E-Book, Deutsch, 196 Seiten
Schmid Dunkles Herz
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-384-19510-4
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Monster in mir
E-Book, Deutsch, 196 Seiten
ISBN: 978-3-384-19510-4
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Stell dir vor, du stehst vor einem Dilemma.
Der Mann, den du liebst, lässt dich dein Leben für ihn opfern. Und der Typ, dessen Gefühle du nicht erwiderst, ist bereit, alles für dich zu riskieren. Doch das Gefühlschaos ist nicht dein einziges Problem - du hast das oberste Gesetz der Vampire gebrochen und damit den Zorn eines Wächters auf dich gezogen.
Alexandra Schmid (geb. 1999) wohnt mit ihrem Kater in der Nähe ihrer Heimatstadt Erding. Neben Tieren sind Bücher ihre große Leidenschaft. Nicht nur, dass sie schon immer gerne gelesen hat, sie hat auch früh mit dem Schreiben begonnen. Dabei liegen ihr das Fantastische und Romantische besonders am Herzen.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1
I ch lebte erst seit drei Wochen in dieser Stadt. Mir gefiel, dass sie klein war und friedlich zu sein schien. Es war eine willkommene Abwechslung. Die meiste Zeit hielt ich mich in belebten Großstädten auf, wo immer etwas los war, keiner auf den anderen achtete, man nicht einmal seine eigenen Nachbarn kannte und es nicht auffiel, wenn ab und zu jemand spurlos verschwand oder tot in einer abgelegenen Seitenstraße gefunden wurde. Hier war es anders. Hier kannte man sich, die Leute interessierten sich füreinander, neue Nachbarn wurden genau unter die Lupe genommen und der kleinste Skandal machte sofort die Runde. Von Zeit zu Zeit brauchte ich Abstand zur Großstadthektik. Ich wollte einfach meinen Interessen nachgehen, mich etwas zurückziehen und mich von meiner dunklen Seite distanzieren. Man müsste meinen, dass sie nun mal Teil meines Lebens war, ein Teil von mir selbst. Doch so war es nicht. Nach all den Jahrzehnten hasste ich sie noch immer. Ich konnte mich nicht daran gewöhnen. Deswegen war ich auch allein unterwegs. Viele von uns schlossen sich zusammen, zu einer Art Klan. Ein Menschenleben war denen jedoch nicht viel wert, mir hingegen hatte meines alles bedeutet. Es war nahezu perfekt gewesen, doch innerhalb einer halben Stunde hatte es eine schreckliche Wendung genommen, als ich meiner selbst beraubt worden war. Ich wollte so, wie ich jetzt war, nicht sein, hatte damals jedoch keine Wahl gehabt. Daher wollte ich zumindest versuchen, das Beste daraus zu machen. Ich musste zwar töten, würde aber niemals jemanden auf diese Art töten. Töten und verdammen. Ich tötete nur, um zu überleben. Nun brauchte ich allerdings von alldem wieder eine Pause. Wörter hatten mich schon immer fasziniert. Sie besaßen eine gewisse Macht. Sie waren in der Lage, Frieden zu stiften, Kriege auszulösen, Herzen zu brechen, zu Tränen zu rühren, zu heilen und zu so vielem mehr. Wann immer ich meinem neuen Leben entkommen wollte, floh ich in die Welt der Wörter und verschlang Bücher anstatt Menschen. Direkt in der Innenstadt und doch etwas abseits hatte ich vor ein paar Tagen einen kleinen, gemütlichen Buchladen entdeckt. Der Besitzer, ein alter Mann, hatte überraschend viele Bücher im Sortiment. Von alten Schätzen bis zu Neuerscheinungen war alles dabei. Ich hatte dieses Plätzchen sofort in mein dunkles Herz geschlossen. Allein schon der Geruch, der einen beim Betreten sanft umarmte. Papier, Holz, Leder. Als ich das erste Mal hier gewesen war, hatte ich mir ein älteres, ledergebundenes, dickes Buch ausgesucht. Weder Titel noch Autor sagten mir etwas, aber irgendetwas daran sprach mich einfach an. Der alte Mann hatte mir einen Platz in einem der Sessel angeboten. Seitdem kam ich jeden Tag, saß stundenlang genau dort und las. Natürlich wäre ich in der Lage gewesen, das Buch innerhalb einer Stunde zu lesen. Doch ich wollte es genießen. Wo bliebe sonst der Spaß? Außerdem hätte das Aufmerksamkeit erregt und genau das galt es um jeden Preis zu vermeiden. Es dauerte jedoch nicht lange, bis jemand meine Aufmerksamkeit erregte. Ich machte gerade eine kleine Lesepause und schlenderte durch den Laden, um schon mal nach dem nächsten Buch Ausschau zu halten. Die kleine Glocke über der Eingangstür bimmelte leise und ein Luftzug wehte einen intensiven Geruch zu mir. Sandelholz und Zimt. Warm und würzig. Ich drehte mich um und da waren für einen Augenblick nur diese strahlend blauen Augen. Ich hatte in meinem Leben schon so viele Augen gesehen, aber niemals hätte ich mich darin so verlieren können wie in diesen. Noch nie hatte mich etwas so sehr fasziniert und in seinen Bann gezogen. Das war keine gute Idee. Es war ein Fehler. Ein Fehler, der einen unschuldigen Menschen das Leben kosten würde. Das war der Preis, den wir beide zahlen müssten. Das war es nicht wert. Ich wandte mich wieder dem Bücherregal zu. Für einen kurzen Moment spürte ich noch den Blick dieses Mannes auf mir ruhen, dann wandte er sich an den Ladenbesitzer. „Ich bin auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für meine Nichte. Sie wird 14. Können Sie mir ein Buch empfehlen?“, fragte er und trat dabei nervös hin und her. Er schien nicht recht zu wissen, was eine 14-Jährige las. Der alte Mann kam hinter seinem Tresen hervor und führte ihn zu einem Regal mit Jugendbüchern. „Ich zeige Ihnen erst mal ein paar Bücher, die bei den meisten jungen Lesern sehr beliebt sind“, schlug der Besitzer vor und zog ein Buch aus dem Regal. Ich ging ein paar Schritte in ihre Richtung, tat so, als würde ich einen Klappentext lesen, und lauschte. „Oh, tut mir leid“, sagte der Fremde sofort kopfschüttelnd. Unbewusst trat er einen kleinen Schritt zurück. „Bitte keine Vampire.“ Ich zuckte leicht zusammen. Unauffällig sah ich zu den beiden hinüber, um einen Blick auf das Buch werfen zu können. Ich schmunzelte. Eine schöne Liebesgeschichte, allerdings die mit Abstand unrealistischsten Vampire von allen. Nur das Vermeiden von Sonnenschein war eine Gemeinsamkeit mit echten Vampiren, wir glitzerten dadurch jedoch nicht. „Sie mag keine Vampire?“, fragte der Ladenbesitzer nach. „Ich mag keine Vampire“, gestand der Typ. Autsch!! „Wie wäre es stattdessen mit Dämonen?“ Der Ladenbesitzer holte ein weiteres Buch aus dem Regal, das ich kannte. Ich hatte die ganze Reihe über die Dämonenjägerin gelesen. Der Fremde las konzentriert den Klappentext und überlegte kurz. Währenddessen schlenderte ich weiter in die Richtung der beiden, denn von diesem Kerl ging eine enorme Anziehungskraft aus, der ich hilflos ausgeliefert war. „Das klingt ganz gut“, stellte er fest und sah zufrieden aus mit der Wahl. „Ich möchte, dass meine Nichte Bücher über starke Frauen liest, die ihr Drama selbst in den Griff kriegen und dafür kein gut aussehendes Monster brauchen.“ Tatsächlich wurden schon seit geraumer Zeit sämtliche Wesen, seien es Vampire, Werwölfe oder andere Monster, verharmlost dargestellt. Vampire waren immer perfekte Kerle, in die sich unschuldige Mädchen verliebten, welche ihr Leben für die ewige Liebe aufgaben. Das entsprach nicht der Realität. Nach meiner Verwandlung war ich die ersten Jahre nachts wie ein Monster durch die Straßen gelaufen, da ich weder meinen Hunger noch meine Fähigkeiten unter Kontrolle gehabt hatte. Erst als ich gelernt hatte, das Monster in mir zu unterdrücken, hatte ich dauerhaft meine normale Gestalt annehmen können. Diese war eine perfekte Version meines alten Ichs. Mein blondes Haar war zwar glatt, aber trotzdem voluminös und auf natürliche Art gesund. Meine Wimpern waren pechschwarz, lang und perfekt geschwungen. Meine Lippen waren voll und hatten einen schönen rötlichen Farbton. Mein Körper war nun nicht mehr nur schlank, sondern auch perfekt definiert. Die Männer drehten sich aus Lust nach mir um, die Frauen aus Neid. Doch dieser Mann schien sich kein bisschen für mich zu interessieren. Als gelte seine Abneigung Vampiren gegenüber mir persönlich. Als er an mir vorbei zur Kasse ging, trafen sich unsere Blicke wieder für einen Augenblick. Dieser kurze Moment reichte aus. Seine Pupillen weiteten sich und ich spürte ein unangenehmes Ziehen im Bauch. Das war ein ungünstiger Zeitpunkt, um Hunger zu bekommen, also schnappte ich meine Handtasche und verließ schnell die Buchhandlung. Ich atmete tief ein und aus und wollte dabei so schnell wie möglich weit weg von allen Menschen. Während meiner „Auszeiten“ befand ich mich immer an einer gefährlichen Grenze. Ich zügelte mich zwar ohnehin immer, doch während dieser Zeit wollte ich so wenige Menschen wie möglich töten müssen. In diesen Zeiten reichte der kleinste Reiz, um mich auf die Probe zu stellen. Ich hatte die Wahl zwischen einem Massaker oder der Flucht. Sobald meine dunkle Seite anfing, sich an die Oberfläche zu kämpfen, konnte ich sie kaum daran hindern. Jeder einzelne Mensch animierte und provozierte sie. „Hey!“, rief jemand hinter mir. Ich erkannte diese weiche, tiefe Stimme sofort wieder und bremste ab. Als ich mich umdrehte, kam der Fremde aus dem Buchladen auf mich zu und hielt dabei mein Buch in die Höhe. In der Eile hatte ich es liegen gelassen. „Hey, du hast dein Buch vergessen“, sagte er und hielt es mir entgegen. Ich zögerte kurz, denn ich spürte deutlich die Wärme, die von seinem Körper ausging. Hätten sich unsere Finger berührt, wäre das sein Todesurteil gewesen. Er wäre innerhalb weniger Minuten tot gewesen. Ein Menschenleben war viel wert und zu diesem Menschen spürte ich eine unerklärliche Verbindung. Keinesfalls durfte er sterben, erst recht nicht durch mich. Wortlos nahm ich das Buch entgegen, - bedacht darauf, ihn nicht zu berühren. Dabei lächelte er mich an und seine nachtblauen Augen leuchteten. „Danke“, war alles, was ich erwidern konnte. Sobald ich meinen Mund öffnete, legte sich der Geschmack seines Geruchs auf meine Lippen. Es war beinahe unerträglich, das Monster in mir ruhig zu halten. Ich machte einen Schritt zurück, um etwas Abstand zu gewinnen,...