stauraum faszinierten ihn.

»So was wird heute gar nicht mehr hergestellt«, schwärmte er. »Wer so einen Mantel hat, der braucht sonst nichts mehr an Tüten und Gedöns.«

»Dann muss ich ja aufpassen, dass ich nicht auch eines Tages darin verschwinde«, sagte Mutter und zog ein Gesicht.

»Ich weiß gar nicht, was du hast, Sonja«, meinte er verständnislos. »Ich trage den auch nur in der Freizeit. Aber er ist halt so praktisch und hält jedes Wetter ab.«

Auch wir konnten uns des Eindrucks nicht erwehren, dass der Mantel seinen Träger negativ beeinflusste. Wie anders wäre es zu erklären, dass Vater – sonst ein sehr umsichtiger Mann – Mutter im Keller einsperrte? Sie hatte ihn gebeten, den Riegel an der Kellertür festzuschrauben, und war dann in die Waschküche gegangen. Er wiederum hatte sich alle notwendigen Werkzeuge in die Manteltasche gesteckt, die Reparatur durchgeführt, den Riegel ordnungsgemäß vorgeschoben und war dann Getränke kaufen gefahren. Als wir Mutter eine Stunde später vermissten und befreiten, war sie verständlicherweise stinksauer und rächte sich auf ihre Weise. Vater hatte sich Sauerkraut gewünscht, mit Kartoffelpüree. Aber statt die Milch, mit der sie das Püree anrührte, wie üblich mit Wasser zu verlängern, verwendete sie Rote-Bete-Saft, sodass wir eine rosafarbene Pampe auf dem Teller hatten.

»Was ist denn das?«, fragte er irritiert.

»Ich weiß auch nicht«, antwortete sie mit gespielter Unschuld. »Vielleicht ist es Kartoffelbrei, vielleicht auch Einhorn-Kotze. Ich kann es nicht sagen, ich war ja im Keller eingesperrt.«

Wir Kinder fanden es ziemlich lustig, Vater hingegen musste sich sehr überwinden, daraufhin seinen Teller leer zu essen, wie er es immer von uns verlangte. Aber da er sich weigerte, einen Zusammenhang zwischen dem Vorfall und dem Mantel herzustellen, änderte das nichts an seiner Liebe zu dem guten Stück.

Bis zu dem Weihnachtsfest mit den Fliegen. Schon im Vorfeld hatte Mutter ihn erinnert, neue Birnchen für die Weihnachtsbaumbeleuchtung zu besorgen. Bei uns war es üblich, den Baum bereits am vierten Advent aufzustellen und zu schmücken, weil unser Programm am Heiligabend dafür nicht genügend Zeit ließ, und so begann sie um den zweiten Advent herum mit den Vorbereitungen. Dazu gehörte das Überprüfen der Lichterkette, die nur brannte, wenn alle Lämpchen intakt waren.

»Wo sind die Ersatzbirnchen, Rudi?«, fragte sie Vater.

»Die habe ich gestern mitgebracht«, sagte er. »Vermutlich liegen sie auf dem Schränkchen im Flur.«

»Da liegen sie nicht«, widersprach Mutter. »Und in der Kiste mit der Weihnachtsdeko sind sie auch nicht.«

»Ich könnte schwören, dass ich im Baumarkt welche gekauft habe«, versicherte Vater. »Aber ich kann auch morgen noch mal welche holen.«

Eine Woche später fragte sie erneut nach den Birnchen. Und wieder behauptete Vater, er hätte längst welche besorgt, die sich dann aber nicht auffinden ließen. Schließlich war Mutter so entnervt, dass sie sich selbst auf den Weg machte und Ersatzbirnchen kaufte, denn inzwischen war es höchste Zeit – und ein Baum ohne Lichter, das ging schließlich gar nicht.

Die Sache ging aber nicht ganz spurlos an der ehelichen Stimmung vorbei, zumal auch mein Vater plötzlich begann, die ganze Wohnung abzusuchen. Das Schränkchen im Flur wurde beiseitegerückt, der Kleiderschrank durchwühlt, mit einem Besenstiel unter den Schränken gestochert.

»Was machst du da, Rudi?«, fragte Mutter argwöhnisch, als sie ihn dabei überraschte.

»Ich? Äh – nichts«, stotterte er. »Ich suche meine Lesebrille.«

»Unter dem Gläserschrank?«, fragte sie und zog sie mit einer eleganten Bewegung aus seiner Hemdtasche. »Hier, bitte sehr. Vielleicht findest du ja nun auch die Weihnachtsbaum-Birnchen, die du gekauft hast.«

»Hör auf, auf mir rumzuhacken«, knurrte er. »Ich habe welche gekauft. Glaub es mir einfach.«

»Und wo sind sie dann?«

Darauf hatte leider keiner von uns eine Antwort.

Der vierte Advent kam, und wir stellten den Weihnachtsbaum auf, zum Glück und dank Mutters Eingreifen mit kompletter Beleuchtung. Die Stimmung war weiterhin kritisch. »Ich bin mir sicher, dass ich welche gekauft habe«, war Vaters Mantra. Und Mutter bemerkte dann spöttisch: »Natürlich, aber wo sind sie?«

Drei Tage später war Heiligabend. Oma wurde aus Marburg geholt, Geschenke mussten verpackt und das aufwendige Weihnachtsessen vorbereitet werden. Es war hektisch wie immer. Kurz bevor wir zum traditionellen Gottesdienst aufbrechen wollten, flog ein fetter schwarzer Brummer an uns vorbei. »Wo kommt der denn her?«, fragte Oma. »Das ist ja ungewöhnlich, mitten im Winter.«

Aber wir dachten uns noch nichts dabei.

Nach dem Gottesdienst gingen wir wie immer zu Matuschewskis, unseren Nachbarn. Seit Jahren war es üblich, dort ein Glas Sekt zu trinken und kleine Geschenke auszutauschen. Dann kehrten wir nach Hause zurück und deckten gemeinsam den Tisch. Inzwischen surrten schon mindestens fünf dicke Fliegen durch das Wohnzimmer.

»Das ist ja ekelhaft«, meinte Mutter. »Rudi, such doch mal die Fliegenklatsche.«

Vater tat wie geheißen und erlegte ein halbes Dutzend. Aber schon während des Essens waren genauso viele wieder da. Und als wir schließlich unsere Geschenke auspacken wollten, waren es noch deutlich mehr geworden. Ständig summte es um uns herum.

»Ich glaub das nicht«, sagte Mutter und beobachtete, wie die Biester um die Wohnzimmerlampe kreisten. »Wo kommen die bloß her?«

Wir wussten es alle nicht, deshalb machten wir erst mal Bescherung. Vater überreichte Mutter ein ziemlich großes Geschenk, was ungewöhnlich war, denn normalerweise schenkt er ihr immer Schmuck, über den sie sich auch immer freut. Deshalb riss sie etwas verwundert das Papier auseinander. »Oh, eine Kaffeemaschine!«

»Dafür macht George Clooney doch immer Werbung«, erklärte er. »Gefällt sie dir?«

»Doch, doch!«, versicherte sie. »Die ist toll.« Aber es war nicht das Leuchten in ihren Augen wie sonst, wenn sie sich die neue Kette umlegte oder das Armband, mit dem sie heimlich gerechnet hatte.

Stattdessen landete eine der dicken schwarzen Fliegen auf ihrem schmucklosen Handgelenk, und sie wedelte sie entnervt beiseite. »Das kann doch so nicht weitergehen! Rudi, was können wir denn tun?«

Auch Oma hatte sich das mit den Fliegen längere Zeit angesehen und sagte: »Die kommen aus dem Weihnachtsbaum.«

»Aus dem Weihnachtsbaum?«, riefen wir ungläubig.

Sie nickte. »Natürlich! Offensichtlich habt ihr einen Baum erwischt, in dem Fliegenlarven stecken. Und nach ein paar Tagen in der warmen Wohnung dachten die, es ist Frühling, und sind geschlüpft.«

»Igitt!« Wir starrten unseren Christbaum an – mit deutlich weniger Begeisterung als vorher. Mutter sprach aus, was wir alle dachten: »Der Baum muss weg.«

Gesagt, getan. Gemeinsam pflückten wir die Kugeln und die Beleuchtung aus den Zweigen, immer von Fliegen umsurrt, und dann warf sich Vater mal wieder in seinen geliebten Mantel, zog sich Handschuhe an und trug den Baum nach draußen. Der hatte noch keine Zeit gehabt, Nadeln abzuwerfen, insofern ging das Aufräumen schnell, und irgendwann hatten wir auch alle Fliegen erwischt. Dann klingelte es an der Haustür.

Ich ging aufmachen. Es war Vater. »Komisch«, sagte er. »Ich war mir sicher, ich hätte den Haustürschlüssel eingesteckt.«

»Das hast du auch«, sagte Mutter. »Ich habe es selbst gesehen.«

Er griff kopfschüttelnd noch mal in die Manteltasche. Ganz tief. »Oh«, sagte er. »Da ist ein Loch.«

»Gib mal her«, forderte Mutter. Sie nahm den Mantel und schüttelte ihn. Etwas klimperte. Auch...


Schröder, Ursula
Ursula Schröder arbeitet nach einem Lehramtsstudium und vielen Jahren als Angestellte in einem mittelständischen Unternehmen inzwischen freiberuflich als PR-Texterin und Romanautorin. Sie ist Mitglied einer evangelischen Freikirche im Sauerland und engagiert sich im Vorstand des sozialen Bürgerzentrums ihrer Heimatstadt. Sie ist verheiratet und hat 3 erwachsene Kinder.

Ursula Schröder arbeitet nach einem Lehramtsstudium und vielen Jahren als Angestellte in einem mittelständischen Unternehmen inzwischen freiberuflich als PR-Texterin und Romanautorin. Sie ist Mitglied einer evangelischen Freikirche im Sauerland und engagiert sich im Vorstand des sozialen Bürgerzentrums ihrer Heimatstadt. Sie ist verheiratet und hat 3 erwachsene Kinder.



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