Schopenhauer / Scheglmann | Die vier Jahreszeiten. | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 168 Seiten

Schopenhauer / Scheglmann Die vier Jahreszeiten.

Ein Zyklus von Novellen.
2. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7412-5766-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein Zyklus von Novellen.

E-Book, Deutsch, 168 Seiten

ISBN: 978-3-7412-5766-7
Verlag: BoD - Books on Demand
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Johanna Schopenhauer beschreibt in der Sprache ihrer empfindsamen Zeit Liebesgeschichten in verschiedenen Lebensaltern um 1800. Untergründig liegt eine Kritik an den herrschenden Ehekonventionen und dem damaligen Hof- und Adelskodex. Der Text folgt der Buchausgabe von 1834 unter Beibehaltung von Orthographie und Zeichensetzung.

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Frühlingsliebe.


Mein Vater war ein Landprediger. O wie schön, wie unbeschreiblich lieblich lag unser Dörfchen, in einem weiten, von romantischer Gebirgswelt umgebnen Thale, am Ufer eines klaren Sees, zu welchem die Bächlein von den Bergen lustig hinabtanzten, und dessen blaue Fläche mehrere grüne Inseln belebten! Unsere Wohnung war hell, geräumig und freundlich. Sie lag mitten in einem großen Garten, voll Blumen und prächtiger Bäume, deren Gipfel mir bis in den Himmel zu ragen schienen; dunkle, schattige Laubengänge mit Reben, Aprikosen und duftendem Jelängerjelieber umgaben ihn von allen Seiten. Hyacinthen, Aurikeln, Anemonen, ein ganzes Heer bunter strahlender Tulpen schmückten im Frühlinge die Beete, nahe an dem von Säulen getragenen ländlichen Vordach unseres Hauses, um das der Epheu und die Waldrebe mit zarten Ranken sich anklammerten. Hohe Rosenstöcke mit blühenden Orangenbäumen in bunter Reihe gepaart, ließen im Sommer, wenn jene zarten Boten des Frühlings verblüht waren, uns sie nicht vermissen.

Wir waren sehr wohlhabend und wohnten im eignen, von meinem Vater selbst neu eingerichteten Hause, das zu einem ziemlich bedeutenden Gute gehörte, dessen Eigenthümer er ebenfalls war. Das Pfarrgebäude hatte er, gleich beim Antritte der Predigerstelle, dem Schullehrer eingeräumt. Ein wunderbar verflochtenes Geschick, aus welchem zuletzt eine unwiderstehliche Neigung zu einem stillen, aber dennoch der Welt nützlichen Daseyn, in unbemerkter ländlicher Abgeschiedenheit sich entwickelte, hatte im Sommer des Lebens ihn bewogen, fern von dem Lande, wo er geboren, den Stand eines Landpfarrers sich zu erwählen, und um die Stelle sich zu bewerben, die er jetzt bekleidete.

Meine fromme schöne Mutter mochte wahrscheinlich an diesem wichtigen Schritt ihres Gatten großen Antheil gehabt haben. Meine liebe, liebe Mutter! sie hieß Angelika; ich habe leider sie, und auch meinen Vater schon in meinem fünfzehnten Jahre verloren, aber ihr freundliches Bild kann keine Zeit in meinem Innern verlöschen. Nie hatte sie unser stilles Dörfchen verlassen, in welchem sie geboren war; alles, was sie je von der Aussenwelt gesehen hatte, umfaßte ein Umkreis von zwei Stunden rings um dasselbe her; was sie von höherer geistiger Bildung besaß, verdankte sie einzig und allein ihrem frühesten Freunde, meinem Vater, der mit ihrer Hand den Entschluß, auf dem Lande zu leben, auf immer ergriff.

Mein Vater war ein großer, sehr ernster, stattlicher Mann, von edelm gebietenden Ansehen. Bedeutend älter als meine Mutter, lebte er dennoch in ihr und für sie, und konnte aus liebender Sorge für die angebetete Frau sich nie dazu entschließen, das schöne Gleichgewicht ihres milden Wesens, auch nur durch die kleinste Veränderung ihrer äussern Lage zu erschüttern.

Die innige Liebe meiner Eltern, das ungewöhnlich zart Zuvorkommende in ihrem Benehmen gegen einander, ließen mich die Art ihres Verhältnisses, und auch wohl überhaupt das ganze Menschenleben auf Erden, in einem erfreulicherem höherem Lichte sehen, als mir wahrscheinlich für meine Zukunft gut gewesen seyn mag. Ich wuchs in einem vollkommen ideal gehaltnen Daseyn auf, ohne von der übrigen Welt und ihren beengenden kleinlichen Rücksichten und Konvenienzen das Mindeste gewahr zu werden. Meine Eltern hatten durchaus keinen Umgang, weder mit den Pfarrern noch den Gutsbesitzern in der Nachbarschaft. Die isolirte Lage unseres Dörfchens trennte uns ohnehin um mehrere Meilen von allen. Zu uns kam Niemand, ausser Unglückliche, die bei meinem Vater Hülfe suchten und erhielten, und dann die Bewohner unseres Dorfes, und der ländlichen Hütten, längst dem reich angebauten Ufer unseres Sees, deren Knaben meine Spielkameraden waren.

Wer wäre so arm, daß er nicht gern der Tage seiner Jugend gedächte, und bei der Erinnerung an sie mit gerührtem Gemüthe verweilte? Die meinige aber war ein reiner Abglanz des Himmels, viel zu reich, um der Vorhof eines beschränkten Menschenlebens zu seyn. Sie steht von meinen übrigen, ihr folgenden Jahren ganz abgesondert und in sich vollendet da, ein leuchtender herrlicher Stern, zu dem ich noch immer voll Sehnsucht zurückblicke. Soll ich, mein Freund, den lieblichsten seiner Strahlen dir näher zu leiten versuchen?

Mein vierzehnter Geburtstag war angebrochen, und um ihn nach meiner Art recht fröhlich zu begehen, suchte und erhielt ich die Erlaubniß, ganz allein mit mir selbst, schon am frühen Morgen, auf eine Entdeckungsreise auszuziehen. So nannte ich die Spaziergänge, auf denen ich, seit ich ein wenig herangewachsen war, mich ganz planlos, ohne Führer und bestimmten Zweck, in dem nahen Gebirge vertiefen durfte, zuweilen fünf bis sechs Stunden weit von meinem väterlichen Dache. Mein Vater erlaubte gern und ohne Sorge um mich, mir diese Freude, weil es, wie er sagte, dem Knaben gut sey, wenn er früh lerne, die eigne, von Gott ihm verliehene Kraft zu üben, und sich in mißlichen Lagen zu helfen. Meine gute Mutter blickte freilich mir anfangs ein wenig ängstlich nach, wenn ich so allein auszog, meinen kleinen Tornister auf dem Rücken. Nachdem sie mich aber mehreremale, und immer gesund und froh wiederkehren gesehen hatte, ergab sie sich endlich darein; gewöhnte sich daran, mich ohne Aufsicht und Schutz auswandern zu lassen, versäumte aber nie, mir viel Warnungen vor möglicher Gefahr mit auf den Weg zu geben, die ich mit kindlichen herzlichen Liebkosungen erwiederte, mir aber gewöhnlich aus dem Sinn schlug, ehe ich noch von unserm Hofe herunter war.

Bei diesen kleinen Fußreisen war ich von jeher immer gerne allein gewesen, und selbst meine liebsten Spielkameraden drangen vergebens in mich, sie mitzunehmen. Denn eine geheime Wunderahnung, die innre schönste Poesie eines jugendlichen Herzens, regte, mir selbst unbewußt, die lichten Strahlenflügel in meiner Brust, und trieb mich fort, weit über Berg und Thal. Ach! und an jenem Morgen, den ich mir jetzt mit Entzücken wieder heraufrufe, wie war alles so über die Maaßen herrlich und freundlich, wie war die Sonne so hell, und das Leben in mir und um mich her so klar und froh! Der unbeschreibliche, nur zu schnell schwindende Zauber des neuen frischen Jugendblickes, zeigte mir, wohin ich mich wandte, ein blühendes, an Freuden überschwenglich reiches Paradies.

Was ich längst mir vorgenommen, wollte ich diesesmal, meinem Geburtstage zu Ehren, ausführen, darum hatte ich früher als gewöhnlich mich auf den Weg gemacht. Ein seltsam gestalteter Fels auf der fernsten Seite des, unser Thal und unsern See umziehenden Gebirges, dem ich noch nie genaht, hatte schon längst den Wunsch in mir rege gemacht, ihn zu ersteigen, um zu schauen, wie wohl die hinter ihm liegende Welt aussehen möge. Um mir den Weg abzukürzen, ruderte ich mich in meinem kleinen Nachen den stillen See entlang, der im Abglanz der Morgenröthe gleich einem Meere geschmolzner Rubinen schimmerte. Ich band jenseits den Kahn am Ufer fest, und begann jetzt auf ziemlich ungebahntem Pfade aufwärts zu steigen.

Bald war der Gipfel der Felsen erreicht, den ich zum Ziele meiner Wanderung mir ersehen; er bot mir eine entzückende Aussicht über den See und dessen reich bebaute, in Frühlingspracht blühende Ufer, die ich aber von andern Punkten aus schon oft gesehen hatte. Was ich eigentlich hier suchte, einen Blick in das auf der andern Seite, jenseits der Berge liegende Thal, gewährte er mir nicht. Um diesen doch endlich zu entdecken, kletterte ich von einer Felsenspitze zur andern, durch enge Schluchten hinab, dann wieder steile Felsenspitzen hinauf, und verlief mich, ohne darauf zu achten, immer weiter und weiter. Ehe ich es gewahr geworden, hatte ein immer breiter und bequemer werdender Pfad mich aufgenommen, und endlich abwärts geführt; ich drängte durch eine Hecke mich durch, die mir im Wege stand, und sah mich plötzlich auf der durch Kunst planirten Fläche eines nicht sehr hohen Felsen, neben mir einen kolosalen Blumenkorb voll hoch aufgeschossener Blumen, dicht an diesem einen bequemen Gartensitz, von duftenden fremd blühenden Rankengewächsen umkränzt, die in den Spalten des Felsen von selbst und ungepflanzt zu wurzeln schienen. Ein sehr bequemer Pfad führte von diesem noch tiefer, zu einem wunderlieblichen Plätzchen hinab, wie ich noch keines gesehen. Ein von kunstreicher Hand zwischen den Felsengruppen in mannigfaltigen Schattirungen geordneter Kreis, herrliche Bäume, umschatteten ein Marmorbecken, aus dessen Mitte ein kristallheller Strahl des reinsten Wassers, von Regenbogenfarben umschillert, dem blauen Aether zustieg. Tausende von goldnen und silbernen Fischchen tanzten in den kleinen hellen Wellen zur Melodie des Geplätschers der fallenden Tropfen, in welches die hohen, sich wie im Gespräch gegen einander neigenden Bäume, ihr leises Geflüster mischten. Der Duft der Orangenbäume und Rosen, die hier früher als in unserem Garten blühten, stieg berauschend zu mir auf; überall standen sie, um das Marmorbecken und zwischen den Felsen, in großen Massen vertheilt, und dazwischen unzählige mir zum Theil ganz unbekannte Blumen und Blüthensträuche, so üppig, so duftend, in solch einer...



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