Schnettger | Kaiser und Reich | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 406 Seiten

Schnettger Kaiser und Reich

Eine Verfassungsgeschichte (1500-1806)
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-17-031352-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Verfassungsgeschichte (1500-1806)

E-Book, Deutsch, 406 Seiten

ISBN: 978-3-17-031352-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



This book recounts the constitutional history of the Holy Roman Empire from the late 15th century up to the end of the Empire in 1806, using a dual approach. Following a chronological overview of the development of the imperial constitution, in-depth systematic chapters are devoted to the Empire=s institutions and protagonists and the ways in which it functioned. The negotiation of power between the emperor and the imperial Estates at the imperial diets is discussed, along with ceremonials and the importance of the ?local empire= for imperial subjects. Separate sections are devoted to the peripheries of the empire, imperial public relations, and historiography. Matthias Schnettger combines classical constitutional history with the findings of recent research in social and cultural history. In this way, he succeeds in vividly presenting both the institutions and standards and also the changing constitutional realities of the Empire in a concise and highly readable introduction.

Matthias Schnettger is Professor of Early Modern History at Johannes Gutenberg University in Mainz.
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1          Kaiser und Reich um 1500


1.1       Das Reich um 1500


Wenn man eine Geschichte des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation um 1500 beginnen lässt, befindet man sich im Einklang mit der gängigen Epocheneinteilung und mit vielen bereits vorliegenden Reichsgeschichten. Jenseits aller Konventionen sprechen gewichtige sachliche Gründe für diese Entscheidung. Denn in den Jahrzehnten um 1500 erlebte das Reich eine Phase grundlegender Transformationen und Neuformierungen – Prozesse, die es im Folgenden näher zu betrachten gilt. Zugleich aber können die vorangegangenen Perioden der Geschichte des damals immerhin schon siebenhundertjährigen Reichs nicht gänzlich ausgeblendet werden, denn trotz aller Veränderungen lassen sich doch auch eine Reihe von Kontinuitäten zu den Jahrhunderten des Spätmittelalters beobachten. Immer noch war das Reich dem Anspruch nach die Fortsetzung des Römischen Kaisertums, das gemäß der Theorie der Translatio Imperii unter Karl dem Großen im Jahr 800 auf die Franken übergegangen war und seit der Kaiserkrönung Ottos I., des Großen, 962 mit dem deutschen Königtum verknüpft war. Die hochmittelalterliche Trias der drei Regna Deutsches Reich, Italien und Burgund/Arelat, die zusammen das Reich bildeten, bestand zwar de facto nicht mehr – die letzte burgundische Königskrönung hatte 1365 stattgefunden, und der Großteil des Arelats war längst unter französische Herrschaft geraten. Aber immer noch führte der deutsche König den Titel »Römischer König« und hielt an seinem Anspruch auf Italien und das Kaisertum fest. Dieser Anspruch manifestierte sich am deutlichsten bei den Romzügen der Könige, denn üblicherweise wurden sie nicht nur in Rom durch den Papst zum Kaiser, sondern auch in Mailand oder Pavia mit der Eisernen Krone der Langobarden gekrönt. Die Divergenzen zwischen den hehren Ansprüchen und den begrenzten finanziellen, personellen und militärischen Ressourcen des Reichsoberhaupts waren jedoch erheblich. Insbesondere an den Peripherien des Reichs, wie eben in Italien, aber auch in den Grenzgebieten zu Frankreich, war der Autoritätsverlust des Römischen Königs bzw. Kaisers evident. Anders als etwa in England und Frankreich bildete sich zudem im deutschen Reichsteil keine starke monarchische Zentralgewalt heraus. Der Institutionalisierungsgrad auf Reichsebene blieb gering.1

Kennzeichnend und folgenreich für die Entwicklung des Reichs im Spätmittelalter war ein forcierter Territorialisierungsprozess. Der Konzentration von Herrschaftsrechten in den Händen regionaler geistlicher oder weltlicher Großer hatte Kaiser Friedrich II. Vorschub geleistet, als er ihnen in der Confoederatio cum Principibus Ecclesiasticis (1220) bzw. im Statutum in favorem Principum (1231/32) wichtige Regalien überlassen hatte. Nach und nach gelang es einer Reihe von geistlichen und weltlichen Fürsten, die in ihren Händen gebündelten Herrschaftsrechte zum Aufbau von mehr oder weniger ausgedehnten Landesherrschaften zu verdichten, konkurrierende Herrschaftsträger dagegen zurückzudrängen oder auszuschalten. Dabei handelte es sich um einen langwierigen Prozess, der bis zum Beginn der Frühen Neuzeit zwar schon weit vorangeschritten war, aber in manchen Gegenden erst nach dem Ende des Alten Reichs zum Abschluss gebracht wurde. Historische Karten vermitteln einen guten Überblick über die Vielgestaltigkeit und Kleinteiligkeit der deutschen Territorienlandschaft seit dem ausgehenden Mittelalter. Gleichzeitig suggerieren sie eine Abgeschlossenheit von Territorien und eine Eindeutigkeit von Grenzen, die so in den allermeisten Fällen nicht gegeben waren. Der weiter voranschreitende Territorialisierungsprozess ist ein Element, das auch noch die frühneuzeitliche Reichsgeschichte wesentlich prägte.

Der Mediävist und Landeshistoriker Peter Moraw hat durch seine Forschungen die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass die Regionen des Reichs verschiedene Profile entwickelten und in unterschiedlicher Weise in das Reich als Kommunikations- und Handlungsraum eingebunden waren.2 Eine Sonderrolle nahmen nach Moraw die Stammlande des jeweiligen Königs bzw. Kaisers ein, da er dort die landesherrlichen und die königlich-kaiserlichen Rechte in seiner Hand bündelte. Insofern bildeten die Stammlande zweifellos einen Nukleus der königlichen bzw. kaiserlichen Herrschaft im Reich. Andererseits konnten sie auch ein Eigenleben entwickeln, sich vom Rest des Reichs entfernen, insbesondere dann, wenn sie, wie die Stammlande der Luxemburger oder der Habsburger, eine beträchtliche Größe und territoriale Geschlossenheit erreichten und zudem geographisch an der Peripherie des Reichs lagen. Eine herausgehobene Stellung hatten – so Moraw – ebenfalls die Lande der Kurfürsten, der Königswähler, inne. Auch hier war der Territorialisierungsprozess vergleichsweise weit fortgeschritten. Zugleich aber waren v. a. die Herrschaftsgebiete der rheinischen Kurfürsten, der Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie des Pfalzgrafen bei Rhein, eng in die Kommunikationsstrukturen des Reichs eingebunden.

Während man die kaiserlichen und kurfürstlichen Lande recht genau zuordnen kann, ist die Trennschärfe bei den anderen Kategorien Moraws, den königsnahen, königsoffenen und königsfernen Regionen, weniger eindeutig. Das gilt umso mehr, als der Grad der Einbindung einzelner Regionen in den Handlungsraum Reich sich im Lauf der Zeit ändern konnte. Dennoch sind diese heuristischen Begriffe nützlich, um zum Ausdruck zu bringen, dass es königsnahe Gebiete gab, in denen der König, wie in Schwaben, in Franken und am Oberrhein, vergleichsweise große Handlungsspielräume besaß, auch immer wieder physische Präsenz zeigte, königsoffene Gebiete, in denen das Reichsoberhaupt zumindest von Fall zu Fall mit Erfolg intervenierte, wie am Niederrhein und in Westfalen, und königsferne Gebiete, in denen der König kaum je Präsenz zeigte und nur gelegentlich einzugreifen vermochte, wie in Norddeutschland, den Niederlanden oder Italien. Für den Frühneuzeithistoriker sind die von Moraw gebildeten Kategorien v. a. deswegen interessant, weil sie sich auch als nützlich erwiesen haben, um das frühneuzeitliche Reich zu erfassen. Allerdings spricht man für die Frühe Neuzeit üblicherweise von reichsnahen bzw. -fernen Regionen und berücksichtigt damit die Beziehungen nicht nur zum Oberhaupt, sondern auch zu anderen Institutionen des Reichs. Außerdem lassen sich einige Traditionslinien von den regionalen mittelalterlichen Kommunikationsräumen zu den frühneuzeitlichen Reichskreisen erkennen.

Trotz seiner begrenzten Machtfülle war der König bzw. der Kaiser ein zentraler, wenn nicht der zentrale Akteur des Reichs. Das deutsche Königtum war eine Wahlmonarchie. Doch anders als im Zeitalter der »springenden Wahlen« im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert, als die Kurfürsten Männer aus unterschiedlichen Dynastien gewählt hatten, um ein übermächtiges Königtum zu verhindern, entwickelten sich seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts dynastische Verfestigungstendenzen in den Häusern Luxemburg und Habsburg. Ohne dass das Wahlprinzip aufgegeben wurde, wurden seit 1346/47 mit der einzigen Ausnahme Ruprechts von der Pfalz (1400) nur noch Angehörige dieser beiden Familien gewählt. Denn nur diese verfügten angesichts des weitgehenden Verlustes des früheren Reichsgutes über die nötige Hausmacht, um die Last der Krone zu tragen und um ein Mindestmaß an königlicher Autorität aufrechtzuerhalten. Zumal der Luxemburger Karl IV. erlangte zeitweise eine hegemoniale Stellung im Reich. Anders aber als im Zeitalter der Ottonen, Salier und Staufer lag die Machtbasis der spätmittelalterlichen Reichsoberhäupter im äußersten Osten des Reichs, in den Ländern der Böhmischen Krone bzw. der österreichischen Ländergruppe. Man kann daher von einem Randkönigtum sprechen, das von der Peripherie aus das Reich zu regieren versuchte.3

Der Herrschertitel »Römischer König« signalisierte die Anwartschaft der deutschen Könige auf die Kaiserkrone. Im 14. und 15. Jahrhundert erlangten immerhin fünf von ihnen in Rom die höchste weltliche Würde der Christenheit. Die Kehrseite der Medaille dieser Verbindung von deutscher Königs- und Römischer Kaiserkrone war, dass der Papst als derjenige, der nach eigenem Selbstverständnis die Kaiserkrone zu vergeben hatte, bei der deutschen Königswahl ein Approbationsrecht beanspruchte. Dieser Anspruch wurde jedoch von den...


Matthias Schnettger is Professor of Early Modern History at Johannes Gutenberg University in Mainz.



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