Schönherr-Mann | Konservative politische Philosophie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 392 Seiten

Schönherr-Mann Konservative politische Philosophie

Carl Schmitt, Leo Strauss, Voegelin, Jaspers, Jonas, Manfred Riedel
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7693-8021-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Carl Schmitt, Leo Strauss, Voegelin, Jaspers, Jonas, Manfred Riedel

E-Book, Deutsch, 392 Seiten

ISBN: 978-3-7693-8021-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
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Die politische Philosophie war bis vor wenigen Jahrzehnten primär konservativ, weil die Linke sich mit Sozialphilosophie beschäftigt. Für den Konservativismus haben Staat und Politik einen Primat gegenüber Ökonomie und Gesellschaft. Staatliche Herrschaft legitimiert sich aus dem Menschenbild der jüdisch christlichen Tradition, und zwar als eine elitär aristokratische, die heute primär von Experten vertreten wird. Dadurch wird die Beteiligung der Bevölkerung eingeschränkt, werden die Menschen nur teilweise als mündig betrachtet. Wo das fraglich erscheint, beruft sich der Konservativismus auf die hoheitliche Gewalt des Staates, die dem Staat die Entscheidung über den Ausnahmezustand zuspricht. Wie für die Sozialphilosophie erscheint der Liberalismus als der Hauptfeind, geht es dem Konservativismus darum, den Individualismus wie den Hedonismus auszuschalten.

Hans-Martin Schönherr-Mann ist Professor für Politische Philosophie an der Universität München und lehrt regelmäßig an der Universität Innsbruck. Arbeitsgebiete sind die politische Philosophie, Theorie der Bildung, der Medien, die Sprachphilosophie, Hermeneutik und Wissenschaftstheorie. Orientiert ist er am Existentialismus und an der französischen Philosophie des Wissens, der Schrift und der Sprache.

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EINLEITUNG
POLITISCHER KONSERVATIVISMUS IM 19.
JAHRHUNDERT
„Im allgemeinen lässt sich sagen, dass alle Menschen für die Monarchie geboren werden“, so Joseph de Maistre 1791, also noch bevor sich die Französische Revolution radikalisierte. Und er schreibt genauso überraschend weiter: „Diese Regierungsform ist die älteste und universellste. Vor der Epoche des Theseus war auf der Welt keine Rede von Republiken. Vor allem die Demokratie ist so selten und so vergänglich, dass man sie getrost vernachlässigen darf. Die monarchische Regierungsform ist so natürlich, dass die Menschen sie, ohne sich dessen bewusst zu werden, mit der Souveränität gleichsetzen, sie scheinen stillschweigend überein zu kommen, dass es überall dort, wo es keinen König gibt, auch keinen wirklichen Herrscher geben kann.“1 Weil es lange so war und auch an vielen Orten der Welt, muss es trotzdem nicht so bleiben. 1. Vom Monarchismus zum Konservativismus: De Maistre
De Maistre untergräbt als Monarchist den politischen Konservativismus noch in seiner Entstehungsphase und natürlich wider Willen. Wenn man aber die Monarchie als eine Herrschaft betrachtet, die nicht durch die Souveränität des Volkes begründet wird, sondern auf der anthropologischen Grundlage beruht, dass Menschen nicht gleich sind, dass soziale Differenz gerechtfertigt ist, auch nicht wie bei John Rawls gemildert werden sollte, dann ebnen sich die Unterschiede zwischen dem Monarchisten de Maistre und dem Begründer des Konservativismus im 18. Jahrhundert Edmund Burke doch ein, werden die Ideen des Monarchisten heute eher von Konservativen und von nationalistischen Denkern rezipiert. Die Ungleichheit wird für de Maistre erst in den Republiken zu einem großen Problem. So „existiert in den Republiken der Standesunterschied der Personen genauso wie in den Monarchien, aber er ist dort viel härter und beleidigender, weil er kein Gesetzeswerk ist, und weil die Volksmeinung ihn als gewöhnliche Auflehnung gegen das von der Verfassung gestattete Prinzip der Gleichheit ansieht.“2 Für Burke sollte die Demokratisierung nur vorsichtig und keinesfalls revolutionär betrieben werden, geht es darum die Gesellschaft aus den Traditionen heraus weiterzuentwickeln. De Maistre kritisiert natürlich die Aufklärer mit ihren Sozialvertragstheorien. Staaten entstehen nicht durch Vertrag - Nietzsche wird das wiederholen –, sondern durch Unterwerfung und Machtergreifung, in der denn auch die Souveränität gründet. Jede menschliche Gesellschaft bedarf des Herrschers, der die Einheit und den Zusammenhalt herstellt. De Maistre bezweifelt einen vorstaatlichen Naturzustand bzw. dementiert, dass die sogenannten Wilden richtige Menschen sind: den Menschen gibt es nur zusammen mit Staat und Gesellschaft. So antizipiert er Carl Schmitts berühmte Definition: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“3 Freilich bleibt de Maistre realistischer als Schmitt, wenn er schreibt: „Jede Art von Souveränität ist ihrer Natur nach uneingeschränkt; ob man sie auf einen oder mehrere Köpfe verteilt, ob man die Gewalten nach Belieben aufteilt oder organisiert: letzten Endes gibt es immer eine absolute Gewalt, die ungestraft Schaden anrichten kann, die also in dieser Hinsicht im wahrsten Sinne des Wortes despotisch werden kann und gegen die es kein anderes Bollwerk geben wird, als das des Aufstands.“4 Schmitt möchte dem Ausnahmezustand ein rechtliches Mäntelchen umhängen, was indes selbstwidersprüchlich wird, ist das Recht im Ausnahmezustand ja gerade aufgehoben. Dagegen schreibt de Maistre doch Klartext: Souveränität kann despotisch werden: „Die höchste Autorität kann sich ebenso wenig verändern wie veräußert werden: sie zu begrenzen heißt, sie zu zerstören. Es ist unsinnig und widersprüchlich, dass der Herrscher einen Vorgesetzten anerkennen soll.“5 Schmitt möchte die Diktatur von dem Ruf reinigen, eine Despotie zu sein. Wie für Burke gehört für de Maistre zur Herrschaft die Bindung an die Tradition, gerade auch an die religiöse. Denn die Religion verleiht der Herrschaft erst ihre höheren Weihen, die sie unangreifbar macht. De Maistre schreibt: „jede Souveränität stammt von Gott; unter welcher Form sie auch existiert, sie ist keineswegs das Werk des Menschen. Sie ist unteilbar, absolut und von ihrer Natur her unverletzbar.“6 Derart entfaltet die Monarchie einen Zauber, der den Untertan vergessen lässt, dass er sich in einer untertänigen Situation befindet, weil diese für alle anderen genauso gilt und dadurch sogar eine Art von Gleichheit herstellt, die einzig realistische Gleichheit, die jegliche Untertanen schätzen und diese vor allem von allen sozial Abweichenden verlangen: der Hass der Nazis auf Intellektuelle, Künstler und vor allem Bohemiens; heute das Bürgergeld. Durch die religiöse Untermauerung verbindet alle Untertannen ein gemeinsames Weltverständnis. Damit erkennen alle die herrschende Ordnung als göttlich an. Daran darf weder politisch noch religiös gerüttelt werden. So bemerkt Schmitt über de Maistre: „Infallibilität ist für ihn das Wesen der inappellab-len Entscheidung und die Unfehlbarkeit der geistlichen Ordnung mit der Souveränität der staatlichen Ordnung wesensgleich; die beiden Worte Unfehlbarkeit und Souveränität sind ‚parfaitement synonymes„ . Jede Souveränität handelt als wäre sie unfehlbar, jede Regierung ist absolut. (. . .) Alle anarchistischen Lehren, (. . .) drehen sich um das eine Axiom: le peuple est bon et le magistrat corruptible. De Maistre dagegen erklärt gerade umgekehrt die Obrigkeit als solche für gut, wenn sie nur besteht: tout gouvernement est bon lorsqu?il est établi.“7 Freilich kann de Maistre die Lehre von der Unfehlbarkeit päpstlicher Lehren nicht gekannt haben, wird diese erst 1870 vom Ersten Vatikanischen Konzil verkündet. Mit dem zuletzt zitierten Satz verteidigt de Maistre die despotische Herrschaft. Schmitt begeht bei seiner de Maistre-Interpretation einen zweiten Fehler, wenn er weiterschreibt: „Der Grund liegt darin, dass in der bloßen Existenz einer obrigkeitlichen Autorität eine Entscheidung liegt und die Entscheidung wiederum als solche wertvoll ist, weil es gerade in den wichtigsten Dingen wichtiger ist, dass entschieden werde, als wie entscheiden wird.“8 De Maistre braucht die Entscheidung indes nicht, weil sich der Monarch bei seinen Entscheidungen auf die Tradition berufen kann, die den Entscheidungen ihren willkürlichen Charakter nehmen: „Aber der Schöpfer der Natur hat dem Machtmissbrauch Grenzen gesetzt. Er hat gewollt, dass er sich selbst zerstört, sobald er seine natürlichen Grenzen überschreitet.“9 Schmitt braucht dagegen diese Willkürlichkeit der Entscheidung, weil er sich bewusst ist, dass es keine hinlänglichen Begründungen jenseits der Metaphysik gibt. Auch noch als Katholik ist ihm klar, dass man sich politisch nicht auf religiöse Argumente mehr verlassen kann. Für Leo Strauss verharrt Schmitt damit im Horizont des liberalen Relativismus. Strauss schreibt über Schmitt: „seine Kritik des Liberalismus vollziehe sich im Horizont des Liberalismus; seine illiberale Tendenz werde aufgehalten durch die bisher noch nicht überwundene „Systematik liberalen Denkens?.“10 Schmitt hat Platons Vorstellung eines natürlichen Guten aufgegeben, weil er erkennt, dass diese heute umstritten ist. De Maistre mit seiner religiösen Fundamentierung und Strauss mit seinem platonischen Ansatz kennen noch richtige Begründungen des Guten, die nicht relativiert werden. Daraus lassen sich wie bei Burke ein Staatsverständnis und eine Gesellschaftsvorstellung ableiten, die dem liberalen Fortschrittsverständnis und seinem egalitären Menschenbild widerstreiten, aus denen sich keine allgemein gültigen Werte ableiten lassen. Auch wenn de Maistre die Gefahr sieht, dass die Souveränität in die Despotie abgleitet, so ist für ihn die Monarchie davor durch diverse Strukturen geschützt: „Religion, Gesetze, Gebräuche und die öffentliche Meinung, Privilegien der Orden und der Körperschaften halten den Herrscher in Schranken und hindern ihn daran, seine Macht zu missbrauchen. Es ist sogar recht bemerkenswert, dass die Könige viel öfter angeklagt werden, nicht genügend Willenskraft zu haben, als sie zu missbrauchen.“11 Derart möchte de Maistre den Monarchen vor der üblen Nachrede schützen, herrschte schließlich zu seiner Zeit immer noch die weit verbreitete, aber falsche Vorstellung, dass die Macht des Monarchen absolut ist, dass es allein vom Fürsten abhängt, was im absolutistischen Staat geschieht. So legt denn Friedrich Schiller kurz vor der Französischen Revolution seinem Helden Marquis Posa die an Philipp II. von Spanen gerichteten berühmten Sätze in den Mund:...



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