E-Book, Deutsch, 153 Seiten
ISBN: 978-3-17-039284-7
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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3 Strukturierte Patientenübergabe
Julian Ohmayer
Die Übergabe durch das präklinische Team in der Notaufnahme legt den Grundstein für die weitere Versorgung in der Klinik. Bereits vorhandene Übergabe-Konzepte helfen, diese optimal zu gestalten. Dennoch zeigt eine aktuelle bundesweite Umfrage (Gräff et al., 2021) aus dem Jahr 2020, an der Kollegen aus der Präklinik und Klinik teilgenommen haben, dass diese nicht verbreitet und zum Teil noch nicht einmal bekannt sind. Die Umfrage zeigt, dass 39 % aller Befragten kein Übergabeschema kennen und in Summe 58,8 % zur Übergabe gar kein Schema verwenden oder ein eigenes Schema entwickelt haben ( Abb. 3.1; Abb. 3.2). Abb. 3.1: Auswertung der bundesweiten Umfrage zur Frage: »Welches Übergabeschema der unten genannten ist Ihnen bekannt?« (Gräff, I., Ehlers, P., Seidel, M. et al. (2021). Der Übergabeprozess in der zentralen Notaufnahme. Eine bundesweite Onlineumfrage. Notfall Rettungsmed, 24, 211–222, doi: https://doi.org/10.1007/s10049-020-00750-3, © Der/die Autor(en) 2020, S. 216. Dieses Werk wurde unter der Lizenz »Creative Commons Namensnennung 4.0 International« (CC BY 4.0) veröffentlicht: https://creative commons.org/licenses/by/4.0/deed.de, geänderte Abbildungslegende) Diese Studie zeigt uns, dass Übergaben definitiv nicht einheitlich stattfinden, und dass es daher zu großen Unterschieden in diesen kommen kann, auch in der Qualität. Dennoch zeigt die Studie im Weiteren, dass der Wunsch nach einem einheitlichen Schema und einer Schulung in diesem sehr groß ist ( Abb. 3.3). Abb. 3.2: Auswertung der bundesweiten Umfrage zur Frage: »Welches der genannten Übergabeschemata benutzen Sie bewusst?« (Gräff, I., Ehlers, P., Seidel, M. et al. (2021). Der Übergabeprozess in der zentralen Notaufnahme. Eine bundesweite Onlineumfrage. Notfall Rettungsmed, 24, 211–222, doi: https://doi.org/10.1007/s10049-020-00750-3, © Der/die Autor(en) 2020, S. 216. Dieses Werk wurde unter der Lizenz »Creative Commons Namensnennung 4.0 International« (CC BY 4.0) veröffentlicht: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de, geänderte Abbildungslegende) Abb. 3.3: Auswertung der bundesweiten Umfrage zur Frage: »Was wäre eine hilfreiche Unterstützung für eine strukturierte Übergabe?« (Gräff, I., Ehlers, P., Seidel, M. et al. (2021). Der Übergabeprozess in der zentralen Notaufnahme. Eine bundesweite Onlineumfrage. Notfall Rettungsmed, 24, 211–222, doi: https://doi.org/10.1007/s10049-020-00750-3, © Der/die Autor(en) 2020, S. 217. Dieses Werk wurde unter der Lizenz »Creative Commons Namensnennung 4.0 International« (CC BY 4.0) veröffentlicht: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de, geänderte Abbildungslegende) 3.1 Ergänzende Mnemonics zur strukturierten Patientenübergabe
Um diese umfangreichen Informationen, im Kontext eines möglicherweise sehr hektischen und emotionalen Umfeldes, möglichst umfassend zu erheben, zu sichern und bei Bedarf wiederzugeben, bedarf es einer klaren Struktur und der Unterstützung etablierter und validierter Scores. Mnemonics (aus dem Englischen für »Gedächtnisstütze«) können es erleichtern, eine Übergabe zu strukturieren, und helfen, Daten zu erheben. Diese sind keine Übergabeschemas im eigentlichen Sinn, lassen sich jedoch hervorragend in gegebene Übergabeschemas integrieren und helfen, Daten zu vervollständigen. Deswegen sollten diese Mnemonics ein Teil der Übergabe sein, wenn sie sich integrieren lassen und zum Patientenbild passen. Sie können zum Teil, jedoch nicht immer, einem bestimmten Punkt in einem Übergaberaster zugeordnet werden, in diesem Falle sollten sie dann an der passendsten Stelle einer Übergabe eingefügt werden. 3.1.1 x/cABCDE
Das ABCDE-Schema wurde ursprünglich entwickelt, um schwer und mehrfach verletzte Patienten zu beurteilen und die am lebensbedrohlichste Erkrankung oder Verletzung zu identifizieren und zu behandeln (»treat first what kills first«). Das Schema hat seinen Ursprung in den USA und im militärischen Bereich. Das ursprüngliche ABCDE-Schema wurde im Verlauf durch eine vorstehendes kleines c ergänzt, in neusten Versionen wurde das kleine c durch ein kleines x ersetzt, um Verwechslungen von Klein-c und Groß-C zu verhindern. Hier sollten die Punkte streng nach Reihenfolge abgearbeitet werden, da diese so sortiert sind, um das lebensbedrohlichste Problem zu identifizieren und behandeln zu können. Bei größeren Teams, wie in einem Schockraum, können die Punkte auch parallel abgearbeitet werden, z. B. Anästhesie macht A/B, Chirurgie macht C/D/E. (Möckel, 2016; Elbaih & Basyouni, 2020; Flake et al., 2020) Tab. 3.1: x/cABCDE- Schema (eigene Darstellung) 3.1.2 SAMPLER
Dieser Score beinhaltet alle relevanten Fragestellungen einer Notfallanamnese, hierdurch können alle wichtigen Hintergrundinformationen zum Patienten erhoben werden und man kann diese strukturiert wiedergeben. Eine Erhebung mittels Fremdanamnese ist mit diesem Tool ebenfalls möglich. Folgende Items werden strukturiert abgefragt (Flake et al., 2020; Schmitz-Eggen, 2019): Tab. 3.2: SAMPLER- Schema (eigene Darstellung) 3.1.3 OPQRST
Die genaue Schmerzanamnese ist von enormer Wichtigkeit für das weiterbehandelnde Team. Mittels des OPQRST-Schemas lassen sich alle wesentlichen Informationen zum Schmerzgeschehen erheben und lückenlos weitergeben. Dieser Score kann zur weiteren Differenzierung der Beschwerden des Patienten verwendet werden. Hier sind folgende Punkte relevant: Tab. 3.3: OPQRST- Schema (eigene Darstellung) 3.1.4 qSOFA
Der qSOFA-Score (quick sepsis-related organ failure assessment score) dient der Früherkennung einer Organdysfunktion als Folge einer Infektion. Er wird regelmäßig im Rettungsdienst und in der Notaufnahme angewendet und sollte bewusst in der Übergabe angesprochen werden. Der qSOFA ist positiv, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind: Tab. 3.4: qSOFA-Schema (eigene Darstellung) 3.1.5 BEFAST
BEFAST ist ein Score zum (Früh-)Erkennen eines möglichen Schlaganfalls. Er dient dazu, um mögliche Symptome eines Schlaganfalls zu identifizieren und diese strukturiert wiederzugeben. Es werden die nachfolgenden Punkte abgearbeitet. Sind einer oder mehrere auffällig, besteht die Möglichkeit, dass der Patient einen Schlaganfall erlitten hat. Tab. 3.5: BEFAST-Schema (eigene Darstellung) 3.2 Übergaberaster
Etliche Übergaberaster wurden bereits entwickelt, welche als Hilfe für eine Patientenübergabe dienen sollen. In diesem Kapitel werden nun einige Übergaberaster vorgestellt. Eine komplette Vorstellung aller Übergaberaster ist kaum möglich, da es eine große Anzahl an diesen Systemen gibt sowie unzählige Modifizierungen und Abwandlungen. Daher werden nur die gängigsten und in Deutschland bekanntesten Raster beispielhaft vorgestellt: »ISOBAR«, »SBAR«, »ATMIST« und »BAUM«. 3.2.1 ISOBAR
Das ISOBAR-Schema kommt ursprünglich aus dem australischen Gesundheitsbereich und wurde für Vor-Ort-Übergaben sowie für Übergaben am Telefon und Patientenanmeldungen entwickelt. Es gilt heute im westaustralischen Gesundheitssystem als Standard. Auch hier bilden die einzelnen Buchstaben eine Merkhilfe. Das ISOBAR-Schema ist für jedes Patientenklientel geeignet. Alle wichtigen Informationen sind vorhanden und werden in Unterpunkten mit dem SAMPLER- und x/cABCDE-Schema strukturiert. Das ISOBAR-Schema ist sehr detailliert aufgebaut und lässt im Wesentlichen keine Informationslücken zu. Mit dem abschließenden Punkt der Rückfragen und Zusammenfassung wird sichergestellt, dass die Qualität der Übergabe gesichert ist. (Thumser, 2020a; Oberholzer,...