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E-Book, Deutsch, Band 1, 241 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm

Reihe: Christentum und Zeitgeschichte (CuZ)

Schneider / Hermle / Oelke Wem gehört Barmen?

Das Gründungsdokument der Bekennenden Kirche und seine Wirkungen

E-Book, Deutsch, Band 1, 241 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm

Reihe: Christentum und Zeitgeschichte (CuZ)

ISBN: 978-3-374-05036-9
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Barmer Theologische Erklärung von 1934, die 'Magna Charta' der Bekennenden Kirche, gehört zu den bekanntesten kirchlichen Texten des 20. Jahrhunderts. Ihre Wirkungsgeschichte ist schillernd, weil sie zur Legitimierung unterschiedlichster Anliegen in Anspruch genommen worden ist. Der Band beleuchtet in knapper, allgemeinverständlicher Weise sowohl die Vorgeschichte und den Inhalt als auch die bunte Rezeptionsgeschichte der Erklärung.
Den Vereinnahmungsversuchen von rechts bis links wird bewusst eine multiperspektivische Sichtweise gegenübergestellt, die etwa neben den uniert-reformierten Bezugnahmen auch die lutherischen in den Blick nimmt, neben den (politisch) progressiven auch die konservativen, für die DDR neben den staatskritischen auch die staatsloyalen, neben den positiv würdigenden auch die kritisch-distanzierten, etwa von 'deutsch-christlicher', liberaler, jüdischer und islamischer Seite.

[Who Owns Barmen? The Charter of the Confessional Church and Its Effects]
The Theological Declaration of Barmen of 1934, the 'Magna Charta' of the Confessional Church, is one of the most famous ecclesiastical texts of the 20th century. Its historical influence is iridescent, mainly because the declaration was used to legitimize quite different viewpoints. In a concise and comprehensible way, this volume sheds light on the genesis and content of the declaration as well as on its varied reception history.
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2 Zur Vorgeschichte
2.1 Zwischen Kontinuität und Aufbrüchen: Die evangelische Kirche vor der nationalsozialistischen Machtübernahme6
Bevor Adolf Hitler und die Nationalsozialisten – übrigens auf legale Weise – am 30. Januar 1933 die Macht übernahmen, bot die evangelische Kirche im Deutschen Reich ein ziemlich buntes Bild. Die 28 evangelischen Landeskirchen waren weitgehend selbstständig und erst seit 1922 lose in einem Kirchenbund zusammengeschlossen. Es gab lutherische, unierte und reformierte Landeskirchen, die keineswegs alle Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft miteinander hatten. Hinzu kam, dass es selbst noch sowohl unter den unierten als auch unter den lutherischen Landeskirchen zum Teil erhebliche verfassungsrechtliche und bekenntnismäßige Unterschiede gab. So unterschieden sich das Luthertum in der Hansestadt Hamburg etwa ganz erheblich von dem auf der schwäbischen Alb und die Verwaltungsunion der altpreußischen Landeskirche von der Konsensusunion der badischen. 2.2 Die Nationalsozialisten und die Religion
Adolf Hitlers Einstellung zur Religion und zu den beiden in Deutschland absolut dominierenden Großkirchen war vor allem taktisch, machtpolitisch bestimmt. Als Katholik, freilich ohne innere Bindung zum Christentum, hatte er zunächst die katholische Kirche im Blick, die er in seiner 1925/26 veröffentlichten Programmschrift »Mein Kampf« grundsätzlich als vergleichsweise positiv, jedenfalls als besser als andere Organisationen bewerten konnte. Offenbar imponierte ihm die jahrhundertealte straffe hierarchische Ordnung der katholischen Kirche. Hitler hielt es zudem für dringend erforderlich, auf die religiösen Gefühle der ganz überwiegend noch christlich geprägten Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. Der Bismarck’sche Kulturkampf gegen die katholische Kirche war deshalb für ihn ein klarer politischer Fehler gewesen. Ebenso versuchte Hitler, völkisch-religiöse Kreise innerhalb seiner nationalsozialistischen Bewegung – etwa um den Grafen Ernst zu Reventlow oder um die Ehefrau des Ex-Generals Erich Ludendorff, Mathilde von Kemnitz (geb. Spieß) –, die zurück zu einem vorchristlich-germanischen Kult strebten, kleinzuhalten. Der Thüringer NSDAP-Gauleiter Artur Dinter wurde deswegen 1927 seines Gauleiterpostens enthoben und später sogar aus der Partei ausgeschlossen. Was Hitler freilich scharf attackierte, war der in der Zentrumspartei – als einer der Säulen der Weimarer Demokratie – organisierte politische Katholizismus. Immer wieder polemisierte er gegen die »politischen Prälaten« und trat für eine strikte Trennung von Kirche und Politik ein. Streitigkeiten zwischen Protestanten und Katholiken schwächten nach Hitlers Überzeugung die Volksgemeinschaft. Allerdings war er realistisch genug, bis auf Weiteres nicht nur mit dem Fortbestehen des Christentums, sondern auch der beiden großen christlichen Konfessionen und Konfessionskulturen in Deutschland zu rechnen. In seiner Partei wollte er konfessionelle Spannungen gar nicht erst aufkommen lassen. Um weder die eine noch die andere Konfession zu brüskieren, sollte die Partei einen überkonfessionellen Charakter haben. In »Mein Kampf« schrieb Hitler: »Darum sei jeder tätig, und zwar jeder, gefälligst, in seiner eigenen Konfession, und jeder empfinde es als seine erste und heiligste Pflicht, Stellung gegen den zu nehmen, der in seinem Wirken durch Reden oder Handeln aus dem Rahmen seiner eigenen Glaubensgemeinschaft heraustritt und in die andere hineinzustänkern versucht.«10 Hitler war auch der Überzeugung, dass man ein klares Feindbild brauche und der Masse niemals zwei oder mehr Gegner zeigen dürfe. Der Feind schlechthin waren für Hitler aber das Judentum, nicht das Christentum oder die Kirchen. Hitler hoffte, die Kirchen gleichsam als Bündnispartner gewinnen zu können, indem er an deren traditionelle antijudaistische Ressentiments appellierte. »Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen. Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden. Sie bekämpft den jüdisch-materialistischen Geist in und außer uns und ist überzeugt, daß eine dauernde Genesung unseres Volkes nur erfolgen kann von innen heraus auf der Grundlage: Gemeinnutz vor Eigennutz.«11 Vermutlich war dieser Artikel bewusst mehrdeutig formuliert worden. Man gab sich einerseits betont christlich (»Standpunkt eines positiven Christentums«), andererseits neutral, indifferent, überkonfessionell (»Freiheit aller religiösen Bekenntnisse«; »ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden«). Schließlich machte man unmissverständlich klar, dass auch die Religion sich der nationalsozialistischen Weltanschauung, genauer der nationalsozialistischen Staatsräson und dem Rassegedanken bzw. dem »Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse«, unterzuordnen hatte und dass zumindest die jüdische Religion nicht nur gar nicht geduldet, sondern sogar aktiv »bekämpft« werden sollte. Viel Rätselraten verursachte auch der Begriff des »positiven Christentums«. Wenn man etwa Rosenbergs »Mythus« liest, so war damit jedenfalls nicht die »negative« biblische Botschaft gemeint, dass der Sohn Gottes in der Bergpredigt Rechtsverzicht statt Rache predigte und sich schließlich am Kreuz für die Sünden der Menschen opferte. 2.3 Die nationalsozialistische Kirchenpartei der »Deutschen Christen« (DC)
Völlig uneingeschränkt positiv stand innerhalb des deutschen Protestantismus die »Glaubensbewegung Deutsche Christen« den Nationalsozialisten gegenüber. Diese Kirchenpartei hatte im Wesentlichen zwei Wurzeln, zum einen den radikaleren »Bund für Deutsche Kirche«, auch »Deutschkirchler« genannt, denen es um eine Germanisierung des Christentums ging, zum anderen die gemäßigtere »Christlich-Deutsche Bewegung«, deren Ziel eine Christianisierung der nationalistischen Bewegungen war. Der Name »Deutsche Christen« tauchte zum ersten Mal in Thüringen auf. Hier traten bei den Kirchenwahlen Ende 1931 zwei junge Pfarrer, Siegfried Leffler und Julius Leutheuser, mit einer eigenen Liste mit dem Namen »Kirchenbewegung Deutsche Christen« an. Leffler und Leutheuser, die beide NSDAP-Mitglieder waren, verstanden sich als dezidiert politische Pfarrer, die ihre Pfarrertätigkeit mit politischer Agitation im völkisch-nationalistischen Sinne verbanden. Sie waren 1927/28 aus der bayerischen Landeskirche, deren konfessionell lutherische Prägung sie als zu eng empfunden hatten, in die zwar ebenfalls lutherische, aber als liberal geltende thüringische Landeskirche gewechselt. Die Thüringer »Deutschen Christen« bildeten auch später noch sozusagen den harten – besonders radikalen – Kern der »deutsch-christlichen« Bewegung. 2.4 Der Altonaer Einspruch unmittelbar vor der nationalsozialistischen Machtübernahme
In der schwierigen Endphase der Weimarer Republik, am Vorabend der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, wollten die evangelisch-lutherischen Pfarrer der damals noch selbstständigen Stadt Altona (bei Hamburg) im Sinne einer Orientierungshilfe Bekenntnis ablegen. Anlass war der sogenannte Altonaer Blutsonntag. Am 17. Juli 1932 war es anlässlich eines SA-Aufmarsches zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialisten, Kommunisten und der Polizei gekommen, bei denen es 18 Tote und zahlreiche Verletzte gegeben hatte. Angesichts der »Not und Verwirrung des öffentlichen Lebens« warnten die Altonaer Pastoren vor politischen Ideologien von links und rechts bzw. vor einer religiösen Überhöhung parteipolitischer Absichten und erinnerten im Sinne des eschatologischen Vorbehaltes an die Grenzen des politisch Machbaren: »Wir verwerfen […] entschieden den Traum von dem kommenden irdischen Weltreiche der Gerechtigkeit, des Friedens und der allgemeinen Wohlfahrt in allen seinen Abarten. […] Mag man nun […] an eine klassenlose Gesellschaft […] oder an einen nationalen Zukunftsstaat […] glauben […] Jede Partei, die solche Ziele in Aussicht stellt, wird zur Religion […]«17 Auch eine »Vergöttlichung des Staates« wurde ausdrücklich abgelehnt. Vorsichtig wurde gar ein Widerstandsrecht eingeräumt: »Wenn aber der Fall eintritt, daß die Obrigkeit selbst wider ›der Stadt Bestes‹ handelt, dann muß jeder entscheiden, wann der Augenblick gekommen ist, wo man Gott mehr gehorchen muß als den Menschen.«18 Entschieden schärften die Altonaer Theologen ein, dass die Kirche sich »in ihrem Wesen weder vom Staat noch von einer Partei […] noch von irgendeiner Weltanschauung« bestimmen und tragen lassen dürfe. Sie müsse auch alle Erwartungen und Ansprüche von politischer Seite zurückweisen, denn: »Sie hat vielmehr die Aufgabe, die Gewissen zu schärfen und das Evangelium zu verkündigen.« Und von dieser Verkündigung dürfe »nichts preisgegeben...


Oelke, Harry
Harry Oelke, Dr. theol., Jahrgang 1957, studierte Evangelische Theologie, Germanistik, Englische Literatur und Soziologie in Kiel und London. Seit 2002 lehrt er Kirchengeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. In seiner Forschung und Lehre befasst er sich mit der Reformationsgeschichte und mit der Kirchlichen Zeitgeschichte. Er ist Vorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte.

Schneider, Thomas Martin
Thomas Martin Schneider, Dr. theol., Jahrgang 1962, ist Akademischer Direktor und apl. Professor für Kirchengeschichte am Institut für Evangelische Theologie der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, seit 2012 zudem dessen Geschäftsführender Leiter. Er ist u.a. Mitglied der EKD-Kommission der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte.

Hermle, Siegfried
Siegfried Hermle, Dr. theol., Jahrgang 1955, ist Professor für Evangelische Theologie und ihre Didaktik/Historische Theologie am Institut für Evangelische Theologie an der Universität zu Köln. Er ist 2. Vorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte, stellvertretender Vorsitzender des Vereins für Württembergische Kirchengeschichte und Mitglied der Kommission der EKiR für Kirchengeschichte. Ein Forschungsschwerpunkt liegt in der Kirchlichen Zeitgeschichte und sein besonderes Interesse gilt den christlich-jüdischen Beziehungen.


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