Schnack | Worte wie Mandelblüte | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 210 mm

Schnack Worte wie Mandelblüte


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7013-6322-3
Verlag: Otto Müller Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 160 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 210 mm

ISBN: 978-3-7013-6322-3
Verlag: Otto Müller Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Abschied, der Form wird, sich in eine Geste wandelt, in ein Wort, einen Blick, eine Körperhaltung. Vielleicht bedeutet Form immer zuerst Getrenntwerden, Wechsel, Zwischenort. Haut und Resthaut, von Mutter zur Sprache, von Lippe zu Veilchen, Fuß zu Flosse. Von einer Lebendigkeitsart in die nächste gleiten, von einer Art zu sprechen in die nächste, von einem Körper in den nächsten. Sich tragen lassen von einer Stabilität zur nächsten, rosenfingrig und als Antwort auf einen ewigen Brief. In ihrem Kurzprosazyklus Worte wie Mandelblüte tastet sich Sophia Lunra Schnack an Varianten und Variationen von Abschied heran und vor allem an die Frage, was vom Abschied bleibt. Die Erzählungen zeichnen nach, wie gerade das Verschieben von Zeiten unsere Konturen schärft und welche Gegenwartsfasern rein aus Abschied gezogen sind. Bedeutet dieser immer auch abbrechendes Scheiden, ohne Schiedsrichter, dann abgefedertes Sein? Wie in ihrem Debütroman schwankt die Autorin auch hier zwischen Prosa und Lyrik. Die Sprachgegenden bewegen sich zwischen Süß- und Salzwasser, ehemaligen Räumen oder Geliebten, nicht vollendeten Begegnungen oder auch zwischen Mensch- und Meereswesen ...

Schnack, Sophia Lunra Geboren 1990 in Wien. Lyrikerin und Prosaautorin auf Deutsch und Französisch. Publikationen in Zeitschriften und Anthologien, u.a. manuskripte, Reclam, La mer gelée oder Signaturen. Ihr Debütroman 'feuchtes holz' wurde für den Rauriser Literaturpreis 2024 nominiert und mit dem achensee.literatour-Stipendium 2024 ausgezeichnet. Außerdem Zuerkennung des Rotahorn-Förderpreises 2022. Seit Juni 2023 Leitung des Lyrikblogs Sinnliche Lyrik für Das Gedicht.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Das Wasser wird von meinen Sätzen getragen, fließt in meine Bilder.

Oder sind es meine Sätze, die vom Wasser getragen werden, Bilder, die fließen, sich legen auf kaum sichtbare Wellen.

Auf kleine laufende Funken, die Kindersprünge vom anderen Ende des Stegs herleiten, vorbei, immer kleiner, ruhiger.

Liege am äußersten Ende des Holzstegs. Presse die Haut meines Bauches, meiner Oberschenkel ins Holz, fest. Versuche den halb trockenen, halb feuchten Brettern Wärme zu entziehen. Keine Luft zwischen Haut und Holz zu lassen.

Holz fängt Hauttropfen

Rieseln in seine Rillen

Haut saugt sich ins Holz, fängt seine Form. Wie hölzerne Wellen in Poren schwappen. Wie das Holz, selbst ein Muster aus Wasser, auf meinem Bauch, meinen Oberschenkeln zeichnet.

Meine Stirn, schwer, legt sich auf meine verschränkten Arme. Schließe die Augen, unter mir das Glucksen von Wellen, regelmäßig. Ihr sanftes Plätschern, hin und her, stärker, wenn Wellen einen Pfosten hinaufklettern, der Pfosten die Wellen kurz hält, dann in die andere Richtung entlässt.

Öffne leicht die Augen, verfolge durch Spalten zwischen Holzbrettern Klänge zu Ende. Bis sie brechen. Stütze dann das Kinn auf meine Handrücken und schaue auf den See, immer weiter hinaus, immer fremder.

Als hätten sich Bilder, Sätze, für einen Augenblick zu Wasserbegegnung gelöst.

Wasser wird von Deinen Sätzen getragen, fließt in Deine Bilder.

Sehe Dich Segelbooten nachschauen, schwebend wie Schwäne hinter Uferwasser. Segel und Flügel, die aus der Bucht treiben, Richtung Ebensee verschwimmen.

Als würdest Du jetzt aufs Neue entgleiten, jetzt, wo ich Deinen Blick weiß, Deinen Blick über das Schloss im See. Über die Insel, auf der ich Dich suche, immer wieder.

Wieso hast Du nie erzählt von diesen Blicken jeden Tag. Wieso nie erwähnt, die Schwäne und Segel weiß wie Wasserschloss.

Nie erzählt von Deinen Ausfahrten bei Wind.

Wie muss sie auf Dich gewirkt haben, diese Landschaft aus Märchen,

Bilderbrüchen.

Konnte sie Dich in ihrer Zeitlosigkeit fangen, war sie zu sehr an Deine Zeit gebunden.

Wie muss sie für Dich gewesen sein, diese Schönheit.

Dein Schutz am Anfang des Sees,

während an seinem Ende

spurlos

Wie sie jetzt zu mir kriechen, diese Spuren, vom anderen Ende des Sees. Wie Du Deine Bilder nicht mitgenommen. Wie Spuren nicht sichtbar, aber spürbar, in mich ziehen, kalt, feucht, wie Nebel im November.

Spuren, körperlos, nieseln unter Haut. Hast oft gesagt, Haut sei zu dünn. Höre noch Deine Stimme, wie sie nachhallt, dünne Haut, dickeres Fell

Deine Stimme, warm

durchlässig

Vielleicht hast Du die Schwäne und Segel vor dem Wasserschloss nie schön finden können, vielleicht hast Du sie deswegen nie erwähnt.

Der schöne Blick, belastend.

Vielleicht hast Du, wie ich jetzt, nicht gesehen, nicht gehört, nur wortlos. Vielleicht hat man Dir diese Bilder benebelt, vom anderen Ufer. Spuren gewischt, die trotzdem durch Deine Poren gezogen.

Hast Spurlosigkeit gelernt, weitergetragen. Blicklosigkeit gereicht, bis zu mir. Um Deine, dann meine, dünne Haut

nicht zu reißen.

Stelle mir Dich vor, schaukelnd zwischen aufblähenden Segeln.

Stelle mir das Lachen um Dich vor, wie ihr gelegen in bunten Badeanzügen, getragen, gewichtlos, vom Wind.

Wie hier der Krieg nicht zu hören, so treibend, mitten am See.

In den eure Körper springen, spritzend, jung, sonnenbraun.

Du, als Kind, als Jugendliche, unvorstellbar.

Ob ihr bei Traunkirchen die Segel gewendet. Ob ihr spätestens dann wieder zurückgefahren. Oder weitergetrieben bis ans Ende des Sees, dort die Augen weg vom Ufer gedreht. Ob ihr dort aufgehört zu reden, bewusst oder unbewusst. Oder eure Augen trotzdem, erst recht offen. Euer Lachen trotzdem, erst recht laut.

Vielleicht war genau diese Leichte schwer für Dich.

Diese Leichte, als Recht. Als Recht zur Vergnügung. Diese Leichte, als Pflicht. Zum Wegschauen, Weghören, zu Jugend.

Vielleicht war es genau diese Leichte, die schwer war.

Mein Kinn bohrt sich immer tiefer in meinen Handrücken.

Wechsle die Position. Setze mich auf, immer noch Wärme tastend. Tropfen laufen über Gänsehaut. Bleiben stehen zwischen feinen Härchen, ihre wenige Kraft, um Wasser zu halten. Härchen tragen Tropfen, setzen meinen aus Deinem Blick fort.

Kann ich diese Landschaft, heute, leicht finden. Trotz des Wissens, vielleicht gerade deswegen. Vielleicht gerade als Notwendigkeit, als Antwort. Gibt es Leichte dort, wo es ganz nah Schwere gab.

Kann diese Schwere verfliegen.

Oder gibt es Leichte gerade dort, um sich gegen sie zu stellen, kann sie ausfliegen, radikal sein.

Kann ich das Gewicht nehmen, das sich um euch gewickelt, oder wickelt es weiter, schnürt es noch. Kann ich vom Holzsteg noch, wie unwissend, gegen Felsen blinzeln. Gegen Felsen, die das Ende des Sees decken.

Kann ich so luftbaden, oder nur in Sprache kriechen. In Wortwahlen, die mich tragen, scheinbar, zu Dir. Sprache langsam von Neuem beginnen, Spuren finden, Schritte den See entlang ziehen. Zeitliche Trennungen dehnen.

Während die Sonne immer tiefer, wird in der nächsten Stunde hinter einen der Felsen sinken, währenddessen noch einmal kurz ins Wasser, steigen, nicht springen, diese Angst vor Plötzlichkeit. Möchte Deine Satzreste mit Kälte verrauschen. Nochmals dünne Haut werden

um Deine Bilder, meine geworden

wegzutauchen

nicht durchzulassen

um zu tauchen

ob irgendwo am Grunde des Sees

noch ein Tropfen

durch den auch Du

geschwommen

Als würde ich beim Tauchen in Deine gläserne Jugend kippen, wie geschichtelos, nur umrauscht.

Als würden wir gemeinsam Luft halten, etwas teilen von diesem kalten Wasser, das bricht, Rattern bremst. Durch Haaransätze unter Kopfhaut schwimmt.

Form zu Seewasser wechseln, etwas von Dir in meinem Körper, etwas von Deinem Wasser, Angst, etwas würde sonst weiterstocken.

Nur langsam die Leiter zurücksteigen, Wasser in Wind, meine nasse Haut noch kälter als vorher. Lege mich nicht mehr auf verwitternde Bretter, wickle mich stattdessen in ein Handtuch, mein Blick schweift nach links, rechts: sichergehen, dass ich nicht gerade jetzt etwas versäume.

Unmittelbar vor dem Wasserabdruck stehen, den mein Körper in der letzten Stunde auf Holz hinterlassen, unmittelbar vor meinem Wasserkopf, Zehen verrinnen in seine Ränder.

Es hat sich, fortlaufend alles, nichts verändert, drehe mich um, gehe über den Steg zurück auf die Wiese. Ob dieser Baum, unter dem ich mich abtrockne, umziehe, schon da, als Du Dich hier abgetrocknet, umgezogen.

Erst jetzt die senfgelben Gebäude der Badeanlage sehen, eine Runde drehen durch fast leere Umkleideräume, vor dem dunklen Spiegel halten, über ihm das Schild Reinlichkeit ist Pflicht. Meine Augen sinken auf Deine, der Spiegel wirft mir zu, was er Dir zugeworfen.

Dieselbe Trockenheit.

Die unseren Blickkontakt bricht. Meine Augen auf einer Gruppe Jugendlicher, verfangen sich, verlasse mit ihnen über Schwingtüren senfgelbe Räume, als würde ihre Art zu gehen, zu sprechen, mir verraten, wie Du hier gegangen, gesprochen. Als würde ihr Lachen sich anhören wie Deines.

Allein in die andere Richtung weitergehen, Uferpromenade entlang Richtung Zentrum. Immer möglichst nahe am Wasser.

Mehr steigend als vorwärtsstrebend.

Als würde ich Deine Schritte im Gipsfuß nachsteigen.

Mein Körper, meine Schritte haben die Erinnerung an Dein Gipssteigen begonnen. Noch bevor meine Erinnerung zu denken beginnt, fließt sie in meinem Gehen. Mein Kopf nur Fortsetzung von dem, was mein Körper vor mir weiß.

Davon hast Du oft erzählt. Dass Du ausgerechnet im Maturajahr einen Gipsfuß hattest. Du damit drei- oder viermal so lang in die Schule gebraucht. Dass Dich ausgerechnet ein Mädchen immer abgeholt und begleitet, dessen Vater ein überzeugter

dann hast Du Luft

fertig formulieren

lassen

Hast mit dem Kopf gedeutet. Dass das Mädchen Dich beim Gehen, mit ihren dicken blonden Zöpfen, gefragt, was ihr zu Hause für Musik gehört.

Davon hast Du oft erzählt. Dass Du nach Kriegsende von dem Mädchen nie wieder etwas gehört.

Mehr steigend als vorwärtsstrebend, irgendwann bei der Bootsanlegestelle vorm Rathausplatz ankommen. Setze mich auf eine Bank, schaue auf ein-, ausfahrende Schiffe, am Ufer treibende Schwäne. Früher sei das Schwänefüttern hier eine Attraktion gewesen, sagt ein Mann mit weißen Haaren neben mir, jetzt sei es verboten, als hätte er mein Suchen gehört.

Ob Du sie am Weg zur Schule gefüttert, die Schwäne, mit Brot, ob man es Dir erlaubt, trotz allem, ob Du nie einen Brösel geworfen.

Ob Du vielleicht deswegen am Ende Deines Lebens so getrieben Enten im Park zugeschaut.

Ob Du genau aus dieser getriebenen Stille gefragt, was sie dann fressen, ob sie kalte Füße, im Winter.

Als Kind hast Du das nie gefragt.

Als Kind, alle ausbleibenden Gesten, alle An- und Abwesenheiten

selbstverständlich.

Dein Schauen beginnt zu tröpfeln. Über dem anderen Ende des Sees schwarze Wolken,...


Schnack, Sophia Lunra
Geboren 1990 in Wien. Lyrikerin und Prosaautorin auf Deutsch und Französisch. Publikationen in Zeitschriften und Anthologien, u.a. manuskripte, Reclam, La mer gelée oder Signaturen. Ihr Debütroman "feuchtes holz" wurde für den Rauriser Literaturpreis 2024 nominiert und mit dem achensee.literatour-Stipendium 2024 ausgezeichnet. Außerdem Zuerkennung des Rotahorn-Förderpreises 2022. Seit Juni 2023 Leitung des Lyrikblogs Sinnliche Lyrik für Das Gedicht.



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