Schneickert | Nationale Machtfelder und globalisierte Eliten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Schneickert Nationale Machtfelder und globalisierte Eliten


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7445-1000-4
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-7445-1000-4
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die kapitalistische Globalisierung führte zu einer historisch einmaligen Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen weniger. Die öffentliche Diskussion hierüber wird dabei meist von Verschwörungstheorien einer angeblich omnipotenten globalen Elite bestimmt. Eine kritische sozialwissenschaftliche Theorie von Macht und Eliten im Kontext der Globalisierung fehlte jedoch bislang. Christian Schneickert stellt nun eine empirisch fundierte Aktualisierung der sozialwissenschaftlichen Elitentheorie vor. Er analysiert in seiner international vergleichenden Studie die Sozialstruktur und Globalisierung politischer und wirtschaftlicher Eliten in vier sehr unterschiedlichen Staaten des globalen Nordens und Südens: Brasilien, Deutschland, Indien und den USA. Die Studie umfasst eine umfassende Darstellung der elitentheoretischen Debatten im 20. Jahrhundert und führt diese bis zu ihrer Erneuerung. Diese theoretischen Neuerungen wendet er sodann an umfangreichem empirischen Material an, indem er biografische Daten von 336 Spitzenpolitikern sowie Vorständen von Global 2000-Unternehmen als Analyse nationaler Machtfeldern konzipiert. Christian Schneickert verknüpft damit bisher nicht verfügbare empirische Daten mit Bourdieus Feldtheorie, welche in der deutschsprachigen Soziologie gegenwärtig große Bedeutung erlangt. Aber auch methodisch ist die Studie innovativ, indem neben klassischen statistischen Verfahren insbesondere multiple Korrespondenzanalysen zum Einsatz kommen.

Schneickert Nationale Machtfelder und globalisierte Eliten jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2 Eliten im Kontext der Globalisierung
Die Klassiker der Soziologie, der Politikwissenschaft und der Volkswirtschaftslehre widmeten sich seit dem 19. Jahrhundert dem Gebiet der Elitentheorien. Die Beschäftigung mit Eliten erfolgte nie kontinuierlich, sondern in erheblichem Maß abhängig von gesellschaftlichen und politischen Konjunkturen. Generell dominieren in der Elitenforschung funktionalistische Ansätze, die sich insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA entwickelt haben. Diese wurden aus historischen Gründen besonders in Deutschland übernommen und seit den 1960er Jahren zum Konzept der ‚demokratischen Elitenherrschaft‘ modifiziert (Röhrich 1975). Auch die großen empirischen Elitenstudien waren auf theoretischer Ebene funktionalistisch ausgerichtet. Demgegenüber wurde in Frankreich, besonders prominent durch Bourdieu (2004 [1989]), eine ebenfalls empirisch fundierte, aber theoretisch eher der Konflikt- und Ungleichheitstheorie näher stehende Analyse von Eliten und Oberschichten vorgeschlagen. Diese Grundlegung einer konflikttheoretischen und empirischen Analyse von Eliten wurde dann, besonders von Michael Hartmann, auch in Deutschland weitergeführt. Die vorliegende Arbeit argumentiert in eben dieser Tradition und gibt der Elitenforschung eine differenztheoretische und konflikttheoretische Grundlage auf der Basis von Bourdieus Feldtheorie. Funktionalistische und konflikttheoretische Ansätze unterscheiden sich teilweise erheblich in ihrer Auffassung bezüglich der Vereinbarkeit von Eliten und Demokratie sowie der Bedeutung meritokratischer Prinzipien bei der Rekrutierung und Ausbildung von Eliten. Zwei grundlegende Annahmen werden aber mittlerweile von nahezu allen Elitentheorien geteilt: Erstens, die Annahme, dass empirisch von Teileliten auszugehen ist, und zweitens, dass die soziale Herkunft und die Bildungswege (inklusive spezieller Elitebildungseinrichtungen) von besonderer Bedeutung bei der empirischen Untersuchung von Eliten sind. Darüber hinaus stehen sich beide Theorieschulen jedoch häufig unvereinbar gegenüber und bestreiten schon die grundlegenden Annahmen der Gegenseite, etwa die zunehmende Durchsetzung meritokratischer Prinzipien in der Folge der funktionalen Ausdifferenzierung der Gesellschaft. Wie die Sozialwissenschaften insgesamt hat sich die gesamte klassische Elitentheorie am Beispiel europäischer Gesellschaften des 19. Jahrhunderts entwickelt. Daraus erklärt sich der implizite Eurozentrismus einiger zentraler Überlegungen, der sich durch verschiedene Schulen hindurch zieht. Diese Grundannahmen und die darauf basierende Methodologie werden aber unter den Bedingungen der Globalisierung zunehmend fraglich. In dem damit verbundenen Wandel der nationalen Sozialstrukturen liegt – so die zentrale These dieses Kapitels – die Chance, die sozialwissenschaftliche Elitentheorie aus dem Widerstreit zwischen funktionalstischer und konflikttheoretischer Perspektive zu befreien und empirisch neu zu fundieren. Zur Rekonstruktion des Forschungsstandes und der Herleitung dieser Hauptthese argumentiere ich im folgenden Kapitel in drei Schritten: Zunächst rekonstruiere ich die klassischen Elitentheorien in den Punkten, die auch unter den Bedingungen der Globalisierung relevant sind. In einem zweiten Schritt diskutiere ich die Theorien der Globalisierung, die für den Zweck der vorliegenden Arbeit mit der klassischen Elitentheorie verbunden werden können. Dazu zählt der vermeintliche Gegensatz von Globalem und Lokalem, die Transnationalisierung von Sozialstruktur und die Entwicklung des kapitalistischen Weltsystems inklusive dem Aufstieg des globalen Südens. Drittens diskutiere ich die Debatte zwischen der These der Persistenz nationaler und lokaler Elitenstrukturen und der These der Herausbildung einer globalen Elite oder transnationalen kapitalistischen Klasse. In dieser Zusammenführung wird die Notwendigkeit einer feldtheoretischen Elitenforschung deutlich, die im dritten Kapitel konzeptualisiert wird. 2.1 Sozialwissenschaftliche Elitentheorien
Der Bezug zu den Klassikern führte nach der Delegitimierung des Elitebegriffs durch den europäischen Faschismus zur theoretischen Auseinandersetzung zwischen Funktionalismus und Konflikttheorie. Der Schwerpunkt der Elitenforschung verlagerte sich dadurch nach dem Zweiten Weltkrieg in den anglo-amerikanischen Raum, wo der Elitebegriff in den 1930er Jahren besonders durch die Schriften Paretos bekannt wird (Bottomore 1966: 7) und durch das RADIR-Projekt des Hoover Instituts an der Universität Stanford eine empirische Ausrichtung erhält (Lasswell et al. 1952; Lasswell/Lerner 1965; Eulau 1977). Auf theoretischer Ebene ist die Trennung in funktionalistische und konflikttheoretische Eliteforschung heuristisch sinnvoll, besonders um die verschiedenen kursierenden Begrifflichkeiten zu ordnen.6 Geißler (2003) schlug vor, neben Bourdieu auch Theodor Geiger (1932) und Ralf Dahrendorf (1965) zu einer ungleichheitstheoretischen Elitenforschung zusammenzufassen. Im Anschluss an die kritische Studie zur amerikanischen Machtelite von Mills (1956) und Domhoff (1967) hat sich insbesondere durch Bourdieu (2004 [1989]) in Frankreich und in Anschluss daran durch Hartmann (2002a) in Deutschland eine kritische Elitensoziologie entwickelt. Parallel zu den theoretischen und inhaltlichen Differenzen existiert auch eine disziplinäre Grenze vorwiegend zwischen den politikwissenschaftlichen und soziologischen Elitentheorien innerhalb der Sozialwissenschaften, die sich insbesondere in der Bewertung der Rolle der wirtschaftlichen Eliten ausdrückt, häufig aber von den theoretischen Gegensätzen verdeckt wird (Hartmann 2004b: 162). Seit den 1980er Jahren rückte statt der Frage der demokratischen Legitimität zunehmend die Frage nach den Leistungserwartungen an Eliten in den Vordergrund (Bluhm/Straßenberger 2006: 134). Damit ist auch der Zusammenhang von sozialer Herkunft, Bildungssystem und Elitestatus in den Fokus geraten. Tabelle 1 zeigt schematisch den Verlauf der Konjunkturen und Konnotationen der sozialwissenschaftlichen Elitendebatte. Tabelle 1: Konjunkturen des Elitebegriffs in Wissenschaft und Öffentlichkeit Eigene Darstellung in Anlehnung an Bluhm/Straßenberger 2006. Besonders die empirische Elitenforschung in Deutschland hat neben den teilweise unüberwindbar scheinenden theoretischen Gräben einen Konsens über geteilte Annahmen aus der Debatte durchgesetzt. Dazu gehören die Bedeutung der sozialen Herkunft und des Bildungssystems für die Elitenrekrutierung, die Differenzierung in feldspezifische Eliten, die Notwendigkeit der empirischen Erforschung der gesellschaftlichen Spitzengruppen, die herausragende Bedeutung politischer und wirtschaftlicher Eliten und deren Spannungsverhältnis in den meisten modernen Gesellschaften sowie das Verhältnis von Elite zu meritokratischen Prinzipien und Demokratie. Letzteres basiert auf der Annahme, dass Eliten in demokratischen Gesellschaften legitimiert werden müssen (Wasner 2004: 16-27). In liberalen Demokratien mündet dies in die Erwartung, dass der Zugang zu Eliten prinzipiell offen sein muss (Chancengleichheit) und die Rekrutierung nach meritokratischen Prinzipien (Leistungseliten) erfolgen soll (Hartmann 2004b: 48). Die Grundlagen dieser ungleichheits- und demokratietheoretischen Überlegungen in der Elitenforschung ergeben sich aus der klassischen Elitentheorie, insbesondere des 19. Jahrhunderts. 2.1.1 Klassische Elitentheorien Als Klassiker der politischen Theorie hat Machiavelli (1978 [1513]) zentrale Fragen wie jene nach der Notwendigkeit von Führung, Rekrutierung und Austausch von Eliten vorweg genommen (Wasner 2004: 34). Hauptgegner der klassischen Elitentheorie war die Massengesellschaft des 19. Jahrhunderts und insbesondere die marxistische Theorie, die in zwei Kernpunkten widerlegt werden sollte: Statt einer herrschenden bürgerlichen Klasse wurde erstens von einem Kreislauf der Eliten ausgegangen und zweitens eine klassenlose Gesellschaft aufgrund anthropologischer Konstanten für prinzipiell unmöglich erklärt (Bottomore 1966: 18f.). Der Gegensatz von Elite und Masse resultierte historisch aus dem, durch die Industrialisierung geförderten, rasanten Bevölkerungswachstum im Europa des 19. Jahrhunderts, das in den Städten am stärksten zur Geltung kam (Hartmann 2004b: 13). Der Aufstieg der Massen wurde besonders in den intellektuellen Kreisen als wichtige historische Veränderung aufgefasst und darüber hinaus negativ als soziale Krise bewertet (Ortega y Gasset 1929: 7). Die sozialwissenschaftliche Elitentheorie griff diese Angst des...


Dr. Christian Schneickert ist Soziologe und Politikwissenschaftler, promovierte am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.