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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 158 Seiten

Reihe: Klassiker der Wissenssoziologie

Schnettler Thomas Luckmann

E-Book, Deutsch, Band 1, 158 Seiten

Reihe: Klassiker der Wissenssoziologie

ISBN: 978-3-7445-1600-6
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Thomas Luckmann – Ein 'Klassiker der dritten Generation'. Thomas Luckmann gilt als kardinaler Bezugsautor für das Wiedererstarken der verstehenden, interpretativen Soziologie in den letzten Jahrzehnten. Die gemeinsam mit Peter L. Berger verfasste 'Gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit' rangiert zusammen mit Werken Max Webers und Emile Durkheims unter den zehn bedeutsamsten soziologischen Büchern überhaupt. Luckmanns Werk hat eine Wirkung entfaltet, die jedoch weit über die Soziologie hinausreicht. Es umfasst Beiträge zur Methodologie und Lebensweltanalyse, zu Handeln und Wissen, zu Religion, zu Sprache und Kommunikation, sowie zu Identität und Moral. Der einleitende Band von Bernt Schnettler gibt einen Überblick über das Werk von Thomas Luckmann, das in seinem biografischen und geschichtlichen Kontext dargestellt wird. Hervorgehoben wird die für Luckmann insgesamt prägende, höchst produktive Verknüpfung zentraleuropäischer mit amerikanischen Denktraditionen. Dabei wird deutlich, dass Luckmann nicht nur ein lebendes Beispiel für die Nachkriegsentwicklung der Soziologie insgesamt darstellt, sondern auch für die gelungene Grenzwanderung zwischen unterschiedlichen Kulturräumen und Wissenschaftstraditionen. Weitere Infos zur Reihe: www.uvk.de/kw
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I Thomas Luckmann: Grenzgänger zwischen Europa und Amerika
Als Kind eines slowenisch-österreichisches Ehepaares und als Auswanderer in die USA, der später wieder nach Europa zurückgekehrt ist, hat Thomas Luckmann zur Verbindung von europäischem und nordamerikanischem Denken beigetragen. In seiner Soziologie schlägt sich die Begegnung verschiedener intellektueller Strömungen und Kulturen nieder, die er auch selbst verkörpert. Diese Begegnung verschiedener Kulturen prägt den Lebensweg Luckmanns, der nachfolgend in seinen wichtigsten Stationen skizziert wird. Beginnen wir mit einem würdigenden Rückblick auf ein wissenschaftliches Wirken, das seinen Anfang unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nimmt:6 Thomas Maria Theodor Luckmann wird am 14. Oktober 1927 im Oberkrainischen Jesenice (Assling) geboren, »in einem Bergtal Sloweniens, im damaligen Königreich Jugoslawien. In jener fluss- und waldreichen Gegend zwischen den Karawanken und den Julischen Alpen« (1997: 21), die schon die Heimat seiner Vorfahren war. Die von den Karawanken, den Steiner Alpen und den Julischen Alpen gesäumte Region, in der Luckmanns Ahnen aufwuchsen, war schon seit der Zeit der Völkerwanderung ein Gebiet, das sich durch seine starke kulturelle und ethnische Vermischung auszeichnete. Wie die familiäre und regionale Herkunft zeigt,7 ist es nicht übertrieben, den 1927 auf dem Gebiet des damals noch Österreich-ungarischen Vielvölkerstaates geborenen Luckmann als einen ›multi-kulturellen‹ Sozialtheoretiker zu bezeichnen. Denn die kulturelle Melange, in die er hinein geboren wird, wird seine Biografie und insbesondere sein wissenschaftliches Werk nachhaltig prägen. Die Welt stets aus dem Blickwinkel mehrerer sozialer ›Konstruktionen der Wirklichkeit‹ zu betrachten, ist ihm gleichsam in die Wiege gelegt. Luckmann ist mütterlicherseits slowenischer und väterlicherseits österreichischer Abstammung. Deshalb wächst er von Kindesbeinen an mehrsprachig auf. Im mütterlichen Zweig der Verwandtschaft kommt er mit der slowenischen Kultur, im väterlichen mit der deutschen Sprache in Berührung und wird in ein Milieu hineinsozialisiert, in der Zweisprachigkeit zu den Selbstverständlichkeiten des Alltags gehört.8 Früh lernt er, die Welt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, die wiederum – mindestens zum Teil – ineinander übersetzbar sind, immer aber auch ganz eigene Wirklichkeitskonstruktionen beinhalten. Und er lernt, um mit Simmel (1908) zu sprechen, durch den privilegierten Blick des je Fremden die andere Welt objektiv und in ihrer jeweiligen ›Künstlichkeit‹ zu entdecken.9 Das führt aber keineswegs zu einem gebrochenen, sondern ganz im Gegenteil zu einem doppeltem Verhältnis der Kultur gegenüber: slowenisch ist seine Muttersprache, Deutsch die Vatersprache. Genau genommen wächst Luckmann nicht nur zweisprachig, sondern– den örtlichen Dialekt und die ›Sprache der Literatur‹ mitgerechnet – gleichzeitig in vielen, verschiedenen kulturellen Wirklichkeiten auf. Dies begründet die schon in Kindheit und Jugend ausgeprägten »sprachlich bedingten mehrperspektivischen Erfahrungen«, die gespeist werden aus einem »Leben im großen, sprachlich doppelten Verwandtenkreis, in der Schule, unter Spielkumpanen unterschiedlicher sozialer und völkischer Herkunft und aus meinem Parallel-Leben in historischer Fiktion« (1997: 23) und die, außerordentlich früh, seine intellektuellen Fähigkeiten befördern: »Zweisprachig und infolge des Umgangs mit meinen Altersgenossen mit der lokalen Mundart ausgestattet, lernte ich mit Hilfe der Großbuchstaben bei Todesanzeigen in der im Haus gehaltenen slowenischen Tageszeitung und den zur Bedeutung der Buchstaben von meiner Mutter eingeholten Auskünften früh lesen« (1997: 22).10 Luckmann selbst bezeichnet sich als Angehöriger einer »Zwischen-Generation«: »Ich vermute, dass das alte Österreich über seine faktische Existenz hinaus, auch über die Lebensdauer der in ihm geborenen Generationen hinaus, die lebensgeschichtliche Grundverfassung einer mitteleuropäischen Zwischen-Generation entscheidend mitbestimmte« (1997: 19). Diese Generation erlebt den Wechsel der politischen Konstruktion des Staatsgebildes – und damit die prinzipielle Zerbrechlichkeit politischer Gesellschaftsordnung – am eigenen Leib. Es ist die Generation derjenigen »in der Ersten Republik geborenen, ostmärkisch erwachsenwerdenden und in der Zweiten Republik alternden Mitglieder«, für die es, wie Luckmann schreibt, keine ausschließliche Außenperspektive auf Österreich (1997: 19), sondern immer die Doppelperspektive des von Innen wie von Außen gelebten Landes gibt. Als Kind besucht Luckmann zunächst die slowenische Grundschule in Jesenice, dem sich das altsprachliche Gymnasium in Ljubljana (Laibach) anschließt. Im Jahre 1941 erlebt seine bis dahin mehr oder minder ruhig verlaufende Biografie durch den Zweiten Weltkrieg dramatische Einschnitte, die sowohl die politische Verfassung als auch die Familie persönlich hart treffen: Jugoslawien wird okkupiert, ein Teil dem Deutschen Reich einverleibt11, darunter auch die Krain. Laibach hingegen gerät unter italienische Besatzung, woraufhin Luckmann auf das Gymnasium nach Klagenfurt wechseln muss. Dort verbringt er ein Jahr, muss allerdings nach dem gewaltsamen Tod seines Vaters, der 1942 bei einem politisch motivierten Attentat von kommunistischen Partisanen erschossen wird, weiter in Villach zur Schule gehen. Daraufhin zieht seine Mutter »wohlweislich, wie sie dachte«, mit ihm mitten im zweiten Weltkrieg 1943 nach Wien um (vgl. 1997: 24), wo die Familie zahlreiche Verwandte hat. Hier besucht er das Gymnasium – allerdings nur für ganz kurze Zeit. Denn weil Slowenien während des Zweiten Weltkrieges von Hitlerdeutschland annektiert und der ›Ostmark‹ eingegliedert wird und nicht einfach nur besetzt ist, wie der Rest Jugoslawiens, untersteht Luckmann formell als ›deutscher Staatsbürger‹ nun der Wehrpflicht. Er wird direkt von der Schule »stante pede zu den sogenannten Flakhelfern bei einer Flugzeugabwehr-Batterie im Wienerwald« eingezogen (ebd.). Damit ereilt ihn, wie viele seiner Altersgenossen, das Schicksal, Luftwaffenhelfer werden zu müssen.12 Anders als so viele seiner Generation13 scheint ihn der Krieg jedoch recht wenig begeistert zu haben. Gleichwohl ist der zum schlagartigen Erwachsenwerden verdammte Jugendliche von einer anderen großen Faszination eingenommen: dem Fliegen. Deshalb absolviert er damals zur gleichen Zeit eine Segelflugausbildung in Kärnten. Neben jugendlicher Faszination mag vielleicht auch guter Rat oder strategische Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Denn gerade diese Ausbildung bot die beste Gelegenheit, sich vor der Gefahr zu schützen, zum weitaus gefährlicher geltenden Heer eingezogen zu werden. Luckmann, der mit 16 Jahren einen Segelkurs gemacht und eine Pilotenlizenz erhalten hatte, meldet sich mit 17 Jahren als »Freiwilliger« bei der Deutschen Luftwaffe, um der Einberufung zur Infanterie zu entgehen. Diese jugendliche Entscheidung sollte später unerwartete Konsequenzen haben. Zunächst geht Luckmanns Plan auf: Nach der Segelflugausbildung wird er zur Luftwaffe einberufen und in die fliegende Personal-Ausbildung aufgenommen. Er absolviert allerdings nurmehr die allgemeine reguläre militärische Grundausbildung. »Ich kam zur ›richtigen‹ Luftwaffe, und das nicht mehr in Wien […] es gab keine Kameraden aus Gymnasialklasse, Flakbatterie, Segelflugausbildung. Nur noch Krieg an den schrumpfenden Grenzen des Tausendjährigen Reichs, am eigenen Leib.« (1997: 25) Noch während der Rekrutenzeit wird seine Einheit in Ostpommern von den bis nach Stettin vorgedrungenen Truppen der Roten Armee eingekesselt und muss über die Landbrücke via Usedom und Wollin fliehen; sie irrt dann später in Zügen quer durch Deutschland. Luckmanns Traum vom Fliegen sollte sich nicht mehr erfüllen. Offenbar um weiter formell ein Luftwaffenverband zu bleiben, wird die Einheit zu ›Fallschirmjägern‹ – allerdings nur dem Namen nach. Zwar ist Luckmann, wie erhofft, bei Einheiten der Luftwaffe eingesetzt, allerdings erst »unfliegend« und später dann »unspringend«, wie er betont. Zu seiner großen Enttäuschung ist er, was das Fliegen betrifft – vom Segelfliegen abgesehen – immer am Boden geblieben. Später wird er nach Böblingen verlegt und erhält, als kaum siebzehneinhalbjähriger ›Rottenführer‹ für zwölf Kameraden des Volkssturm verantwortlich, den Auftrag, über die Donau nach Illertissen zu ziehen, um Luftlandetruppen abzufangen. Luckmann hält sein Schicksal schon für besiegelt – glücklicherweise aber landen die feindlichen Truppen nicht. Doch sofort folgt ein weiteres Himmelfahrtskommando: Quer durch Deutschland, überwiegend zu Fuß, manchmal mit Fuhrwerken, geht es bis nach Niederbayern. Das Ziel: die ›Festung Alpenland‹....


Bernt Schnettler ist Professor für Soziologie an der Universität Bayreuth. Er ist Herausgeber der Schriftenreihe 'Klassiker der Wissenssoziologie' (www.uvk.de/kw).


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