Schouler-Ocak / Graef-Calliess | Interkulturelle Psychotherapie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Schouler-Ocak / Graef-Calliess Interkulturelle Psychotherapie

Migrations- und Fluchtgeschichte in der therapeutischen Arbeit
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-17-038730-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Migrations- und Fluchtgeschichte in der therapeutischen Arbeit

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-17-038730-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Unsere jeweilige Kultur beeinflusst unser Denken, Fühlen und Handeln grundlegend. Entsprechend essenziell ist die Berücksichtigung und Integration kultureller Kontexte in die psychotherapeutische Behandlung, v.a. vor dem Hintergrund der zunehmenden Diversität unserer Gesellschaft. Zudem erfordern psychische Belastungen nach Migrations- oder Fluchterfahrungen eine besondere Behandlungskompetenz. Dieses Buch sensibilisiert und vermittelt interkulturelle Fertigkeiten für die psychotherapeutische Arbeit auf wissenschaftlicher Grundlage. Es veranschaulicht zudem die störungsspezifische Psychotherapie mit Fokus auf interkulturelle Aspekte bei Psychosen, Traumata, Angst, Zwang, Sucht, Depression, Persönlichkeitsstörungen und Demenz.

Prof. Dr. med. Meryam Schouler-Ocak ist Leitende Oberärztin der Psychiatrischen Institutsambulanz in der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus und leitet den Forschungsbereich Interkulturelle Migrations- und Versorgungsforschung an der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Prof. Dr. med. Iris T. Graef-Calliess ist Ärztliche Direktorin und Zentralbereichsleitung Forschung und Lehre am ZfP Südwürttemberg, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I der Universität Ulm (Weissenau) in Ravensburg, sowie Leiterin der Forschungsgruppe Soziale und Transkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität Ulm (Weissenau). Mit Beiträgen von: Meryam Schouler-Ocak, Iris T. Graef-Calliess, Tugba Agar, Umut Altunöz, Hans-Jörg Assion, Eva Janina Döring-Brandl, Fabienne Führmann, Babette Gekeler, Stefan Gutwinski, Andreas Heinz, Fatma Karacakurtoglu, Elif Kirmizi Alsan, Eckhardt Koch, Wielant Machleidt, Vera Mohwinkel, Carla Lou Morgenroth, Oliver Razum, Marcel Sieberer, Nikolaos Tsamitros, Bianca Ueberberg und Johanna G. Winkler.
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Einleitung


Meryam Schouler-Ocak und Iris Tatjana Graef-Calliess

Der inhaltliche Entstehungsprozess dieses Buches zur interkulturellen Psychotherapie im Migrationskontext wurde begleitet von einer fachlichen Diskussion bezüglich der Bezeichnung der von uns adressierten Menschen. Bis vor einigen Jahren war der Begriff des Migrationshintergrunds in diesem Kontext allgemein geläufig. Er schloss Personen ein, die entweder selbst außerhalb von Deutschland geboren waren oder mindestens ein Elternteil hatten, auf das dies zutraf. Die von der Bundesregierung eingesetzte Fachkommission Integrationsfähigkeit (IF) sowie die Integrationsministerkonferenz (IntMK) empfehlen mittlerweile allerdings, von der Nutzung dieses Begriffs Abstand zu nehmen. Während die Fachkommission IF dazu rät, für die statistische Erfassung vorerst die Bezeichnung »Menschen mit Einwanderungsgeschichte und deren direkte Nachkommen« zu verwenden, möchte die IntMK terminologisch künftig zunächst von »Menschen mit Migrationsgeschichte« sprechen. Kritikpunkte am Begriff Migrationshintergrund sind mitunter die Subsummierung äußerst heterogener individueller Erfahrungen unter einem globalen Sammelbegriff und die künstliche Migrantisierung von Personen, die selbst in Deutschland geboren wurden und somit keine persönliche Migrationserfahrung gemacht haben. Obwohl ursprünglich eingeführt als Ausweitung der dichotomen statistischen Erfassung »deutsch/nicht-deutsch« (im Sinne des Besitzes einer deutschen Staatsbürgerschaft), wurden Informationen unter Bezugnahme auf die Kategorie des Migrationshintergrunds gesellschaftlich weiterhin »im Kontext der ›Ausländerthematik‹ rezipiert« (Will 2022). Der Begriff Migrationshintergrund gewann so über die Jahre eine stigmatisierende Konnotation. Die Kritik geht auch dahin, dass das Kriterium »Migrationshintergrund« die »Diskriminierungsdimensionen Rassifizierung und Klassismus« maskieren könne (Will 2022). Auch wenn bereits alternative Bezeichnungen von IntMK und Fachkommission IF vorgeschlagen wurden, ist die Debatte um mögliche Alternativbezeichnungen eine fortwährend laufende.

Vor diesem Hintergrund suchten wir den Austausch mit den Autorinnen und Autoren, um eine gemeinsame Haltung bzgl. Wort- und Sprachwahl für das vorliegende Buch zu entwickeln. Uns ist wichtig hervorzuheben, dass der von uns gewählte Weg nur im Kontext des aktuellen Diskurses verstanden werden kann und keinen Anspruch auf überdauernde Gültigkeit erhebt. Die im Buch vorgestellten psychotherapeutischen Ansätze sollen grundsätzlich für die Behandlung von Patienten sensibilisieren, die vulnerabel für Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen sind. Ausgehend von diesem Grundsatz wurden verschiedene Begriffe diskutiert. Der Begriff »Migrationserfahrung« z.?B. erweist sich insofern als tendenziell ungeeignet, als dass er ausschließlich Personen einschließt, die persönlich, freiwillig oder unfreiwillig, nach Deutschland migriert sind. Breiter und inklusiver hingegen sind die Bezeichnungen »Migrationsgeschichte« und »Migrationskontext«, weswegen wir uns für die Verwendung dieser Begriffe im Buch entschieden haben. Eine differenziertere Betrachtung und Hervorhebung einzelner Migrationswege, bspw. der Fluchtgeschichte/des Fluchtkontexts, schließt dies keineswegs aus. Im Gegenteil, wir sind im interkulturellen Kontext immer gehalten, Zuschreibungen nach Möglichkeit zu vermeiden und stattdessen die subjektive (kulturelle) Identität des Einzelnen zu betrachten sowie die intersektionale Perspektive zu beachten (s.?a. Graef-Calliess & Schouler-Ocak 2017). Kolonialisierungstendenzen machen selbst vor dem Verständnis von Hirnfunktionen und psychischen Erkrankungen nicht Halt (Heinz 2023).

An einzelnen Stellen werden Sie im Buch auch weiterhin auf den Begriff »Migrationshintergrund« stoßen. Wenn in früheren Studien die o. g. Definition jenes Begriffs Einschlusskriterium bei der Datenerhebung war, kann dies nur durch die explizite Nennung deutlich gemacht werden.

Zum Abschluss ist es uns ein Anliegen darauf hinzuweisen, dass ein alleiniger Austausch der Begrifflichkeiten keinen Lösungsansatz darstellen kann, sondern sogar die Gefahr einer Problemverschiebung in sich birgt. Es bedarf substanzieller Veränderungen im gesellschaftlichen und politischen Umgang mit Migration und Flucht, um die derzeitige Situation für Personen mit Migrationsgeschichte in Deutschland im psychiatrisch-psychotherapeutischen Kontext nachhaltig zu verbessern. Wir hoffen, mit diesem Buch einen Teil zu einer solchen Veränderung beitragen zu können.

Dem letzten Stand nach weist rund jede vierte in Deutschland lebende Person eine Einwanderungsgeschichte auf (ist also entweder selbst im Ausland geboren oder hat zwei Elternteile, auf welche dies zutrifft), wobei Dreiviertel davon selbst seit 1950 nach Deutschland eingewandert ist (Statistisches Bundesamt 2023). Bezieht man sich auf die Einschlusskriterien für die vormalige Kategorie des Migrationshintergrunds, liegt die Zahl sogar bei 28,7?%. Am häufigsten haben diese Personen einen polnischen, türkischen oder russischen Migrationskontext. Globale und nationale Entwicklungen sprechen dafür, dass diese Zahl in Zukunft weiterhin ansteigen wird. Die kulturelle Diversität der in Deutschland lebenden Gesellschaft nimmt stetig zu.

Das Kernanliegen des Buches ist die Einführung in störungsspezifische Psychotherapieansätze im interkulturellen Kontext. Dazu wird sowohl für kulturell variierende Symptomkonstellationen sensibilisiert als auch auf Besonderheiten in Diagnostik und Therapie eingegangen, wobei der Schwerpunkt auf der Präsentation kulturspezifischer oder -adaptierter Therapiekonzepte liegt. Jedes Kapitel fokussiert hierbei auf ein psychiatrisches Krankheitsbild. Hinzu kommen best practice-Ansätze aus den Bereichen der interkulturellen Psychoedukation und der stationär-psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung.

Im Buchteil I werden störungsübergreifend geltende Grundlagen für die psychiatrisch-psychotherapeutische Arbeit im interkulturellen Kontext für die Leserschaft verständlich aufbereitet. Es beinhaltet Ausführungen zur Akkulturation und Identitätsentwicklung bei Migrationsgeschichte (? Kap. 1), zur Notwendigkeit von interkultureller Öffnung (? Kap. 2) und interkultureller Kompetenz (? Kap. 3) in der Behandlung sowie zur interkulturellen Kommunikation und der Arbeit mit Dolmetschenden (? Kap. 4). Zudem wird ein Überblick über grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zum Einsatz kulturadaptierter therapeutischer Verfahren gegeben (? Kap. 5).

Den Auftakt zur Vorstellung der einzelnen Krankheitsbilder im Buchteil II macht das Kapitel Wielant Machleidts zur interkulturellen psychodynamischen Psychosen-Psychotherapie (? Kap. 6). Neben einer wissenschaftlich fundierten Kontextualisierung der Faktoren Migration und Psychose wird die therapeutische Behandlung von Personen mit Migrationsgeschichte hier exemplarisch anhand einer Kasuistik erfahrbar gemacht. Daran anschließend befassen sich Johanna Winkler und Meryam Schouler-Ocak in ihrem Kapitel umfänglich mit validierten Therapieansätzen zur Behandlung von Traumafolgestörungen bei Personen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte (? Kap. 7). Nikolaos Tsamitros und Babette Gekeler stellen in ihren Ausführungen zu Angst- und Zwangserkrankungen neben kultursensiblen Ansätzen verschiedener Therapieschulen auch kulturspezifische Ausdrücke der Psychopathologie von Angst und Zwang, sog. culture-bound syndroms, vor (? Kap. 8). Die Autoren Carla Lou Morgenroth, Stefan Gutwinski und Andreas Heinz explizieren zu berücksichtigende Faktoren hinsichtlich der Ätiologie und anschließenden Behandlung von Suchterkrankungen bei Personen mit Migrationsgeschichte und werfen darüber hinaus einen Blick auf die Kultursensibilität des deutschen Suchthilfesystems (? Kap. 9). Den engen Zusammenhang zwischen psychischem und körperlichem Erleben zeigen Elif Kirmizi-Alsan und Ekin Sönmez Güngör in ihrem Kapitel zum Umgang mit somatischen Beschwerden im Rahmen interkultureller Psychotherapie bei Depressionen auf (? Kap. 10). Im Kapitel zu Persönlichkeitsstörungen heben die Autoren Marcel G. Sieberer, Fabienne Führmann und Iris Tatjana Graef-Calliess die zentrale Bedeutung des kulturellen Umfelds bei der Herausbildung der menschlichen Persönlichkeitsstruktur hervor und sensibilisieren für die Gefahr von Fehldiagnosen aufgrund falsch eingeordneter kultureller Einflussfaktoren (? Kap. 11). Auf die besondere Relevanz kulturfairer, sprachunabhängiger Diagnostik beim »Vergessen in der Fremde«, d.?h. bei der Adressierung von Demenzerkrankungen von Personen mit Migrationsgeschichte, weisen Umut Altunöz, Tugba Agar und Eva Janina Döring-Brandl in ihrem Kapitel hin (? Kap. 12).

Im abschließenden Buchteil III beschreiben Hans-Jörg Assion, Bianca Ueberberg und Fatma Karacakurtoglu Faktoren, die es bei der Vermittlung psychoedukativer Inhalte im interkulturellen Kontext zu berücksichtigen gilt, und stellen beispielhaft ein zu diesen Zwecken...


Prof. Dr. med. Meryam Schouler-Ocak ist Leitende Oberärztin der Psychiatrischen Institutsambulanz in der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus und leitet den Forschungsbereich Interkulturelle Migrations- und Versorgungsforschung an der Charité - Universitätsmedizin Berlin.
Prof. Dr. med. Iris T. Graef-Calliess ist Ärztliche Direktorin und Zentralbereichsleitung Forschung und Lehre am ZfP Südwürttemberg, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I der Universität Ulm (Weissenau) in Ravensburg, sowie Leiterin der Forschungsgruppe Soziale und Transkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität Ulm (Weissenau).

Mit Beiträgen von:
Meryam Schouler-Ocak, Iris T. Graef-Calliess, Tugba Agar, Umut Altunöz, Hans-Jörg Assion, Eva Janina Döring-Brandl, Fabienne Führmann, Babette Gekeler, Stefan Gutwinski, Andreas Heinz, Fatma Karacakurtoglu, Elif Kirmizi Alsan, Eckhardt Koch, Wielant Machleidt, Vera Mohwinkel, Carla Lou Morgenroth, Oliver Razum, Marcel Sieberer, Nikolaos Tsamitros, Bianca Ueberberg und Johanna G. Winkler.



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