E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Reihe: Regional-Krimi
Schnurbusch Stille Vergeltung
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-96058-047-8
Verlag: Lempertz Edition und Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mordkommission Köln
E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Reihe: Regional-Krimi
ISBN: 978-3-96058-047-8
Verlag: Lempertz Edition und Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Im noblen Stadtteil Hahnwald vergewaltigen Einbrecher eine Hausbesitzerin und ermorden ihren Mann. Der Verdacht fällt auf eine südosteuropäische Einbrecherbande, die seit Wochen die Kölner Polizei in Atem hält. Doch Fisch und Kid stoßen auf Ungereimtheiten. Was verschweigt das Opfer? Und dann nimmt der Fall eine entscheidende Wende, als ein Einbrecher nach dem anderen auf mysteriöse Weise ums Leben kommt.
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Sommer 1998
Rumms! Doktor Milashi wurde in seinem Geländewagen kräftig durchgeschüttelt; das linke Vorderrad war plötzlich in ein Schlagloch eingesackt. Er drosselte die Geschwindigkeit und versuchte jetzt, im Schritttempo vorsichtig die riesigen Straßenlöcher zu umfahren. Der aufgewirbelte Staub versperrte ihm die Sicht, die Stoßdämpfer des Mitsubishis schlugen ständig auf dem steinigen Weg durch. Alte Steinmale säumten den Weg zum Dorf Ljubo am Rande des Šar Planina-Gebirgszuges. Es war eine ärmliche Gegend, die Straßen weder asphaltiert noch beleuchtet. Weit und breit gab es weder Geschäfte noch andere Dienstleistungsbetriebe. Luxus dieser Art kannten die hiesigen Bewohner nicht. Hier lebten überwiegend Bauern, Hirten und Waldarbeiter, die mehr als zwölf Stunden am Tag arbeiten mussten, um ihre Familien zu ernähren. Auf den Feldern links und rechts wurde der Winterweizen ausgesät. Die Männer lachten freundlich und winkten, als sie den Wagen ihres Doktors sahen. Der Weg wurde etwas besser, je näher Doktor Milashi dem Dorf kam. Doch hinter der letzten Kurve musste er wieder langsamer fahren, weil vor ihm ein alter Mann einen Karren zog und trotz mehrfachen Hupens nicht zur Seite auswich. Resigniert nahm er es hin und fuhr im Schritttempo hinterher. Erst am Ortseingang konnte Doktor Milashi endlich vorbeifahren und erkannte jetzt den alten Mavrim, der schon seit seiner Geburt gehörlos war. Na ja, der heutige Freitag wird sowieso noch lang werden. Tarek Milashi war in diesem Land groß geworden. Er liebte sein Kosovo. Ihm war jedoch auch bewusst, wie viel Glück er bisher im Leben gehabt hatte. Nur wenige Eltern in diesem Land konnten ihren Kindern ein Studium ermöglichen und ihnen Vermögenswerte vererben. Er hatte diese Privilegien gehabt. Dafür wollte er seinen Landsleuten etwas zurückgeben, selbst wenn es nur sein medizinisches Wissen war. Er parkte seinen Wagen vor dem Haus des Hufschmieds. Man hatte Doktor Milashi in der alten Schmiede auf der Rückseite des Gebäudes einen Raum zur Verfügung gestellt, in dem er Patienten empfangen konnte. Milena, die Tochter des Schmieds, stand ihm bei seiner Arbeit zur Seite. Insbesondere beim Anlegen von Verbänden und Schienen war sie ihm eine große Unterstützung. Hier, im ärmsten Land Europas, gab es keine allgemeine Krankenversicherung. Gerade in den abgelegenen, ländlichen Gegenden litten die Menschen besondere Not und hatten kaum Geld für eine medizinische Versorgung. Dennoch haderten sie nicht mit ihrer Situation: Wenn die Verletzungen oder Krankheiten so schwer waren, dass jemand in ein Krankenhaus musste, dann finanzierte die Dorfgemeinschaft den Aufenthalt. Als Tarek Milashi um die Ecke bog, sah er schon die Schlange, die sich jeden Freitag bildete. Heute musste er aber zum Glück nur Routineuntersuchungen vornehmen oder kleinere Wunden versorgen. Am späten Abend machte er sich auf den Heimweg und war anderthalb Stunden später zurück in Kazarnik, wo er mit seiner Frau und den beiden Kindern am Stadtrand gegenüber vom Friedhof wohnte. Jeden Freitagabend, wenn er auf sein Grundstück fuhr und sein großes graugelbes Bruchsteinhaus sah, beschlich ihn ein sorgenvolles Gefühl. Als Arzt hatte er in dieser Kleinstadt viele Vergünstigungen. Ihm und seiner Familie ging es als Angehörige der Oberschicht recht gut – der totale Gegensatz zu den Menschen in Ljubo, die er noch diesen Nachmittag gesehen hatte. Doch es war letztlich nur eine Frage der Zeit, bis die serbischen Truppen auch in der Stadt des Doktors einfielen. Die Situation im Kosovo verschlechterte sich von Tag zu Tag. Wie lange noch? Die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der kosovarischen Untergrund-Organisation UCK und der jugoslawischen Regierung in der Provinz Kosovo war nichts anderes als ein Bürgerkrieg. Müssen so viele Menschen sterben? Ist ein eigenständiger Staat Kosovo, in dem Frieden herrscht, nur ein Traum? *** Zlatko war ein Mensch ohne Moral und Anstand; gesetzliche oder gesellschaftliche Regeln akzeptierte er nicht. Ohne Vater war er mit acht jüngeren Geschwistern bei seiner völlig überforderten Mutter aufgewachsen. Schon früh hatte er die Rolle des Familienoberhauptes übernommen und versucht, mit kleineren Diebstählen seinen Anteil zum Lebensunterhalt beizutragen. Schnell hatte er gelernt, sich auf der Straße durchzusetzen. Zahlreiche Jugendstrafen hatten ihn nicht resozialisiert, ganz im Gegenteil, er sank immer tiefer in das kriminelle Milieu. Die Schule besuchte er höchstens sporadisch und auch dann nur, um dort Drogen zu verkaufen. Als ihn ein Lehrer einmal bei einem Deal erwischte und anzeigen wollte, schlug Zlatko ihn krankenhausreif. Daraufhin wurde Zlatko während des neunten Schuljahres ohne Abschluss von der Schule verwiesen. Die Armut seiner Familie war ihm zuwider. Er ertrug dieses armselige Betteln nach Sozialleistungen nicht. Als 16-Jähriger verließ er seine Heimat, zog Richtung Hauptstadt und schloss sich sogleich der Hooliganszene von Roter Stern Belgrad an. Für seinen abgrundtiefen Hass gegen jegliche Autorität waren die gewalttätigen Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans ein gutes Ventil. Er etablierte sich schnell in der Gruppe und war innerhalb weniger Monate einer ihrer Wortführer. Nach und nach festigte er seine Position und manipulierte einige Hooligans für seine Zwecke. Zunächst verübten sie kleinere Raubüberfälle und veranstalteten verbotenes Glücksspiel. Später fanden sie eine lukrativere Einnahmequelle: Schutzgelderpressungen. 1991 begannen die Kämpfe der serbischen gegen die kroatische Armee. Zlatko war ein Waffennarr, außerdem hasste er die Kroaten. Er überlegte ernsthaft, sich freiwillig für die Armee zu melden, entschied sich dann jedoch dagegen. Zu lukrativ waren seine kriminellen Machenschaften, zudem hätte er bei einer längeren Abwesenheit um seine Stellung im Milieu gefürchtet. Am 01.04.1992, wenige Tage vor seinem 19. Geburtstag, erfuhr Zlatko vom Tod seiner Mutter. Sie war gerade vom Markt gekommen, als serbische Polizisten eine kroatische Polizeistation überfielen. Noch bevor sie in Deckung gehen konnte, wurde sie von einem Querschläger getroffen. Viel zu spät kam ärztliche Hilfe. Sie verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus. Die Nachricht traf ihn wie ein Schlag. Tagsüber steigerte er sich in eine aggressive Angriffslust hinein, am Abend ging er zum Spiel Roter Stern Belgrad gegen Sampdoria Genua. Es war das Halbfinale im Europapokal der Landesmeister, das Stadion entsprechend ausverkauft. Nach dem Spiel trafen er und seine Freunde auf eine Gruppe italienischer Fans. Sofort kam es zu einer Massenschlägerei und er prügelte seine ganze Wut auf den Gegner ein. Wie im Wahn schlug er immer weiter und hörte erst auf, als seine Kumpels ihn wegzerrten. Das war des Italieners Glück – weitere Schläge und Tritte hätte er wahrscheinlich nicht überlebt. Drei Jahre später hatte ein anderer Kontrahent Zlatkos bei einem Streit dieses Glück leider nicht gehabt. Er erlag seinen schweren Kopfverletzungen. Die Polizei vermutete den Täter im Rotlichtmilieu, doch keiner traute sich, gegen Zlatko auszusagen. Trotzdem formierte sich innerhalb der Bande eine Gruppe, die sich gegen ihn stellte, weil sie mit Mord und Totschlag nichts zu tun haben wollte. Auch Zlatko distanzierte sich immer mehr von seinen Kumpels und suchte nach einer neuen Herausforderung. Eigentlich hätte er nach dem Tod seiner Mutter gerade Polizisten hassen müssen, doch Zlatko tickte anders. 1996, zu Beginn der Auseinandersetzungen der Serben mit den Albanern im Kosovo, bewarb er sich bei der serbischen Polizei. Es war in der Zeit, wo viele seiner serbischen Landsleute aus Kroatien vertrieben und gegen ihren Willen im Kosovo angesiedelt oder in Flüchtlingslagern untergebracht wurden. Als die Widerstände sich intensivierten und es zu Bombenattentaten in den Lagern kam, schickte Serbien Polizeitruppen und Sondereinheiten in den Kosovo, unterstützt von der Armee und Paramilitärs. Die serbische Polizei stellte fast jeden ein, der sich bewarb, unabhängig von einem Führungszeugnis. Zlatko kam in eine Spezialeinheit, die ausschließlich gegen die albanische Zivilbevölkerung eingesetzt wurde. Als Mitglied einer solchen Truppe hatte er eine Machtposition. Jetzt konnte er seine Aggressionen und kriminellen Neigungen ungestraft ausleben. *** Beim Unkrautjäten im Garten nahm Sara das laute Motorengeräusch aus der Ferne wahr. Sie drehte den Kopf und konzentrierte sich einen Moment auf den satten, dröhnenden Klang des Dieselmotors. Dann war sie sich sicher: Das konnte nur der Jeep ihres Vaters sein! Der Auspuff war schon mehrfach geschweißt worden, doch immer wieder entstanden auf den vielen unbefestigten Schotterpisten in Kazarnik neue Löcher, die diese unverkennbaren Geräusche erzeugten. Sie ließ die Harke fallen und lief um das Haus herum zur Einfahrt. Wie fast jeden Freitag kam der Papa mit einem Korb voller Lebensmittel nach...