Schöne | Ein Grab im Rheingau | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 432 Seiten

Schöne Ein Grab im Rheingau

Ein Rhein-Main-Krimi
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-8271-8332-3
Verlag: CW Niemeyer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Rhein-Main-Krimi

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

ISBN: 978-3-8271-8332-3
Verlag: CW Niemeyer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der 2. Fall für Frau Wunder und Herrn Spyridakis Ein Mann wird tot aufgefunden - kurioserweise sitzt er an einen Grabstein gelehnt auf dem Friedhof. Ist er dort mit einem letzten Gebet auf den Lippen gestorben? Oder handelt es sich um einen perfiden Mord? Das Wiesbadener Kommissar-Duo Julia Wunder und Vlassopolous Spyridakis ermittelt. Die Geschichte spielt im Bankenmilieu, und Julia und Vlassi müssen auch Spuren nach Mainz verfolgen, wo sie wieder mal auf den Kollegen Ernst Lustig stoßen, der den Fall zu durchschauen vorgibt. Die Kommissare aus den rivalisierenden Städten raufen sich zusammen und entdecken bald, in welchem Sumpf der Tote wandelte - doch mit Witz und Humor klären sie den Fall.

Lothar Schöne, geb. in Herrnhut, arbeitete als Journalist, Hochschullehrer, Drehbuchautor und veröffentlichte Romane, Erzählungen und Sachbücher. Er erhielt eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen, unter anderem das Villa-Massimo-Stipendium in Rom, den Stadtschreiber-Preis von Klagenfurt/Österreich und den von Erfurt, den Literaturpreis der Stadt Offenbach a.M., zuletzt 2015 den Kulturpreis des Rheingau-Taunus-Kreises. Sein Roman 'Der blaue Geschmack der Welt' wurde von den Lesern der Tageszeitung 'Die Welt' zum 'Buch des Jahres' gekürt, der Roman 'Das jüdische Begräbnis' in sechs Sprachen übersetzt. Derzeit wird die Verfilmung vorbereitet.
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1 ICH HASSE LÜGEN


Der Raum war kahl. Nur ein Stuhl stand darin. Auf ihm saß ein Mann mit verbundenen Augen. Er saß so still, dass man auf den Gedanken kommen konnte, er sei tot. Vielleicht war es eine Puppe, die auf dem Stuhl drapiert war? Dazu passte allerdings nicht, dass die Füße der Puppe an den Stuhl gebunden waren. Und sah man hinter den Stuhl, erkannte man, dass die Hände ebenfalls gefesselt waren. Eine Puppe war das nicht, sondern ein Mensch, der noch lebte und eben versuchte, seine Hände auf der Rückseite des Stuhls freizubekommen.

Die Tür öffnete sich, und eine Person trat ein. Sie kam so leise in den Raum, dass es kaum zu hören war. Es war eine Frau. Sie trug Hosen, eine Jacke, Sportschuhe an den Füßen und Latexhandschuhe an den Händen und hielt einen Stuhl in der Hand, den sie seitlich vom Gefesselten absetzte. Das machte ein Geräusch. Der Mann auf dem Stuhl hielt sofort seine Hände hinter dem Rücken still, die gerade noch die Fesselung lösen wollten.

„Wie schön wäre es, seine Hände benutzen zu können“, sagte die Dame.

„Wer sind Sie?“ fragte der Gefesselte.

„Ach ja, wer bin ich? Das wüsste ich manchmal gern selbst.“ Die Hinzugekommene machte eine Pause und schien zu überlegen.

„Es tut mir leid, aber ich komme nicht drauf “, erwiderte sie schließlich und das klang fast so, als würde sie die Wahrheit sagen.

„Was soll das Ganze? Was für ein Spiel spielen Sie mit mir?“, fragte der Gefesselte. Er wollte zornig klingen, wirkte aber wie ein schlechter Schauspieler, also gar nicht überzeugend.

„Ein Spiel? Sie täuschen sich. Wir spielen keine Spiele.“

Die Frau, die nicht mehr jung war, aber auch nicht alt, und recht attraktiv wirkte, setzte sich auf den mitgebrachten Stuhl und schlug die Beine übereinander.

„Was wollen Sie von mir?“, fragte der Gefesselte.

„Es war nicht einfach, an Sie heranzukommen. Gerade so, als hätten Sie eine Ahnung gehabt, dass wir Ihnen auf der Spur sind.“

„Wollen Sie mich erpressen? Wollen Sie Geld?“

Die Dame beugte sich etwas vor und teilte vertraulich mit: „Nicht doch. Aber interessant ist, dass Sie sofort an Geld denken. Ist das eine Berufskrankheit, eine , wie Sie als Gebildeter sagen würden?“

„Was soll das? Geben Sie mir eine klare Antwort. Wie viel wollen Sie?“

„Schade“, sagte die Frau und erhob sich lautlos, „ich habe Sie für klüger gehalten, aber Sie scheinen wirklich nur an Geld zu denken.“

Der Gefesselte schwieg für einige Augenblicke.

„Es gibt sonst nichts, was ich Ihnen bieten könnte“, sagte er dann und fragte vorsichtig: „Kommen Sie aus Frankfurt?“

„Könnte sein, könnte auch nicht sein. Und wir wollen doch nicht so bescheiden sein. Es gibt viel mehr, mit dem Sie uns dienen können.“

„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.“

„Aber Sie wissen noch, was Sie beruflich machen?“, fragte die Frau mit ironischem Unterton, „das haben Sie bestimmt nicht vergessen.“

„Sie kommen aus Frankfurt!“

Die Frau überging seinen Einwand: „Erzählen Sie mir etwas über den Harvest-Swap.“

Die Antwort kam schnell, vielleicht etwas zu schnell: „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.“

Die Dame sah ihn verärgert an. Ihre Reaktion erfolgte rasch. Sie griff unter ihre Jacke, zog eine kleine Pistole mit aufgesetztem Schalldämpfer hervor, entsicherte sie und schoss dem Mann seitlich ins rechte Knie. Ein dumpfes Geräusch ertönte, der Gefesselte schrie vor Schmerz auf. Er warf den Kopf nach hinten, sein Bein zuckte, und beinahe wäre er mit dem Stuhl umgekippt. Die Dame ging zwei Schritte vom Angeschossenen weg.

„Falsche Antwort“, sagte sie trocken, „ich hasse dumme Lügen.“

Der Gefesselte stöhnte, sein Bein wirkte nun tatsächlich wie das einer Puppe, es hing leblos an ihm.

„Das Knie ist ein empfindliches Organ, wenn man es beschädigt, kann es sehr schmerzen“, erklärte die Frau, als wolle sie medizinisch aufklären.

„Was tun Sie? Ich bin unschuldig“, ächzte der Angeschossene.

„Unschuldig?“

Die Stimme der Frau klang sehr ironisch. Sie hatte die Pistole weggesteckt.

„Was glauben Sie, wie vielen Leuten Sie Schmerzen bereitet haben?“, fragte sie.

„Aber es kam doch alles von Ihnen, aus Frankfurt“, stöhnte der Gefesselte.

„Neuerdings scheinen Sie nachzudenken, bevor Sie antworten. Dazu möchte ich Sie beglückwünschen. Wenn Sie noch einmal dreist lügen, wird es schlimmer für Sie“, sagte die Dame.

Aus dem Verletzten brach es hervor: „Was wollen Sie denn? Ich bin nur ein kleines Rädchen, Sie haben den Falschen erwischt!“

Ihm war offenbar klar geworden, dass die weibliche Stimme es blutig ernst meinte, vielleicht ahnte er auch, warum.

„Tun Sie nicht so, als ob Sie verhandeln könnten“, erwiderte die Frau scharf, „und machen Sie sich keine Gedanken darüber, ob wir den Richtigen erwischt haben. Auch Zwerge haben klein angefangen.“

Sie ging zwei lautlose Schritte auf den Gefesselten zu: „Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Sie lautete: Wie vielen Leuten haben Sie Schmerzen bereitet?“

„Ich ... weiß es nicht.“

„Sie wissen es nicht? Geben Sie sich etwas Mühe.“

Die Stimme der Fragestellerin klang beruhigend, doch was sie tat war beunruhigend. Sie zog nämlich ihre Latexhandschuhe straff, griff mit der rechten Hand nach dem angeschossenen Knie und verdrehte es zur Seite. Der Gefesselte stöhnte auf vor Schmerz.

„Schmerz ist etwas Furchtbares, nicht wahr?“

Von dem Angeschossenen kam ein wimmerndes Stöhnen.

„Ich warte auf Ihre Antwort. Wie vielen Leuten haben Sie Schmerzen zugefügt?“

„Ich weiß nicht ... vielleicht waren es ... einige. Aber ich glaube nicht ...“ Der Gefesselte stockte.

„Vielleicht? Einige? Sie glauben? Mir scheint, Sie neigen zur Untertreibung, Herr Kremer.“

„Sie kennen meinen Namen?“

„Ja, natürlich. Denken Sie, wir arbeiten ins Blaue hinein?“

Die Unbekannte machte eine Pause, dann sagte sie ohne jede Emotion: „Sie haben sehr viele Menschen betrogen und etliche in den Ruin getrieben. Ist Ihnen bewusst, wie schmerzhaft das ist?“

„Aber was wollen Sie?“, stöhnte der Verletzte, „ich kann doch nichts für meinen Beruf ...“

„Manche Kunden haben Sie gewarnt, andere nicht. Ganz nach Ihrem Gusto. Mir scheint, Sie wollten Gott spielen.“

„Ich bin unschuldig, ganz unschuldig, das muss man mir doch glauben ...“

„Überlegen Sie sich jedes weitere Wort gut“, unterbrach ihn die Frau vor ihm, „und denken Sie dabei an Ihr Knie. Ich rate Ihnen, nicht weiter zu lügen.“

Seltsamerweise wirkte ihre Stimme nicht unsympathisch.

„Wir haben Swaps und Fonds verkauft sowie auch andere Finanzprodukte“, erwiderte der Mann auf dem Stuhl unverzüglich.

Die weibliche Stimme entgegnete: „Kluge Menschen sagen, Sie haben aus Brot lediglich Steine gemacht und aus Lebensmitteln ausschließlich Dreck. Mit Ihren Lebensmittel-Fonds hat die Bank Millionen verdient, während Kinder in Indonesien und Afrika gestorben sind, weil Reis oder Mais zu teuer wurden.“

Der Verletzte stöhnte auf und war sich auf einmal sicher: „Sie kommen von der Zentrale, Sie wollen den Kulturwandel – aber Sie kommen zu spät. Das waren doch alles Ihre Ideen. Wir sollten Geld verdienen, die Effektiv-Rendite musste gesteigert werden.“

Die Dame machte zwei lautlose Schritte, als sie sprach, klang ihre Stimme spöttisch: „Geld verdienen ist das Wichtigste für Leute Ihres Schlags, ich weiß.“

„Wir haben diese Produkte verkauft“, bestätigte der Gefesselte, „und wir haben Geld verdient. Die Rendite ist auf nahezu fünfundzwanzig Prozent gestiegen.“

„Sie verkaufen Sie nach wie vor. Ihr oberster Chef ist stolz auf Sie.“

Der gefesselte Herr Kremer nickte und fügte unsicher an: „Dann ist doch ... alles in Ordnung.“

„Überhaupt nicht. Sie sagen mir nichts Neues.“

„Aber was soll ich Ihnen Neues sagen?“

„Sie haben Kunden gewarnt, davon haben Sie nicht gesprochen. Warum?“

Der Kopf des Gefesselten sank auf die Brust. Dachte er nach oder beabsichtigte er zu schweigen? Die Frau in den Sportschuhen ging zu ihm, legte ihre Hand auf sein angeschossenes Knie und verdrehte es. Herr Kremer schrie vor Schmerz auf.

„Ich warte“, sagte die Dame und strich ihre Latexhandschuhe glatt.

Unverzüglich antwortete er: „Es waren gute Kunden.“

„Zahlungskräftige meinen Sie.“

Herr Kremer nickte.

„Sie haben sich keine Gedanken darüber gemacht, dass Ihre guten Kunden andere warnen und das Geschäft verderben könnten?“

„Aber ... über Geld redet man doch nicht.“

Die Dame schwieg einen Moment, dann stellte sie eine andere Frage: „Wer hat die Swaps erfunden? Wer die Lebensmittelfonds?“

Der Angeschossene versuchte, sein rechtes Bein in eine Stellung zu bringen, die weniger schmerzhaft war. Leise begann er zu sprechen: „Das müssen Sie in Frankfurt doch besser wissen.“

„Ich möchte es aus Ihrem Mund hören“, sagte die Frau ruhig.

„Der Sachverhalt ist sehr komplex“, begann der Mann auf dem Stuhl, „und nicht einer Seite zuzuweisen, da die Entwicklung gemeinsam zwischen mehreren Fachabteilungen erfolgte ...“

Er kam nicht weiter, denn er hörte ein verdächtiges Geräusch und die verärgerte Stimme der Frau: „Keine Vorlesung!“

Die Unbekannte hatte ihre kleine Pistole hervorgezogen. Ein dumpfer Knall ertönte. Diesmal ging der Schuss in das linke Knie des...


Lothar Schöne, geb. in Herrnhut, arbeitete als Journalist, Hochschullehrer, Drehbuchautor und veröffentlichte Romane, Erzählungen und Sachbücher. Er erhielt eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen, unter anderem das Villa-Massimo-Stipendium in Rom, den Stadtschreiber-Preis von Klagenfurt/Österreich und den von Erfurt, den Literaturpreis der Stadt Offenbach a.M., zuletzt 2015 den Kulturpreis des Rheingau-Taunus-Kreises. Sein Roman „Der blaue Geschmack der Welt“ wurde von den Lesern der Tageszeitung „Die Welt“ zum „Buch des Jahres“ gekürt, der Roman „Das jüdische Begräbnis“ in sechs Sprachen übersetzt. Derzeit wird die Verfilmung vorbereitet.



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