Schöne | Mord oder Absicht? | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

Schöne Mord oder Absicht?

Ein Rhein-Main-Krimi
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8271-8412-2
Verlag: CW Niemeyer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Rhein-Main-Krimi

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

ISBN: 978-3-8271-8412-2
Verlag: CW Niemeyer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Mann namens Frederick Reinhardt wird ermordet. Er war eine Leitfigur der Aufgewachten, einer Gruppierung also, die sich politisch und moralisch gern über die von ihnen sogenannten Schlafschafe erhebt. Warum wird eine so noble Gestalt in den ewigen Schlaf geschickt? Musste er einen brutalen Tod erleiden, weil er edle Absichten hatte? Oder gibt es noch andere Gründe? Julia Wunder und ihr Assistent Vlassi versuchen eben das herauszufinden und befinden sich bald in einem Morast aus Verdächtigen. Nur gut, dass der Mainzer Kollege Lustig sich einen sprechenden Hund angeschafft hat. Dieser Columbo scheint mehr zu wissen ...

Lothar Schöne, geb. in Herrnhut, arbeitete als Journalist, Hochschullehrer, Drehbuchautor und veröffentlichte Romane, Erzählungen und Sachbücher. Er erhielt eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen, unter anderem das Villa-Massimo-Stipendium in Rom, den Stadtschreiber-Preis von Klagenfurt/Österreich und den von Erfurt, den Literaturpreis der Stadt Offenbach a.M., zuletzt 2015 den Kulturpreis des Rheingau-Taunus-Kreises. Sein Roman 'Der blaue Geschmack der Welt' wurde von den Lesern der Tageszeitung 'Die Welt' zum 'Buch des Jahres' gekürt, der Roman 'Das jüdische Begräbnis' in sechs Sprachen übersetzt. Derzeit wird die Verfilmung vorbereitet.
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2 Ein totes Problem auf zwei Beinen


Anderntags ging es schon auf halb elf zu, und Hauptkommissarin Julia Wunder hatte bereits zweimal auf die Uhr geschaut. Wollte Kommissar Spyridakis heute nicht zum Dienst erscheinen?

Sie hörte auf dem Gang draußen schlurfende Schritte. Das hörte sich keinesfalls nach Spyridakis an. Doch im nächsten Moment ging die Tür auf, und ein Mann trat ein, der eine unverkennbare Ähnlichkeit mit ihm besaß. Allerdings war da nichts von jugendlicher Frische zu erkennen, Vlassi schleppte sich voran, und sein Gesicht sah grau und eingefallen aus. Er ließ sich auf den Stuhl an seinem Schreibtisch fallen, es hatte geradezu den Anschein, als sei er froh, es bis dahin geschafft zu haben. Die ihm gegenübersitzende Julia musterte ihn.

„Guten Morgen, Herr Spyridakis“, sagte sie schließlich.

Vlassi warf einen müden Blick zu ihr: „Ich glaube nicht, dass er gut ist, der Morgen.“

„Na, Sie haben es, wenn auch mit Verspätung, in unser Dienstzimmer geschafft. Das ist doch schon ein Anfang.“

Vlassi nickte ergeben, blieb aber stumm.

„Darf man fragen, was Ihnen geschehen ist? Sie kommen mir etwas eingefallen vor“, fragte seine Chefin.

Vlassi richtete sich auf und antwortete mit klarer Stimme: „Ich bin nicht eingefallen. Ich bin tot.“

„Aha. Sehr interessant“, erwiderte Julia, „aber gehört zum Tot-Sein nicht auch ein Leichenschein? Wenn Sie den nicht vorweisen können, sollten wir schleunigst Frau Doktor Hauswaldt aufsuchen.“

Vlassi nickte, erwiderte jedoch: „Die Hauswaldt können wir uns sparen. Mein Zustand übersteigt ihre Fähigkeiten.“

„Aber unsere Rechtsmedizinerin kennt sich mit Leichen aus“, teilte Julia mit.

„Mit mir nicht“, widersprach Vlassi, „ich bin eine besondere Leiche.“

„Könnte man sagen, Sie sind eine lebende Leiche“, fasste Julia zusammen, „und es fehlt Ihnen nur das Grab?“

Vlassi stimmte müde zu: „Ja, das Grab fehlt mir noch, dann wäre es endgültig.“

„Also endgültig ist Ihr Leichen-Dasein noch nicht?“, wollte Julia wissen.

„Ich bin noch nicht lange tot“, erläuterte Vlassi.

„Verstehe“, nickte Julia, „auf jeden Fall kann ich Ihnen jetzt schon versichern, dass ich Ihr Grab besuchen werde. Und vielleicht könnte ich sogar Kriminalrat Feuer zu einem gemeinsamen Kondolenzbesuch überreden.“

„Kommen Sie mir nicht mit Feuer, dem ist mein Zustand so fremd wie der Hauswaldt.“ Vlassi stöhnte auf: „Sie wissen nicht, was passiert ist.“

„Aber doch“, widersprach Julia, „es ist etwas passiert, das Ihren Tod verursacht hat.“

Sie hielt einen Moment inne: „Nur müssen Sie mir sagen, was genau passiert ist.“

Vlassi schüttelte den Kopf: „Tote können nicht reden.“

„Im Allgemeinen stimmt das, aber Sie sind eine Ausnahmeerscheinung, gewissermaßen ein Ausnahme-Toter, und außerdem noch halb im Leben.“

Vlassi gefiel das Kompliment von ihr. Er war eine Ausnahmeerscheinung, ja, ja – allerdings eine ziemlich unlebendige, der nur das Grab fehlte.

Er blickte zu ihr: „Wenn ich doch reden könnte … alles, alles würde ich Ihnen erzählen … aber zu meinem Tot-Sein kommt noch Gedächtnisverlust hinzu. Ich bin ein Toter ohne Erinnerung.“

„Sie entpuppen sich als schwieriger Fall“, murmelte Julia.

Vlassi stimmte zu: „Normalerweise liebe ich schwierige Fälle, wie Sie wissen. Aber diesmal bin ich selbst einer.“

„Und jetzt reden Sie sogar vernünftig, was gar nicht zu Ihnen passt“, teilte Julia mit, „es scheint also wirklich problematisch um Sie zu stehen.“

„Sage ich doch“, bestätigte Vlassi, „ich bin ein totes Problem auf zwei Beinen, und nicht mal die Enten im Kurpark konnten mir helfen.“

„Sie waren im Kurpark, daran erinnern Sie sich?“, fragte Julia.

„Letzte Nacht, ja, und ich habe gehofft, dass mir eine Ente Bescheid sagt. Wissen Sie, der Tod ist ein guter Ratgeber und verkleidet sich mitunter als Ente … “

„Als Ente, ah ja“, nickte Julia und dachte, dass es ihren Vlassi doch heftiger als gedacht getroffen hatte.

„Immerhin wissen Sie noch, dass Sie im Kurpark mit den Enten gesprochen haben.“

„Die haben aber keine Antwort gegeben, die Biester. Ich war sehr enttäuscht.“

„Nun ja“, meinte Julia, „wir sollten nicht zu sehr enttäuscht sein, wenn Enten sich nicht auf ein Gespräch mit uns einlassen.“

Vlassi wollte etwas entgegnen, kam aber nicht dazu, denn die Tür wurde aufgerissen, und Kriminalrat Robert Feuer stürzte herein.

„Guten Morgen, die Herrschaften, ich grüße Sie aufs Allerherzlichste!“

Julia Wunder erwiderte seinen Gruß, fragte aber misstrauisch: „Sie haben offenbar einen neuen Fall für uns?“

„Keineswegs, es gibt nur läppische Dinge, mit denen wir uns nicht beschäftigen müssen. Ich komme gerade von der Lektüre eines Artikels im Wiesbadener Kurier …“

Feuer hielt inne, denn sein Blick war auf Vlassi gefallen, der stumm dasaß und nach wie vor derangiert aussah.

„Was ist denn mit Ihnen los, Herr Spyridakis?“

Vlassi hob den Kopf: „Ich bin tot.“

„Hat man Sie erschossen oder vergiftet?“

Kriminalrat Feuer lachte bärig los, um dann weiterzusprechen: „Na, so wie ich Sie kenne, wird man Sie ertränkt haben. Vermutlich haben Sie sich selbst ertränkt. In einer Badewanne, der es an Wasser mangelte.“

„Ach, das wäre schön“, murmelte Vlassi.

Julia griff ein und teilte mit: „Herr Spyridakis weiß nicht mehr, wie er ums Leben gekommen ist.“

Jetzt machte Feuer auf fürsorglich: „Aber so etwas kann man doch herausfinden. Vor allem, wenn man noch am Leben ist.“

Vlassi schaute zu ihm: „Meinen Sie?“

„Ja sicher meine ich das. So kleine Lücken hat doch jeder mal. Ich weiß zum Beispiel nicht mehr, ob ich vorgestern Morgen zum Frühstück ein Ei gegessen habe …“

„Bei mir geht es doch nicht um ein Ei“, stöhnte Vlassi auf.

„Es geht immer ums Ei, Herr Kollege“, teilte Feuer energisch mit, „Sie haben offenbar nur vergessen, ob es sich um ein Hühner- oder Straußenei handelt.“

„Was Großes war’s schon“, stimmte Vlassi leise zu.

„Na sehen Sie, das ist doch schon mal ein Anhaltspunkt“, erklärte Kriminalrat Feuer, als habe er das Tot-Sein Vlassis auf den Punkt gebracht.

Julia fragte nüchtern: „Aber wie hilft ihm sein Straußenei?“

„Ein Anhaltspunkt, wie ich schon sagte“, stellte Feuer fest, „von hier muss man weiterforschen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass ein so fähiger, wenn auch verquerer Beamter wie Kommissar Spyridakis bald herausfindet, wie das Straußenei zu seinem Gedächtnisschwund führte.“

Vlassi sah ihn verdattert an, während Julia nickte und mit Ironie in der Stimme anmerkte: „Ja, ja, er wird bestimmt schnell entdecken, wie ein Ei seine Erinnerung blockiert.“

Feuer warf einen missmutigen Blick zu ihr, doch da er heute offenbar mit guter Laune in den Tag gestartet war, sagte er generös in Richtung Vlassi: „Wissen Sie, Herr Spyridakis, nehmen Sie sich den Tag frei, gehen Sie in den Kurpark spazieren, da kommen Sie auf andere Gedanken, und alles fällt Ihnen wieder ein.“

Er ging zur Tür, öffnete sie, drehte sich noch einmal herum und teilte Vlassi jovial mit: „Morgen sind Sie ein neuer Mensch.“

Kaum war er draußen, wandte sich Vlassi an Julia: „Morgen bin ich vielleicht doppelt tot.“

„Das ist gut möglich“, erwiderte sie, „aber Herr Feuer hat mich auf eine Idee gebracht, er ist, ohne es zu wissen, mitunter ganz hilfreich.“

„Eine Idee …“, murmelte Vlassi.

Julia gab keine Auskunft, griff stattdessen zum Telefonhörer und wählte eine Nummer.

Schon nach dem ersten Klingeln meldete sich auf der Gegenseite eine männliche Stimme, Vlassi konnte nicht hören, welche es war, erkannte aber rasch, um wen es sich handelte.

Seine Chefin sprach mit ihrem Vater Wolfgang Hillberger, teilte ihm in kurzen Worten mit, dass sie einen schwierigen Fall vor sich habe, worauf Hillberger sie unterbrach: „Das kann nur der Spyridakis sein! Der ist doch die Schwierigkeit in Person.“

Julia bejahte seine Feststellung nicht, wollte stattdessen wissen, ob ihr Vater einen Psychiater kenne, der mit Gedächtnisschwund umgehen könne.

„Das kann jeder, das ist ihr Beruf!“, schnarrte Hillberger, während Vlassi auf der anderen Seite des Schreibtischs aufstöhnte: „Zum Nervenarzt soll ich? Ich bin doch nur tot und nicht plemplem.“

Wolfgang Hillberger hatte Vlassis Stöhnrede nicht gehört, stellte aber ebenfalls fest: „Ist der Spyridakis jetzt vollständig abgedreht, ganz von der Rolle?“

Julia antwortete: „Das ist sein Wesen, Papa. Damit muss man klarkommen.“

„Mein Wesen“, griff Vlassi wieder ein, „mein Wesen ist das Tot-Sein. Erklären Sie das Ihrem Vater mal. Damit muss ich klarkommen.“

„Und vor allem ich“, teilte Julia ihm über den Schreibtisch hinweg mit.

Hillberger erklärte seiner Tochter: „Also einen Psychiater braucht er. Es gibt ja bei der Polizei auch welche. Von denen rate ich ab. Ein alter Studienfreund von mir praktiziert nach wie vor. Ein sehr einfühlsamer Mann ist das. Der ist was ganz Besonderes, er ist nämlich psychologischer Psychotherapeut. Er wohnt in Geisenheim, da müsste der Spyridakis hin.“

„Wie heißt er denn, und...


Lothar Schöne, geb. in Herrnhut, arbeitete als Journalist, Hochschullehrer, Drehbuchautor und veröffentlichte Romane, Erzählungen und Sachbücher. Er erhielt eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen, unter anderem das Villa-Massimo-Stipendium in Rom, den Stadtschreiber-Preis von Klagenfurt/Österreich und den von Erfurt, den Literaturpreis der Stadt Offenbach a.M., zuletzt 2015 den Kulturpreis des Rheingau-Taunus-Kreises. Sein Roman „Der blaue Geschmack der Welt“ wurde von den Lesern der Tageszeitung „Die Welt“ zum „Buch des Jahres“ gekürt, der Roman „Das jüdische Begräbnis“ in sechs Sprachen übersetzt. Derzeit wird die Verfilmung vorbereitet.



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