Schoder | So was passiert nur Idioten. Wie uns. | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Schoder So was passiert nur Idioten. Wie uns.


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7336-5075-9
Verlag: FISCHER Sauerländer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

ISBN: 978-3-7336-5075-9
Verlag: FISCHER Sauerländer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Liebe ist ... was nach dem Happy End passiert! Viki und Jay sind das Traumpaar, das auch nach Monaten noch auf Wolke sieben herumschwebt. Endlich ist alles gut, endlich hat Viki jemanden gefunden, dem sie vertrauen kann, der ohne Wenn und Aber zu ihr steht. Doch dann findet Viki heraus, dass Jay seine WhatsApp-Nachrichten direkt nach dem Lesen löscht. Manchmal duscht er mitten am Tag, oder wechselt seine Klamotten, wenn er nach Hause kommt. Und das tut doch nur jemand, der etwas zu verbergen hat. Oder? Jay lügt sie an. Sie streiten sich. Das passiert nicht wirklich, oder? Macht Jay alles, was sie hatten, einfach so kaputt?

Sabine Schoder, Jahrgang 1982, hat Grafikdesign in Wien studiert und sich dort Hals über Kopf verliebt. Heute lebt sie mit ihrem Mann in Vorarlberg und widmet sich nach dem Erfolg ihres Jugendromans ?Liebe ist was für Idioten. Wie mich.? hauptberuflich dem Schreiben. Literaturpreise: ?Immer ist ein verdammt langes Wort? - Delia Jugendliteraturpreis 2021 ?Liebe ist was für Idioten. Wie mich.? - Nominiert für den Buxtehuder Bullen
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Viki


Es ist fast drei Jahre her, dass ich mich zum letzten Mal davor gefürchtet habe, meine Wohnungstür zu öffnen. Die Angst kriecht unterm Türschlitz durch, gleitet über den Teppich und klammert sich um meine Fußgelenke. Ich wage es nicht, Licht zu machen, weil es meine Anwesenheit verraten würde.

Er hämmert an die Tür. Oder direkt auf mein Trommelfell, denn mein Körper zuckt zusammen, als hätte er mir eine Ohrfeige verpasst. In meiner Vorstellung lauert da draußen ein Mann. Ich sehe ihn deutlich vor mir, diesen Kerl im verschwitzten Arbeitsoverall, dessen Atem stets nach Bier riecht. Der sein Versprechen von damals bricht, mich für immer in Ruhe zu lassen. Der ausgerechnet heute zurückkommt, weil er irgendwie gerochen hat, wie verwundbar ich bin.

Es pocht erneut, ein drittes Mal, und erst jetzt registriere ich das Zögern darin. Die Illusion meines Vaters verpufft. Es klingt nicht nach seinen schwieligen Händen, die Mühe damit haben, das Holz zu treffen. Es klingt leicht, viel zu …

Ich stürze zur Tür und reiße sie auf.

Vor mir auf der Matte steht ein Mädchen mit rotem Lockenkopf, Sommersprossen auf der Stupsnase und einem rosa Kaugummi im Mund, den sie gerade aufblasen wollte. Ich habe kaum Zeit, das subtile Weiten ihrer braunen Augen wahrzunehmen – oder die Vorwarnung darin zu erkennen. Bevor ich auch nur ein herauskriege, schnellt Melanie nach vorne und stürzt sich in meine Arme.

»Ich hab dich SO VERMISST

Ihr süßes Zuckerwatteparfum hüllt mich ein, und ihre Locken kitzeln meine Nase. Sie ist beinahe klein genug, um meinen Kopf auf ihrem abzulegen, und für eine Sekunde bin ich versucht, haargenau das zu tun: in ihrem ureigenen Geruch abzutauchen und mich mit ihrer Nähe zu trösten. Meine Hände schlingen sich von ganz allein um ihre Taille, und aus meiner Kehle löst sich ein zittriger Seufzer.

Das war ein Fehler. Mels quirliger Körper wird augenblicklich still. Genau wie meiner. Ich muss mich zusammenreißen, zurück in meine alte Form finden, meine unverwüstliche Hülle überstülpen und Mel mit meinem Lachen beruhigen. Sie soll sich keine Sorgen um mich machen. Ihr Kummer würde mir nur das Gefühl geben, dass wirklich etwas nicht stimmt. Ich schlucke meine Sentimentalität runter und beschließe, wieder zu mir selbst zu werden.

»Du zerquetschst meine Brust«, keuche ich.

Mel guckt zu mir hoch, ohne ihre Umklammerung auch nur einen Millimeter zu lösen. »Das tue ich tatsächlich, Viki. Ich bin extra von London hierhergeflogen, um dich abzumurksen, denn das tun beste Freundinnen füreinander. Sie verbergen keine Geheimnisse und sind nicht auf irgendwelche Cousins angewiesen, um über fatale Neuigkeiten im Leben der anderen informiert zu werden.«

»Na toll, Phil hat geplaudert.« Ich stoße einen stummen Fluch gen Zimmerdecke. »Hattest du noch Gelegenheit, dich von ihm zu verabschieden? Bevor er mit einbetonierten Füßen im Stadtfluss versenkt wird?«

Mel lässt von mir ab und röstet mich mit ihrem Blick. »Er wird nicht der Einzige mit einbetonierten Füßen sein, wenn du mich nicht sofort hereinbittest und alles beichtest! Ich will jedes gottverdammte Detail! Und einen Café Latte.«

Letzteres nehme ich als Stichwort, um mich in Bewegung zu setzen. Ich schlurfe in die Küche und linse über meine Schulter, nur um festzustellen, dass Mel mir dicht an den Fersen hängt. Vielleicht hätte ich eine Schleife im Bad drehen und versuchen sollen, sie zwischen den schmutzigen Wäschehaufen abzuhängen? Mit etwas Glück hätte sie sogar eine Ladung in die Waschmaschine gestopft, was langsam dringend notwendig wird, immerhin trage ich seit Tagen dasselbe Shirt. Garantiert wäre das besser gewesen, als ihren heißen Atem im Nacken zu spüren, den sie jeden Augenblick sammeln wird, um mich mit Fragen zu löchern.

»Setz dich«, schlage ich vor.

Ihre Augen funkeln listig. »Im Moment bin ich voll und ganz damit zufrieden, an deinem Rockzipfel zu hängen.«

Sie lehnt sich mit verschränkten Armen an die Wand und beobachtet mich dabei, wie ich die Kaffeemaschine einschalte (die Jay gekauft hat), aus dem Schrank darüber eine bunte Sprüchetasse hole (die Jay gekauft hat), zum Kühlschrank marschiere (ein Überbleibsel meines Vaters) und eine Packung Milch herausfische (die ich besorgt habe, Jays Milch ist vor drei Tagen abgelaufen).

Ich fülle den Aufschäumbehälter, drücke die Latte-Taste und seufze in den Lärm der Maschine. Das Bohnenmahlen verlängert meine Galgenfrist, bevor ich erklären muss, warum Cousin Phil meine beste Freundin frühzeitig aus ihrem Londoner Praktikum reißen musste. Was nicht nötig gewesen wäre, immerhin ist keiner gestorben oder so was. Mir geht es blendend. Wenn Phil das nächste Mal hier auftaucht, werde ich seine Finger statt der Bohnen in die Mühle stecken!

Ich reiche Mel die Kaffeetasse. »Trägst du die schon mal zum Tisch?«

»Netter Versuch, mich loszuwerden.« Sie schnappt sich den Kaffee und tappt rückwärts von mir weg, ohne mich aus den Augen zu lassen. Demonstrativ hole ich mir eine neue Tasse aus dem Schrank und schiebe sie unter den Automaten, was so viel bedeuten soll wie:

Obwohl mir das Milchaufschäumen weitere kostbare Sekunden schenken würde, beschließe ich, meinen Kaffee ab sofort wieder schwarz zu trinken. So wie ich ihn früher mochte. So wie ich die Jungs mal mochte, dunkelhaarig und düster, bevor ein anderer in mein Leben geplatzt ist, um es mit seinem Lachen auszuleuchten.

»Es wird dir nichts nützen, weiterhin auf die Küchenschränke zu starren«, droht Mel vom Tisch aus. »Ich presse die Wahrheit sowieso aus dir heraus. Betrachte dich als Orange, die in einen Entsafter rollt.«

»Das Ergebnis könnte bitter schmecken«, warne ich sie.

Mit hängenden Schultern schleppe ich mich zum Küchentisch. Ich freue mich, als mein Knie gegen die Kante stößt und heißer Kaffee auf den Boden schwappt. Das fühlt sich richtig an, eine logische Fortsetzung der Pechsträhne, die seit einer Woche an mir klebt. Mels Besuch ist das einzig Gute, das mir seit Tagen passiert ist, vielleicht macht mich ihre Anwesenheit deshalb so nervös. Ich gewöhne mich zu schnell an positive Menschen, und wenn sie dann plötzlich weg sind, kommt es mir vor, als hätte jemand alle Lebensfreude unter meinen Füßen weggerissen. Seufzend werfe ich mich auf einen Stuhl, entdecke das Blitzen in Mels Rehaugen und kippe kochende Flüssigkeit in meinen Hals.

»Wo ist Jay?«, fordert sie.

Ich zucke die Achseln. Eine unzureichende Antwort, wie ich an Mels warnendem Fingertrommeln erkenne.

»Bei seinen Eltern?«, rate ich.

»Was hat der Mistkerl getan?«

»Wieso gehst du davon aus, dass er etwas getan hat?« Ich hebe eine herausfordernde Braue. »Vielleicht war ich es?«

Sie verengt ihre Augen. »Als ich vor zwei Monaten abgeflogen bin, wart ihr beide noch das Regenbogenponytraumpaar, das allen auf die Nerven ging, weil eure Verliebtheit wie Goldfunken aus euren Blicken sprühte.«

»Um bei deinem unpassenden Vergleich zu bleiben: Die Funken haben die Ponys in Brand gesteckt, bis nur noch ein Häufchen glitzernder Regenbogenasche übrig war.«

Mel schnaubt so heftig in ihren Latte, dass ein Schaumfetzchen aufwirbelt und direkt auf ihrer Nasenspitze landet. Ohne sich ablenken zu lassen, wischt sie den Schaum ab und schraubt ihre Stimme eine Oktave tiefer. »Okay, reden wir Klartext. Deine Haare sehen aus, als hättest du eine Ölkur aufgetragen und vergessen, sie wieder herauszuwaschen. Wenn ich das mit deinen fleckigen Schlabberklamotten kombiniere, auf denen mindestens drei unterschiedliche Eiscremeflecken eingetrocknet sind, nehme ich an, dass du diese Wohnung seit einer Woche nicht mehr verlassen hast.«

»Das ist lächerlich! Ich war draußen! Wie hätte ich sonst an drei Sorten Eiscreme kommen sollen?«

Sie zieht eine Schnute. »Ich habe für dich die Abschiedsparty verpasst, auf der ich einen ziemlich süßen Londoner vernaschen wollte, der mir jeden Tag eine Packung Gummibärchen in die Tasche gesteckt hat. Vermutlich hätten wir uns ineinander verliebt, geheiratet und eins Komma fünf ziemlich süße Babys bekommen. Du hast meine zukünftigen Kinder auf dem Gewissen!«

Mein Kopf klappt nach unten, und ich kann die Bilder der letzten Woche nicht mehr aufhalten. Jays rot angelaufenes Gesicht, als er sein Handy aus meiner Hand reißt. Meine blutleeren Fäuste, die sich in mein Shirt krallen, weil ich mich an etwas festhalten muss, während mein Leben auseinanderfällt, und sei es auch nur an etwas so Instabilem wie mir selbst. Der Nachhall unseres Streits dreht mir noch immer den Magen um, vor allem dieser eine letzte Satz, der aus meinem eigenen Mund schoss und alles beendet hat.

Appetitlos stoße ich die Tasse von mir, die ein paar Zentimeter über den Tisch schlittert und sich dabei so dreht, dass ich den Spruch darauf erkenne: Jay hat sie mir letztes Jahr geschenkt, nachdem von der Hausverwaltung eine Generalsanierung unseres Altbaus beschlossen und mir als Wohnungsbesitzerin eine Rechnung präsentiert worden war, die mich beinahe aus dem Fenster katapultiert hätte. Er zog mich vom Sims, nahm mich in seine Arme und flüsterte in mein Ohr, dass ich mir keine Sorgen machen muss. Dass wir alles schaffen....


Schoder, Sabine
Sabine Schoder, Jahrgang 1982, hat Grafikdesign in Wien studiert und sich dort Hals über Kopf verliebt. Heute lebt sie mit ihrem Mann in Vorarlberg und widmet sich nach dem Erfolg ihres Jugendromans ›Liebe ist was für Idioten. Wie mich.‹ hauptberuflich dem Schreiben.

Literaturpreise:

›Immer ist ein verdammt langes Wort‹ - Delia Jugendliteraturpreis 2021
›Liebe ist was für Idioten. Wie mich.‹ - Nominiert für den Buxtehuder Bullen

Sabine SchoderSabine Schoder, Jahrgang 1982, hat Grafikdesign in Wien studiert und sich dort Hals über Kopf verliebt. Heute lebt sie mit ihrem Mann in Vorarlberg und widmet sich nach dem Erfolg ihres Jugendromans ›Liebe ist was für Idioten. Wie mich.‹ hauptberuflich dem Schreiben.

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›Immer ist ein verdammt langes Wort‹ - Delia Jugendliteraturpreis 2021
›Liebe ist was für Idioten. Wie mich.‹ - Nominiert für den Buxtehuder Bullen



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