E-Book, Deutsch, Band 258, 160 Seiten
Reihe: Perry Rhodan Neo
E-Book, Deutsch, Band 258, 160 Seiten
Reihe: Perry Rhodan Neo
ISBN: 978-3-8453-5458-3
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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1. Perry Rhodan Die Zentrale der SOL öffnete sich vor Perry Rhodan wie ein Amphitheater. Hochtechnologie zog sich in mehreren aufsteigenden Rängen um die Kreisarena. Unwillkürlich erwartete Rhodan, dass ein antiker Chor die Szene betrat und den Hymnus zur Freude des Gottes der Technik anstimmte. Das wäre dann wohl SENECA, dachte er. Ich hoffe nur, das wird keine Tragödie. Keine griechische und auch keine andere! Tatsächlich herrschte eine Geräuschkulisse, die an ein leise murmelndes Publikum erinnerte, bevor sich der Bühnenvorhang öffnete. Dazu kam ein ständiges Summen und Brummen, das den unzähligen Bedienholos entsprang. Nicht alles wurde von Dämpfungsfeldern abgeblockt. Mitten in der Zentrale schwebte ein riesiges Hologramm, das die Umgebung des Raumschiffs zeigte – dominiert von der dreidimensionalen, positronisch aufbereiteten Darstellung der Quantenquelle. Der monströse Anblick wirkte bedrohlich, wie ein Menetekel dessen, was kommen mochte. An der Art und Weise, wie viele der Zentralebesatzung das rätselhafte Gebilde ansahen, erkannte Rhodan, dass er keineswegs der Einzige war, der so empfand. So beeindruckend der mächtige Hantelraumer auch erschien, mit dem die Menschen das vorläufige Ziel ihrer Expedition erreicht hatten, war er doch ein weiterer Grund für Rhodans Unbehagen. Denn die SOL war ursprünglich als ziviles Generationenschiff gebaut worden und kein für exotische Regionen des Weltraums konzipiertes Spezialfahrzeug oder gar ein hochgerüstetes Kampfschiff. Ob die SOL, die er selbst erst seit Kurzem kannte, also für die anstehende Aufgabe geeignet war, darüber konnte man bestenfalls spekulieren. Und dann war da die Sache mit SENECA. Die Künstliche Intelligenz, die ursprünglich zur CREST II gehört hatte, befand sich nun an Bord der SOL. Wie dieser Transfer über zahllose Lichtjahre hinweg überhaupt hatte stattfinden können, blieb nach wie vor ein Mysterium, zu dem sich die neu etablierte Bordintelligenz offenbar nicht äußern wollte – oder konnte. Rhodan hatte mit Verwunderung registriert, dass die meisten an Bord sich schnell damit abgefunden hatten. Vielleicht war SENECAS Ruf und bereits unter Beweis gestellte Leistungsfähigkeit sogar eine Beruhigung für die Mannschaft der SOL. Selbst Thora, die ihre Vorbehalte gegenüber allzu hoch entwickelten KIs bei jeder Gelegenheit offen aussprach, hielt sich in dieser Sache erstaunlich zurück. Für Rhodan, der kaum jemanden kannte, der das archaische Tabu der Arkoniden vor Positroniken mit echtem Bewusstsein mit solcher Vehemenz verteidigte, war das beinahe unheimlich. Er ließ den Blick durch die Zentrale schweifen. Thora Rhodan da Zoltral unterhielt sich gerade mit Mai Tai Tanaka. Die zierliche Japanerin hatte ihr langes, schwarzes Haar zu etwas aufgetürmt, das Rhodan an eine eingefrorene Explosion erinnerte. Bizarre Frisuren waren Tanakas Steckenpferd, das sie kreativ pflegte. Thoras glatt zu den Schultern fallendes, arkonidentypisch weißes Haar bildete den größtmöglichen Kontrast dazu. Er bemerkte, dass Chart Deccon ihn beobachtete. Wie ein fleischiger Berg thronte der Kommandant der SOL in seinem Sessel, der ebenso wuchtig war wie er selbst. »Was ist mit Ihnen?«, erkundigte sich Deccon. »Haben Sie Schmerzen?« »Schmerzen?«, fragte Rhodan irritiert. Deccon deutete auf Rhodans Hand. Erst in diesem Augenblick fiel Rhodan auf, dass er die andere Hand dazu benutzte, um die Linke zu umfassen. Ein dumpfes Pochen zog sich bis über das Gelenk. Es war die Stelle, an der ihn vor vielen Jahren der kindliche Loower Pankha-Skrin gebissen hatte, an Bord der DONDERVAND, tief in der Southside der Milchstraße. »Eine alte Wunde, die ich mir im Omnitischen Compariat zugezogen habe«, erläuterte er leise. »Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre«, sagte Deccon. »Aber so etwas müsste bei einem Unsterblichen doch unmöglich sein, oder? Vielleicht sollten Sie Doktor Breiskoll aufsuchen?« »Nun, seit der Zellaktivator verschwunden ist, gibt es diesbezüglich kaum Gewissheiten«, antwortete Rhodan. »Zumindest Alterserscheinungen sind seit der Nonagon-Krise bei allen vormaligen Zellaktivatorträgern ausgeblieben, soweit mir bekannt ist. Ansonsten ist Ihre Frage jedoch durchaus berechtigt. Eine gewisse Unsicherheit gehört wohl mittlerweile dazu.« Er lachte kurz auf. »Und diese Bisswunde ist ohnehin etwas Besonderes. Keine Sorge, es ist zwar ... unangenehm, aber nicht wirklich schmerzhaft.« »Wie Sie meinen.« Deccon war unverkennbar nicht überzeugt. »Trotzdem: Denken Sie nicht, dass es merkwürdig ist, wenn sich diese Wunde ausgerechnet in dieser widersinnigen Umgebung zurückmeldet? Für mich wäre das ein guter Grund, mir Sorgen zu machen.« Rhodan schmunzelte. »Dazu gäbe es jede Menge Gründe, nicht wahr? Da ist dieser kleine Rückfall wohl kaum der Rede wert. Ich meine, sehen Sie sich das an.« Er deutete zum Außenbeobachtungshologramm. Der Weltraum, so normal er auf den ersten Blick zu sein schien, zeigte eine verstörende Struktur. Es erinnerte Rhodan an die Nahaufnahme einer Sonne, bei der die Granulen prominent erkennbar waren. Sie machten einen beinahe fraktalen Eindruck. Wählte man die höchste Auflösung, glaubte man sogar, weißgraue Wolkenstrukturen zu sehen oder wuselnde Insektenschwärme. Das war zumindest die von der Positronik gelieferte visuelle Interpretation der Ortungsdaten. »Als könne man die eigentliche Struktur der Raumzeit betrachten«, sinnierte Deccon. »Die Körnigkeit des Kontinuums, von der man zwar abstrakt mathematisch weiß, die man aber nie zu Gesicht bekommt. Es ist beängstigend. Wir sehen die Planck-Längen. Man sollte Planck-Einheiten nicht sehen können.« »Sie sind nicht der Einzige, den das unruhig macht, Mister Deccon«, sagte Rhodan. Unwillkürlich massierte er die schmerzende Hand. »Es ist wie ein Blick hinter den Vorhang der Existenz. Nietzsches Blick in den Abgrund, wenn Sie so wollen. In die Tiefe.« »Wenn ich wüsste, was da zurückstarrt, wäre mir wohler«, kommentierte Deccon missmutig. »Aber Tiefe ist ein guter Begriff. Das Schlimmste ist, dass ich mir unter einer Quantenquelle oder Neutern nach wie vor nichts vorstellen kann.« »Wir haben es mit Phänomenen zu tun, die im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unserer Realität bilden. Hätten Sie versucht, einem Menschen aus dem Mittelalter zu erklären, was Moleküle oder Atome sind, er hätte nicht mal die Chance gehabt, Sie zu verstehen. Elemente wären für ihn Feuer, Erde, Wasser und Luft gewesen. Vielleicht werden also unsere Nachfahren das irgendwann besser begreifen. Vielleicht muss man dazu aber auch über einen Extrasinn oder gar ein Planhirn verfügen.« »Der Haluter war vor etwa zwanzig Minuten hier«, erzählte Deccon. »Ich weiß, er ist ein friedlicher Charakter, aber ich bekomme in seiner Nähe jedes Mal eine Gänsehaut. Wenn er spricht, möchte man am liebsten taub sein ... oder schreiend weglaufen.« »Und was bekommen Sie, wenn Tro Khon auftaucht?« »Ausschlag«, antwortete Deccon trocken. »Schuppig. Von der hässlichsten Sorte. Wie ich weiß, hatten Sie in der Vergangenheit mit seinen Artgenossen intensiver zu tun – allerdings nicht zart schaumgebremst wie bei unserem Gast. Ich hätte nie gedacht, dass eine Depression einmal positive Eigenschaften haben würde. Bis ich feststellen durfte, dass nur eine Depression aus einer Bestie einen einigermaßen akzeptablen Gesprächspartner macht.« Ein spitzer Schmerz fuhr durch Rhodans Arm und ballte sich in der linken Hand zu einem zweiten Puls. Er schrie auf, wenn auch eher aus Überraschung. Alle Blicke richteten sich auf ihn. Rhodan spürte, wie er zu schwitzen begann. Die Haut allerdings blieb kalt. Seine Knie wurden weich. Verschwommen sah er Thora auf sich zukommen. Es war, als trübten Tränen seinen Blick. »Mister Rhodan«, hörte er jemanden sagen. Eine riesige Gestalt beugte sich über ihn. Deccon hatte sich aus dem Kommandantensessel gewuchtet. »Perry, was ist los?« Thoras Stimme tat seinen Ohren weh. Rhodan übergab sich. Hände und Füße fühlten sich an, als seien sie komplett gefroren. Das Gefühl in ihnen verschwand zunehmend. Übrig blieb nur der pochende Schmerz der alten Wunde. Er brachte lediglich ein heiseres Krächzen heraus. Etliche Leute umringten ihn. Er erkannte niemanden, seine Sicht war verschleiert. Ein unangenehmes Singen in den Ohren gesellte sich dazu. Alles, was er wahrnahm, war ein lautes, aber unverständliches Murmeln. Dann traten die Schemen zurück. Ein Gebilde näherte sich ihm. Erst nach einigen Sekunden erkannte er darin einen Medoroboter. Rhodan lag nun auf dem Rücken, er fühlte sich beinahe wie ein Käfer. Etwas hob ihn an, und übergangslos fühlte er sich leicht. Er projiziert ein Antigravfeld, dachte er automatisch. Gleich kommt das Prallfeld. Das Feld fixierte ihn. Er spürte, wie etwas gegen seinen Oberschenkel gepresst wurde. Der Roboter verabreichte ihm eine Injektion. Gleich darauf wurde es besser. Eine gewisse gleichgültige Euphorie stieg in ihm auf. Ein Beruhigungsmittel, erkannte er eigenartig unbeteiligt, als ginge ihn all das nichts an. »He!« Rhodan konnte die Stimme nicht zuordnen, den Kopf nicht drehen. Die Stimme klang aufgeregt ... alarmiert. Da stimmt etwas ganz und gar nicht!, ahnte er. Plötzlich spürte er Druck im Bereich des Unterbauchs, dann folgte die Empfindung von Kälte. Medoroboter konnten Operationen, die nicht allzu kompliziert waren, nach einem Standardverfahren ambulant leisten, um...