Schreiber | Das Unternehmen Swarovski im Nationalsozialismus | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 33, 176 Seiten

Reihe: Studien zu Geschichte und Politik

Schreiber Das Unternehmen Swarovski im Nationalsozialismus


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7065-6449-6
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 33, 176 Seiten

Reihe: Studien zu Geschichte und Politik

ISBN: 978-3-7065-6449-6
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
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Die NS-Geschichte des Unternehmens Swarovski und ein tiefer Einblick in den Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten in der Nachkriegszeit. Das Unternehmen Swarovski förderte politische Organisationen, die einen Führerstaat zum Ziel hatten. Alfred Swarovski war Leiter der Gauwirtschaftskammer Tirol-Vorarlberg, Daniel Swarovski 'Ehrenillegaler' der NSDAP, Friedrich Swarovski jun. ein Denunziant. Wilhelm, Manfred, Friedrich und Sohn sowie Daniel jun. traten bereits 1932/33 der Partei bei. Das Unternehmen überprüfte seine Belegschaft politisch ganz genau und führte in ihrer Personalkartei Buch, wer wann NSDAP-Mitglied wurde und in welcher Funktion. Das Militär finanzierte den Umbau der Firma zu einem profitablen Rüstungsbetrieb. Ihr Gesamtumsatz verdoppelte sich 1944 im Vergleich zu 1937. In der unmittelbaren Nachkriegszeit konnte das Unternehmen Schleifmittel, Optik und Rückstrahler in neue Betriebe auslagern: Die Swarovski-Gruppe entstand. Nach 1945 vertraten die Firmeninhaber die Ansicht, dass es für einen Unternehmer Pflicht war, im Interesse des Betriebs Mitglied der NSDAP zu sein und sich allen Machtverhältnissen anzupassen. Die Entnazifizierung der Familie Swarovski ist ein repräsentatives Beispiel für den nachsichtigen Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten aus der Wirtschaftselite, die über einflussreiche Netzwerke verfügten und für den Wiederaufbau unentbehrlich waren.

Horst Schreiber, Mag. phil., Dr. phil., Dozent am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck; Lehrer für Geschichte und Französisch am Abendgymnasium Innsbruck; Leiter von erinnern.at Tirol, Institut für politisch-historische Bildung über Holocaust und Nationalsozialismus des BMBWF; Obmann der Michael-Gaismair-Gesellschaft, Herausgeber der Studien zu Geschichte und Politik sowie der Reihe Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern; Mitherausgeber der Gaismair-Jahrbücher und der sozialwissenschaftlichen Reihe transblick. www.horstschreiber.at; www.erinnern.at; www.heimkinder-reden.at
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Innovativer Unternehmergeist, politisch autoritäre Gesinnung: 1891–1938


Daniel Swarovski, geboren am 24. Oktober 1862 in der überwiegend von Deutschböhmen besiedelten Ortschaft Georgenthal (Jiretín pod Bukovou)1 nahe Gablonz an der Neiße (Jablonec nad Nisou) im heutigen Tschechien, beherrschte das Handwerk der Glasschleiferei. Er war in einem Zentrum der Glasschleifmanufakturen aufgewachsen, hatte den Beruf eines Gürtlers erlernt, war ein vielseitig ausgebildeter Metallhandwerker und übte sich auch im Beruf des Werkzeugmachers. Als Kind konnte er in der Werkstätte seiner Eltern die Arbeitsprozesse bei der Herstellung von Schmuck- und Glassteinen beobachten, als Erwachsener arbeitete er in der kleinen Glasschleiferei von Mutter und Vater.2

In Paris und Wien sammelte Daniel Swarovski berufliche Erfahrungen und lernte technische Neuerungen kennen, vor allem die Möglichkeiten von Strom als Antriebskraft für den Maschinenbetrieb.3 Früh beschäftigte er sich mit der Galvanisierung, der Nutzung von Strom, um Materialien mit Metall zu beschichten. 1883 übersiedelte er mit seiner Familie nach Böhmisch Wiesenthal (Ceský Wiesenthal). Dort arbeiteten die Swarovskis mit Eduard Weis und dessen Familie zusammen und lieferten genieteten Glasschmuck an Gablonzer Exporteure. Nach erfolgreichen Versuchen mit Glasdünnschliff machten sich Weis und Swarovski selbstständig. Die Herstellung genieteten Glasschmucks war nun veraltet, dafür war die Nachfrage nach Glasdünnschliffartikeln überwältigend. Die Firma Eduard Weis und Co. exportierte ohne Umwege direkt nach Paris. 1886 mietete sie eine kleine Fabrik im Dörfchen Johannesthal (Janov) bei Reichenberg (Liberec).4 Das Verfahren „zur Herstellung dünnwandiger durchbrochener Glaszierate“ wurde 1887 auf Eduard Weis, Graveur in Wiesenthal, patentiert, 1889 auf Daniel Swarovski in Gablonz.5

Am 8. Oktober 1887 heiratete Daniel Swarovski Marie, die Tochter von Eduard Weis,6 dessen Sohn Franz ehelichte Swarovskis Schwester Anna. Diese Form der beruflichen und privaten Verflechtungen wurde auch in der Enkelgeneration gepflegt. Zwischen 1888 und 1891 kamen die Söhne des Ehepaares Swarovski fast im Jahrestakt zur Welt: Wilhelm, Friedrich und Alfred. Gemeinsam erzeugten die Familien Swarovski und Weis mit rund 70 Arbeitskräften Hutnadeln und Broschen. Dann die jähe Unterbrechung des wirtschaftlichen Aufstiegs: Der Absatz stockte, die Produkte der Firma gerieten außer Mode und die Familien traf mit dem Tod von Eduard Weis ein schwerer Schlag. Daniel Swarovski sah sich gezwungen, 1889 eine Stellung als technischer Berater in der Firma Gustav Strauß & Co. anzunehmen, einem der größten Exporthäuser von Gablonz. Seine Schwäger Robert, Emil und Franz Weis arbeiteten im nunmehr stark verkleinerten Betrieb zu zehnt weiter.7 Darüber hinaus musste Swarovski sein Patent für das Verfahren „zur Herstellung von durchbrochenen Glasverzierungen“ 1890 vollständig der Firma Gustav Strauß & Co. übertragen.8

1891 kehrte Swarovski mit seiner Familie von Gablonz zurück nach Johannesthal. Mit Franz Weis als stillem Teilhaber und seinem Pariser Kunden und Gablonzer Exporteur, dem Modefabrikanten Armand Kosmann, als Kapitalgeber gründete Daniel Swarovski einen Betrieb der Steinschleiferei, der auf den Namen A. Kosmann eingetragen wurde. Kosmann war der kaufmännische Leiter, Swarovski der technische, mit seinem Schwager an der Seite.9 Die Brüder Kosmann hatten im jüdischen Viertel Marais, Boulevard (Rue) du Temple, ein Warengeschäft, zeitweilig eine Niederlassung in London.10 Kosmann war 1888 mit einer Firma in Reichenberg eingetragen als „A. Kosmann, Kaufmann in Gablonz“, am 15. Dezember 1895 wurde sie von „‚A. Kosmann‘, Kaufmannsgeschäft, früher in Gablonz, dermal in Johannesthal“, gelöscht.11

Daniel Swarovski und Franz Weis entwickelten einen mechanischen Apparat zum Schleifen von Glas, Edelsteinen und Perlen. 1891 patentierten sie in Prag die automatische Präzisionsschleifmaschine. Armand Kosmann besaß den Hälfte-Anteil, je ein Viertel hielten Swarovski und Weis.12 Mit dem neuen Schleifapparat konnten Glaskristallsteine in Brillantschliff maschinell in einer Qualität hergestellt werden, die der handverarbeitenden Konkurrenz in nichts nachstand. Die Massenproduktion machte sie jedoch deutlich kostengünstiger. Die Güte und der Preis der mechanisch geschliffenen Schmucksteine waren unschlagbar, die Nachfrage enorm und der Betrieb zu klein, um den Bedarf zu decken und die Aufträge abarbeiten zu können. Der Ausweg war, das Unternehmen weit entfernt vom bisherigen Standort fortzuführen.

Die „Glasschleiferei Wattens, A. Kosmann, D. Swarovski & Co“


Um ihren technologischen Vorsprung zu behaupten und die bis dahin in Handarbeit ausgeübte Bearbeitung von Glas in großem Stil maschinell betreiben zu können, transferierten die Familien Swarovski und Weis die Glasschleiferei „A. Kosmann“ am 2. Oktober 1895 mit wenigen Mitarbeitern13 ins Oberdorf nach Wattens. Die Unternehmensgründer waren der Finanzier Armand Kosmann sowie Daniel Swarovski und Franz Weis, untereinander familiär verbunden durch die Heirat mit der jeweiligen Schwester des anderen.

In dem kleinen Bauerndorf musste die Firma keine Industriespionage befürchten. Die für die Produktion notwendige Wasserkraft war reichlich vorhanden, die Bahnanbindung günstig und mit der aufgelassenen Lodenfabrik der Firma Rhomberg stand ein geeignetes Areal zur Verfügung, auf dem sich die Firma in Pacht niederlassen konnte. Die beiden Unternehmer kamen mit lediglich zwei Maschinen in Wattens an. Swarovski machte sich daher sofort ans Werk, entwarf die Teile für drei weitere Maschinen und beauftragte die Innsbrucker Firma Oberhammer mit der Ausführung.14

Die Geschäfte liefen gut, ein wirtschaftlicher Einbruch konnte rasch überwunden werden. Der Überbeanspruchung von Mensch und Maschine begegnete Swarovski mit der Neukonstruktion von Maschinenteilen und intensiveren Schulungen des Bedienungspersonals. Er verbesserte die traditionellen Schleifmaschinen und konstruierte einige Apparate, welche die Arbeitsvorgänge des Schleifens und Polierens rationalisierten. Mit diesen Innovationen und der Erfindung des ersten Kurbelapparates konnten Steine in hoher Qualität und in jeder Größe erzeugt werden. Die „Tiroler Ware“ wurde zum Begriff, die Nachfrage schnellte in die Höhe und der Kredit, den Kosmann aufgenommen hatte, konnte zurückgezahlt werden.15

Am 25. November 1901 wurde die Glasschleiferei „A. Kosmann“ Wattens ins Handelsregister des Landesgerichts Innsbruck eingetragen.16 Am 25. Mai 1904 wurde sie gelöscht und an deren Stelle die „Glasschleiferei Wattens, A. Kosmann, D. Swarovski & Co“ im Register als Kommanditgesellschaft vermerkt. Swarovski und Kosmann waren unbeschränkt haftende Gesellschafter, Franz Weis hatte als Kommanditist weit weniger Befugnisse.17 1907 eröffnete Kosmann wieder eine Firma in der Rue du Temple in Paris. Er trat als alleiniger Handelsbevollmächtigter der Firma Kosmann, Swarovski & Co auf. Ihr Markenzeichen, für das sich Daniel Swarovski entschieden hatte, war das Edelweiß.18

1896 hatte das Unternehmen in Wattens 30 männliche und weibliche Arbeiter und eine unbekannte Zahl Angestellter,19 im Jahr 1900 waren es bereits 100 Beschäftigte. Die Firma erwarb im selben Jahr nach Auslaufen des Pachtvertrages die Fabrikanlagen und die dazugehörigen Wasserrechte.20 1905 arbeiteten 220 Männer und Frauen im Betrieb,21 1907 600 bis 700 Menschen.22 In diesem Jahr erstand die Firma ein neues Fabriksgelände und das Wasserkraftwerk Außerachen im Wattental, für die Familie baute Swarovski eine standesgemäße Villa.23

Nach der Ankunft von Swarovski, Weis und Kosmann erhöhte sich die Bevölkerungszahl von Wattens zwischen 1890 und 1910 um das Zweieinhalbfache.24 Der hohe Arbeitskräftebedarf des Unternehmens führte in Wattens und Umgebung zu einem enormen Wohnungsmangel und einem außergewöhnlichen Anstieg der Mieten. Die sozialdemokratische griff die „Hausherren“ im Juni 1906 scharf an:

„Für das allerschlechteste Loch lassen sie sich Preise bezahlen, die fast an eine Großstadt erinnern. Die Arbeiter sind gezwungen, die Wohnungen um jeden Preis zu nehmen, da sie froh sein müssen, überhaupt eine solche zu erhalten. Dasselbe gilt auch für die Lebensmittel aller Art. Die überfrommen Geschäftsleute wollen bezüglich unverschämter Forderungen in keiner Weise den Hausbesitzern nachstehen, um auf jede Weise dem Arbeiter die letzten Heller aus der Tasche zu ziehen. (…) Zwar sollen von Seite der Firmen Kosmann und Swarovski und Comp. bis zum Herbst ein paar Arbeiterhäuser fertig werden, doch dürfte diesem anerkennenswerten Bemühen Einzelner kaum jene Bedeutung zugemessen werden, um eine Sanierung der miserablen Wohnungsverhältnisse zu erwarten.“25

Kritik von links war in Wattens unerwünscht. 1901 intervenierte der Pfarrer von Wattens erfolgreich gegen einen Sozialdemokraten, der „beim Fabrikanten...


Horst Schreiber, Mag. phil., Dr. phil., Dozent am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck; Lehrer für Geschichte und Französisch am Abendgymnasium Innsbruck; Leiter von erinnern.at Tirol, Institut für politisch-historische Bildung über Holocaust und Nationalsozialismus des BMBWF; Obmann der Michael-Gaismair-Gesellschaft, Herausgeber der Studien zu Geschichte und Politik sowie der Reihe Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern; Mitherausgeber der Gaismair-Jahrbücher und der sozialwissenschaftlichen Reihe transblick.
www.horstschreiber.at; www.erinnern.at; www.heimkinder-reden.at



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