Schneider / Heyden / Werth | Liturgisches Handeln im öffentlichen Raum | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 276 Seiten

Schneider / Heyden / Werth Liturgisches Handeln im öffentlichen Raum

Eine Handreichung für Mitarbeitende in der Polizeiseelsorge

E-Book, Deutsch, 276 Seiten

ISBN: 978-3-7519-3880-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Liturgisches Handeln im öffentlichen Raum ist riskantes liturgisches Handeln. In Vorbereitung und Durchführung gilt es vieles sorgfältig zu bedenken und zu planen. Dieser Band bietet einen Überblick über die zu klärenden Fragen, Entscheidungshilfen und Vorschläge für die Planung und Durchführung öffentlicher Liturgien. Er wendet sich primär an Polizeiseelsorgerinnen und Polizeiseelsorger, ist aber darüber hinaus für alle von Interesse, die im öffentlichen Raum selbst liturgisch handeln oder dafür die Verantwortung tragen.
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1 Theologische Reflexionen zur Einführung
Es ist für viele Menschen durchaus eine Frage, warum es angesichts der weltanschaulichen Neutralität des Staates bzw. der Trennung von Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland doch sehr viele Anlässe gibt, die geistlich begleitet werden. So werden Gottesdienste gefeiert aus Anlass von besonderen Trauerfällen mit bzw. in öffentlichem Interesse, etwa als Trauer- oder Gedenkfeiern für Polizist_innen, insbesondere, wenn diese bei der Dienstausübung zu Tode gekommen sind, aber ebenso auch aus Anlass von bevorstehenden Graduierungen sowie in manchen Bundesländern auch im unmittelbaren Kontext von Vereidigungen. Gottesdienste außerhalb eines regulären Gemeindegottesdienstes sind anlassbedingt und gelten deshalb als Kasualien. Sie können sowohl im öffentlichen Raum als auch polizeiintern stattfinden. Geistliche Begleitung geschieht aber über die traditionellen gottesdienstlichen Formate hinaus auch in Form von Ansprachen oder einer spezifischen Wahl liturgischer Elemente, etwa bei der Einweihung polizeilicher Dienststellen. Polizeiseelsorge stellt sich insofern in besonderer Weise auf den Menschen in der Polizei ein. Durch das Angebot einer berufsspezifischen seelsorglichen Begleitung von Polizist_innen nehmen die Kirchen ernst, dass es sich um spezifische Herausforderungen und Gefährdungen handelt, mit denen diese Berufsgruppe zu tun hat. Die Position der evangelischen Kirchen stellt Kurt Grützner so dar: „Polizeiseelsorge ist Teil des sozialdiakonischen Beitrags der Evangelischen Kirche mit dem Ziel der Humanisierung unserer Gesellschaft ...“6. Im Sinne dieser anthropologischen Sichtweise qualifiziert Wilhelm Gräb das gottesdienstliche Handeln, insbesondere im Rahmen von Kasualien, als Grenzgang: „Es sind die Grenzerfahrungen des Lebens, in denen es Menschen am ehesten in die Kirche drängt. Geboren werden und Sterben. Erwachsenwerden und Heiraten, an diesen Wenden und Grenzüberschritten der Lebensgeschichte haben seit jeher und in allen Kulturen religiöse Rituale ihren sozialen Ort. Die riskanten Lebensübergänge und sinnverwirrenden Grenzerfahrungen mobilisieren die Sensibilität für die religiöse Dimension unserer Erfahrungswelt, weil sie uns mit dem Unbestimmbaren und Unverfügbaren konfrontieren. Die Selbstverständlichkeiten und vermeintlichen Sicherheiten des Alltags zerbrechen, was Halt und Orientierung bot, entschwindet, das Gefühl, dass das Leben eine Richtung hat und seinen Sinn in sich trägt, zerbricht. Natürlich, es gibt auch Grenzerfahrungen, die in eine Steigerung der Lebenszuversicht führen, Lebenshöhepunkte, die das beglückende Gefühl vermitteln, in die Welt zu passen.“7 Im Gegensatz zu privaten Anlässen (vor allem Taufe, Trauung, Beisetzung) agiert Polizeiseelsorge im berufsbiografisch-öffentlichen Bereich (z. B. Vereidigung und Graduierungsfeier) und an der Seite des Staates. Trotz der Trennung von Kirche und Staat sowie dessen weltanschaulicher Neutralität bejaht der Staat die Kooperation mit den Kirchen bei der Ausrichtung der Botschaft des Glaubens, da ihm hier selbst Grenzen gesetzt sind, denn: „Der freiheitliche säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er um der Freiheit willen eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“8 1.1 Biblische Grundlagen Im „Handbuch Polizeiseelsorge“ stellt Werner Schiewek das Verhältnis von „Kirche und Staat in biblischer Perspektive“ dar: „Die Demokratiedenkschrift nennt insgesamt nur vier biblische Texte (Gen 1,27; Jer 29,7; Apg 5,29; Röm 13,1). Betrachtet man die wenigen neutestamentlichen Stellen, dann wird deutlich, dass sich im Neuen Testament überhaupt nur wenige Texte mit dem Phänomen Staat befassen“9. Neben dem wirkungsgeschichtlich bedeutsamen Text Römer 13 hat 1. Petrus 2,17 die protestantische Tradition entscheidend geprägt (Barmer Theologische Erklärung), insbesondere im Kirchenkampf der NS-Zeit. Diese Texte sind bis in die Gegenwart hinein maßgeblich für die Darlegungen in evangelischen Stellungnahmen zum Verhältnis von Kirche und Staat. 1.2 Kirche und Staat nach Römer 13 Im Römerbrief heißt es im 13. Kapitel: „Jedermann soll sich den Behörden, die Gewalt über ihn haben, unterordnen. Denn es gibt keine politische Gewalt, die nicht von Gott ihre Vollmacht hat; alle, die es gibt, bestehen durch Gottes Anordnung. 2 Wer sich daher der politischen Gewalt widersetzt, hat sich damit in Widerstreit zu der Anordnung Gottes gebracht. Wer sich aber gegen Gottes Anordnung empört, wird sein Verdammungsurteil hinnehmen müssen. 3 Denn für die, die das Gute tun, sind die Machthaber ja kein Schrecken; sondern nur für die, die das Böse tun. Willst du also vor der Behörde keine Furcht haben? So tue Gutes, dann wirst du bei ihr Anerkennung finden. 4 Denn sie ist Gottes Dienerin für dich, damit du das Gute tust. Wenn du aber Böses tust, so fürchte dich! Nicht umsonst trägt sie das Schwert, als Gottes Dienerin, die an dem, der Böses tut, das göttliche Zorngericht zu vollstrecken hat. 5 Darum ist es notwendig, ihr zu gehorchen – nicht nur im Blick auf das Zorngericht, sondern auch um des Gewissens willen. 6 Darum zahlt ihr ja auch Steuern. Gottes Beamte sind sie, die sich damit zu befassen haben. 7 Gebt allen, was ihr ihnen zu geben schuldig seid: Steuer, wem Steuer; Zoll, wem Zoll; Furcht, wem Furcht; Ehre, wem Ehre gebührt.“10 Wichtig für die Einschätzung dieses vielbedachten Textes ist es, dass Paulus bei allen Schilderungen natürlich die politischen Verhältnisse seiner Zeit im Blick hat. Er greift auf das jüdische Verständnis vom Staat zurück11, in dem der Staat nicht aus eigener Vollmacht heraus existiert, sondern dem Willen Gottes zugeordnet ist. Paulus interessiert dabei vorrangig die Frage, wie der Mensch Heil erlangen kann, erst in zweiter Linie geht es ihm um die politische Wirklichkeit. Paulus teilte die Anschauung seiner Zeit, dass das Ende der Welt nahe sei. Damit ist auch die Zeit des Staates befristet. Der Theologe Paul Althaus weist darauf hin, dass man sich „nicht auf Römer 13 berufen kann, um jene frag- und kritiklose Untertanengesinnung zu rechtfertigen, die vergessen hat, dass die Autorität Gottes und seine Gebote die Autorität des Staates und die Gehorsamspflicht der Bürger nicht nur begründet, sondern ihnen auch die Grenze zieht [...]“12. Der biblische Text in Römer 13 konnte aber in seiner Auslegungsgeschichte auch ganz anders gelesen werden – eine Rezeption, die unendliches Unrecht zur Folge hatte: Man sah politisches und religiöses Leben als zwei „Reiche“ an, die ihr Leben je für sich getrennt organisieren. Es handelte sich dabei um einen Versuch, das Verhältnis von Staat und Kirche zu beschreiben. Dabei steht der Staat mit seinen Beamt_innen auf der einen Seite und organisiert das weltliche Leben und Zusammenleben, und die Kirche steht auf der anderen Seite, ohne sich um das zu kümmern, was der Staat tut. Diese Lesart gilt gegenwärtig allerdings als missverstandene „Zwei-Reiche-Lehre“, weil sie nicht durch den biblischen Text gedeckt ist. In diesem Sinne positioniert sich der Neutestamentler Ulrich Wilckens: Es ist „nicht sinnvoll […], diesen Text unmittelbar auf unser gegenwärtiges Verhältnis zum Staat zu beziehen. Wohl aber ist es sinnvoll, die Grundgedanken des Textes als solche in unserer heutigen Situation anzuwenden.“13 Nach Wilckens erscheint der Staat hier „als ‚Rächerin zum Zorn‘ [i. S. eines] dem Endgericht Gottes zugeordnetes Organ seines Willens“14, dem „Gehorsam nicht nur aus Furcht vor Strafe, sondern auch um des Gewissens willen“15 geschuldet werden solle. Der Staat habe den Auftrag, das Gute zu tun und dem Bösen zu wehren, begrenzt durch das „Maß der Liebe“16 und nicht mit der Haltung, Böses mit Bösem vergelten zu wollen. Die Perspektive der Rache werde allein Gottes endzeitlichem Gericht zugestanden. Gerade dieser Text wurde vielfach bedacht und auch für fremde Zwecke vereinnahmt und instrumentalisiert, etwa im Zusammenhang des Nazi-Regimes und der Deutschen Christen. Dem widersetzte sich die Bekennende Kirche, was besonders in der Barmer Theologischen Erklärung ihren Ausdruck fand. Die wechselvolle Auslegungsgeschichte von Römer 13 wirkt bis heute nach, u. a. in...


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