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E-Book, Deutsch, 144 Seiten
Schnuck Change-Management in der Kita
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-451-83709-8
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Veränderungsprozesse aktiv und nachhaltig gestalten
E-Book, Deutsch, 144 Seiten
ISBN: 978-3-451-83709-8
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Marcus Schnuck ist gelernter Erzieher, studierter Soziologe und Pädagoge (M.A.) sowie anerkannter systemischer Berater und Supervisor (SG). Er begleitet Teams in Veränderungsprozessen und verhilft Leitungen zu mehr Aufgaben- und Rollenklarheit.
Autoren/Hrsg.
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2. Grundlogik der Gestaltung von Veränderungsprozessen
Die Themen in diesem Kapitel sind
? Grundlegendes Verständnis für Ziele und Zweck von Change-Prozessen
? Methodische Ansätze zur Gestaltung von Veränderungsprozessen
? Erfolgsfaktoren und Herausforderungen
? Bedeutung von Partizipation, Entscheidungen und Dokumentation
? Die Rolle der Leitung und externer Begleitung
»Im ersten Schritt versuchen wir, unseren Visionen freien Lauf zu lassen und groß zu denken. Hierbei hilft es, einen neuen Blickwinkel einzunehmen, einen kulturellen Perspektivwechsel zulassen, uns von den Kindern, ihren Familien und den anderen Teammitgliedern inspirieren zu lassen und uns eine Welt vorzustellen, in der alles möglich ist. Im zweiten Schritt werden die Visionen in Etappenziele unterteilt. Etappenziele, an denen wir gemeinsam arbeiten, immer wieder überprüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind, ob wir unsere Werte und unser Ziel noch vor Augen haben. Wir überlegen gemeinsam, was sich bewährt hat und was vielleicht nicht so umsetzbar ist, wie wir es uns gedacht haben. Durch die kontinuierliche Reflexion bleiben wir am Ball. Für das Erreichen der Ziele setzen wir uns Termine. Über erreichte Etappenziele freuen wir uns. Wir denken dabei an die Perspektiven, die Veränderungsprozesse uns bieten. Wir wollen den Alltag für die Kinder so reibungslos, bedürfnis- und bildungsorientiert wie möglich gestalten. Und als Fachkräfte wollen wir Abläufe vereinfachen, Spaß bei der Arbeit haben und möglichst viele Dinge tun, die uns Freude bereiten« (Franz 2023, S. 6).
2.1 Ziel von Veränderungsprozessen
Das Ziel von Veränderungsprozessen ist die Bewältigung von jeweils konkreten Problemen. Darüber hinaus geht es darum, die Selbstorganisationsfähigkeit der jeweiligen Kita zu stärken (vgl. Kapitel 1.1.2).
Selbstorganisation meint einen Prozess, der von außen nicht direkt gesteuert, aber unterstützt werden kann. Wenn sich die Elemente eines sozialen Systems hinreichend vernetzen, können sich (neue) Muster herausbilden. Sie können auch dann entstehen, wenn ihre konkreten Ursachen im Verborgenen bleiben. So kommt es zum Übergang von Unordnung zu Ordnung oder von einer Ordnung zu einer anderen. Hat sich eine bestimmte Ordnung gebildet, »ordnen« sich fortan alle (weiteren) Elemente entsprechend dieser Ordnung (vgl. Schiersmann & Hausner 2023, S. 28ff.). Das System ist stabil. Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden:
PRAXISBEISPIEL
Neue Leitung – neuer Führungsstil
In der Kita kommt es zu einem Leitungswechsel. Die neue Leitung praktiziert einen deutlich partizipativeren Führungsstil als ihre Vorgängerin. Damit bricht sie mit der bisher bestehenden Ordnung. Die Mitarbeitenden könnten nun deutlich mehr selbst entscheiden, als sie es aktuell tun. Sie orientieren (ordnen) sich jedoch noch überwiegend an dem alten Muster, dem weniger partizipativen Führungsstil.
Nach und nach stellen sich die Leitung und das Team aufeinander ein. Die Leitung findet heraus, wie sie die Dinge gestalten kann, damit ihr Team Lust hat, entscheidungsfreudiger zu sein. Das Team erkennt seinerseits, welche Vorteile ihnen der partizipativere Führungsstil bringt. Indem Leitung und Team zueinanderfinden, bildet sich eine neue Führungskultur in der Kita und damit eine neue Ordnung. Diese zeigt sich zum Beispiel darin, dass es nun nicht mehr allein die Leitung ist, die dem Team aufzeigt, wo es partizipieren kann. Jetzt benennen auch die Teammitglieder klar, an welchen Entscheidungen sie beteiligt werden bzw. welche Dinge sie selbst entscheiden möchten.
Mit der Herausbildung einer neuen Ordnung hat der von der Leitung initiiere Prozess, einen partizipativen Führungsstil zu etablieren, eine Eigendynamik entwickelt. Einerseits hat die Leitung ihr Ziel erreicht, andererseits kann sie sich von der dazugehörigen Dynamik nicht lösen oder gar unabhängig machen. Sie tut folglich gut daran, sich ihrerseits von der neuen Dynamik »ordnen« zu lassen und ihren Führungsstil jetzt ihrerseits an die neue entstandene Kultur (Ordnung) anzugleichen. Das heißt, sie akzeptiert auch Beteiligungswünsche, die sie von sich aus nicht angeboten hätte. Anhand dieser Wechselwirkungen zeigt sich, dass Selbstorganisation kreisförmig (zirkulär) gedacht wird und nicht in Form einfacher Wenn-dann-Ketten.
Dass es der Leitung möglich war, die bestehende Ordnung zu irritieren und eine Veränderung anzustoßen, liegt daran, dass in Prozessen der Selbstorganisation sogenannte Kontrollparameter existieren. Zur Selbstorganisation fähige Systeme können aktiviert und energetisiert werden. Einflussfaktoren, die die inneren Wechselwirkungen der Systemelemente aktivieren und steuern, werden als Kontrollparameter bezeichnet. Sie tragen entweder zur Aufrechterhaltung bestehender Muster bei oder fördern deren Destabilisierung (vgl. Schiersmann & Hausner 2023, S. 29).
In der Welt der Physik ist das zum Beispiel Energie in Form von Wärme. Führt man Wasser eine »kritische Menge« Energie (Wärme) zu, fängt es an zu kochen und beginnt damit gasförmig zu werden. Im Kontext des Sozialen lassen sich diese Kontrollparameter nicht so ohne weiteres übertragen. Doch kann man sagen: Bei sozialen Systemen sind zum Beispiel die Motivation zur Veränderung oder vorhandene Ressourcen entscheidende Kontrollparameter (vgl. ebd.). Diese Kontrollparameter werden Gelingens- oder Erfolgsfaktoren genannt (siehe Kapitel 2.5.1).
Wenn Selbstorganisation als Ziel von Veränderungsprozessen benannt wird, ist die Fähigkeit gemeint, aus sich heraus einen Prozess der Veränderung beginnen und gestalten zu können. Die Stärkung der Selbstorganisationsfähigkeit soll dazu beitragen, dass die Problemlösefähigkeit eines Kita-Teams und dessen Innovationsfähigkeit erhöht wird (vgl. Schiersmann & Thiel 2018, S. 5). Das Gelernte kann dann auf andere Situationen übertragen werden, und somit können bestimmte Fähigkeiten und Erfahrungen für künftige Herausforderungen genutzt werden (Reflexion und Transfer) (vgl. ebd., S. 54).
2.2 Visionen und Leitbilder im Veränderungsprozess
2.2.1 Was sind Visionen?
»Den Fokus nur auf das Nützliche zu richten, ist nicht lebensfähig. (…) Menschen brauchen Ideen und Bilder, die ihr Handeln beeinflussen. Mit nur formulierten Zielbeschreibungen verhungern die Ideen. Wer einen Visionsprozess anregt, startet ein neues Gespräch. So entstehen Gedanken und Ideen aus der Zukunft für die Jetztzeit« (Anderl & Reineck 2016, S. 322).
PRAXISBEISPIEL
Eine gemeinsame Vision entwickeln
Der Studientag für die Reflexion der pädagogischen Arbeit (siehe Seite 21f.) ist gekommen. Wie geplant, setzt sich das Team mit den Fragen »Wo stehen wir pädagogisch?« und »Stehen wir dort, wo wir stehen wollen?« auseinander. Dabei stellen die Teilnehmer:innen fest, dass sie die zweite Frage sowohl mit einem Ja als auch mit Nein beantworten können. Die Projektarbeit ist ihnen als Schwerpunkt nach wie vor wichtig, allerdings räumen sie ein, versäumt zu haben, neue Kolleg:innen ausreichend über ihr Verständnis von Projektarbeit und ihre Vorstellungen zur Umsetzung zu informieren.
Parallel dazu hat das Thema »Partizipation« in der Kita Sonnenschein eine immer größere Bedeutung bekommen. Doch ist es wichtig geworden, ohne in ausreichendem Maße geplant oder gesteuert worden zu sein. Dadurch kommt es immer wieder zu Missverständnissen und Spannungen zwischen den Erwachsenen. Bei den Kindern führte mangelnde Einheitlichkeit immer wieder zu Ärger und Enttäuschung. Um eine grundsätzliche Ausrichtung zu bekommen, hat Leiterin Susanne eine kreative Methode vorbereitet, mit der ihr Team visionieren kann, wie die Kita Sonnenschein in fünf Jahren aussehen könnte. »Träumen« ist hier ausdrücklich erwünscht.
Am Ende sind es drei Aspekte, die dem Team besonders am Herzen liegen:
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• Selbstwirksamkeit – sowohl für die Kinder als auch für die Fachkräfte,
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• Positive Beziehungserfahrungen – das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein,
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• Inklusion.
Und Erzieherin Rana gelingt es, die wünschenswerten Aspekte in einem Satz zusammenzufassen: »Wir sind ein Haus für alle Kinder, in dem jede und jeder Selbstwirksamkeit in Gemeinschaft erleben kann.«
Visionen sind Ideen, Vorstellungen und Träume, die in der Zukunft liegen. Sie sind weniger konkret und greifbar als Ziele und lassen sich oft nur schwer in Worte fassen, sondern eher in Bildern ausdrücken. Sie berühren und inspirieren Menschen, ermöglichen es uns, über uns selbst hinauszuwachsen, und verleihen selbst schwierigen Aufgaben eine gewisse Leichtigkeit. Daher wird zunehmend erkannt, dass die Fähigkeit zur Vision auch in Unternehmen und Organisationen...