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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 4, 374 Seiten

Reihe: Edelgard und Norbert

Schmid Blumenfieber

Kriminalroman
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8392-7468-2
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 4, 374 Seiten

Reihe: Edelgard und Norbert

ISBN: 978-3-8392-7468-2
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Edelgard managt bei der Bundesgartenschau in Mannheim den »Bücherhimmel« ihrer Freundinnen Wiebke und Tamara und wohnt in deren Heidelberger Traumvilla. Sie verbringt viel Zeit mit ihrem Sohn Julian, der nach Stationen im Ausland nun in Mannheim arbeitet, und der »Bücherhimmel« wird rasch zum beliebten Treffpunkt. Alles könnte so schön sein, doch dann verschwindet Julians Freundin spurlos, außerdem ist seine Firma vermutlich einer Cyberattacke ausgesetzt. Edelgard spielt Miss Marple, rutscht dabei in allerhand skurrile Situationen und gerät plötzlich selbst in den Fokus der Ermittlungen …

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4
Tamara hob ihren Kopf und blickte durch das Fenster, während sie drei kostbare Gläser, aus denen sie gestern Abend getrunken hatten, per Hand abwusch. Die waren von ihrer Großmutter, und sie wollte nicht riskieren, dass sie in der Spülmaschine Kalkschlieren bekamen. Dafür waren sie ihr zu wertvoll. War da nicht eben eine Bewegung in dem Urwald-Gestrüpp hinter ihrem Zaun gewesen? Sie fokussierte ihren Blick und sah Leons hellen Schopf über den Brombeer-Ranken. Was machte der da? Wenn er wenigstens endlich zur Sense greifen und den Zustand dort drüben bereinigen würde. Gegen Gärten mit einem Touch von Unbelassenheit hatte sie überhaupt nichts einzuwenden. Das konnte durchaus malerisch aussehen. Aber was da drüben vor sich ging, war die pure Verwahrlosung. Wenn es nach ihr ginge, wäre das längst beseitigt worden. Sie sah diese Angelegenheit längst nicht so entspannt wie Wiebke. Neben den Mäusen, die Willi von dort anschleppte, hausten dort sicherlich Ratten. Diese Tiere waren zu groß für Willi, ihre Zähne und Krallen zu scharf für ihn. Was Wiebke bloß an diesem Leon nett fand? Er verhinderte den Verkauf des Grundstücks durch die Erbengemeinschaft. Dabei sah er ihrer Meinung durchaus danach aus, als würde er ein paar Euros gut gebrauchen können. Zumindest ließ seine Kleidung diesen Schluss zu. Er trug meist, zumindest wenn sie ihn sah, dieselben Klamotten. Ob er irgendeiner Tätigkeit nachging? Dies entzog sich ihrer Kenntnis. Eigentlich wussten sie beide gar nichts über ihn, noch nicht einmal, wo er wohnte. Tamara war jedoch im Bilde darüber, dass Wiebke sympathischen Männern gegenüber nicht gänzlich unaufgeschlossen war. Das hatte sie bereits einmal schmerzlich erfahren. Wiebke war eine Liaison mit einem Mann eingegangen, um sich letztendlich dann doch dafür zu entscheiden, mit ihr zu leben. Es war ohnehin eine schwierige Phase gewesen. Sie waren grade in die alte Villa eingezogen. Durch eine Kundin waren sie darauf aufmerksam geworden. »Das wäre doch was für Sie?«, hatte die gesagt. Die vorherige Eigentümerin der Villa hatte jemanden gesucht, der bei ihr einzog, ihr Gesellschaft leistete und dafür im Gegenzug nach ihrem Ableben das Haus erbte. So richtig festgezurrt, mit Testament und Hinterlegung beim Notar. Amalie Trautwein hatte keine Familie, die für sie hätte sorgen können. »Ich habe keine Lust, dass womöglich irgendwann ein Rechtsanwalt eingesetzt wird, der sich angeblich um mich kümmert. Der lässt mich dann nämlich in irgendein beliebiges Heim bringen und kassiert jeden Monat eine ordentliche Aufwandsentschädigung für seinen Einsatz von mir. Das habe ich in meinem Bekanntenkreis zu oft erlebt, als dass ich dies für eine vertrauensvolle Option halten würde. Es gibt welche, die streichen nur das Geld ein und kümmern sich dann um fast nichts. Deshalb suche ich jemanden, der bei mir ins Haus einzieht, damit ich da bis zuletzt bleiben kann. Ich wohne schon so lange in diesem Haus! Ich kann mir einfach nicht vorstellen auszuziehen. Sie zahlen selbstverständlich keine Miete. Als Gegenleistung wohne ich nicht alleine. Ich merke, dass ich ein wenig vergesslich werde, was ja völlig normal ist in meinem Alter. Natürlich mache ich mir Sorgen um meine Zukunft. Als Dank dafür, meine letzten Jahre im eigenen Haus umsorgt zu werden, vererbe ich mein Haus dann an Sie. Das dürfte eine angemessene Entschädigung sein. Ich bin ja noch ziemlich rüstig und ganz sicher kein Pflegefall. Und habe es außerdem auch nicht vor, einer zu werden. Ich will lediglich nicht alleine wohnen und ein wenig Hilfe im Alltag haben, wie etwa beim Einkaufen und Putzen.« Das hatte sie bei ihrem ersten Treffen gesagt. Es klang glaubwürdig. Im Nachhinein fragten sich Wiebke und Tamara öfters, ob sie nicht hätten hellhörig werden können. Aber der Deal klang derart gut, dass sie nicht lange überlegten und handelten. Außerdem wirkte Frau Trautwein ausgesprochen rüstig und weit davon entfernt, ein Pflegefall zu werden. Sie wirkte sympathisch, und die beiden Frauen waren sich einig, dass mit ihr ein sehr gutes Auskommen möglich sei. So eine Art Mehrgenerationenhaus sozusagen, auch wenn es genau betrachtet nur zwei waren. Sobald alles beim Notar geregelt war, was überraschend schnell ging, kündigten sie ihre Wohnung in Edingen und zogen ein. Sie beide hatten besprochen, sich die Betreuung der alten Dame, falls diese doch wider Erwarten in ein paar Jahren ein Pflegefall wäre, zu teilen und dementsprechend bei ihrem Tod zu zweit eine Erbengemeinschaft zu bilden. Das Haus war ein Traum und die Lage ebenso. In Heidelberg explodierten die Immobilienpreise regelrecht, das gepflegte Haus mit dem großen Grundstück war ein regelrechtes Sahnestück und ein kleines Vermögen wert. In früheren Zeiten hätte bestimmt die Kirche der Frau das Haus im Gegenzug für ihr Seelenheil abgeschwatzt. In katholisch dominierten Kleinstädten gab es ganze Häuserzeilen, die auf diese Weise ihre Eigentümer gewechselt hatten. Aber Amalie Trautwein ging es darum, ihre letzten Jahre im Diesseits selbstbestimmt zu verbringen. Die beiden Frauen waren dafür vorgesehen, ihr dabei helfen, im Haus bleiben zu können. »Ein wenig vergesslich«, wie sie sich selbst lachend bezeichnete, erwies sich jedoch ziemlich rasch als äußerst euphemistische Umschreibung für das tatsächliche Befinden von Oma Amalie, wie sie sie nannten. Sie schaffte es mit einer überaus bemerkenswerten Energie jeweils für einige Stunden, eine gewisse Fassade aufrechtzuerhalten, die wenig mit ihrem tatsächlichen Zustand gemein hatte. Waren sie leichtsinnig gewesen und hätten besser das Gutachten eines Arztes eingefordert? Sie hatten auf das vertraut, was sie selbst wahrnahmen. Aber das war eine Kulisse gewesen. Hinter dem Vorhang sah es anders aus. Mehr als einmal hatte sie den Herd in der Küche eingeschaltet gelassen. Einmal war sogar wegen der Rauchentwicklung die Feuerwehr angerückt. Nachbarn hatten Qualm aus dem Küchenfenster steigen sehen und die Nummer gewählt. Da Oma Amalie den Schlüssel im Haustürschloss von innen stecken ließ, musste die Feuerwehr, um ins Haus zu kommen, das Schloss aufbohren. Das Malheur war schnell beseitigt. Die Linsensuppe, die sie auf dem Herd stehen hatte, war zwar mächtig eingedampft, der Topf komplett hinüber, aber immerhin war niemand zu Schaden dabei gekommen. »Das bisschen Rauch«, meinte sie lediglich dazu, als Tamara und Wiebke nach Hause kamen. »So ein Aufstand deswegen, also wirklich. Das ist so was von unnötig!« Sie schüttelte ihren Kopf mit den silbergrauen Sauerkrautlöckchen, die einmal wöchentlich von einer Friseurin, die seit Jahren schon zu ihr ins Haus kam, ihren Schwung bekamen. »Die Herren sind ja so nett«, kommentierte sie den Einsatz der Feuerwehrmänner und zupfte an der Schleife ihrer cremefarbenen Bluse. Wie immer trug sie ihre teure Perlenkette mit der mit kostbaren Brillanten besetzten Schließe, die ein Hochzeitsgeschenk ihres längst verblichenen Gatten war. »Ich habe gar nicht gewusst, dass es heutzutage noch solche Kavaliere gibt. Die passen auf uns ältere Mädchen auf, nicht wahr? Das ist so reizend von Ihnen! Wirklich.« Der junge Feuerwehrmann, den die Kameraden der Blaulichtorganisation zur Vorsicht bei ihr zurückgelassen hatten, war tatsächlich errötet, als Frau Trautwein ihm ihren Augenaufschlag geschenkt hatte, den sie sich seit ihrer Kindheit, als ihr ihre finanziell gut ausgestatteten Eltern selbst den kleinsten Wunsch nicht abzuschlagen vermochten, bewahrt hatte, und ihm vertraulich ihre Hand auf den Arm legte. Die beiden Mitbewohnerinnen bedankten sich bei ihm und versprachen, ihm in den nächsten Tagen ein kleines Buchpaket zukommen zu lassen. Worauf er sich sichtlich erleichtert sehr schnell davonmachte. Ihm klingelten die Ohren vom Redeschwall der alten Dame. »Kommen Sie gerne wieder, junger Mann!«, rief sie ihm mit hoher Stimme hinterher. Aber da war er schon außer Hörweite. Weshalb Tamara grade jetzt diese Szene wieder einfiel? Sie und Wiebke hatten diesen Satz in ihren persönlichen Witze-Vorrat eingebaut, in diese Art von Geheimsprache, die innerhalb einer Familie herrscht. Jemand sagt einen Satz, und alle prusten los. Außenstehende wissen überhaupt nicht, was daran lustig sein soll, weil sie nicht in den Kontext eingeweiht sind. Jedenfalls legten die beiden nach diesem unrühmlichen Vorfall immer für den Zeitraum, wenn sie, was sehr rasch selten wurde, beide zusammen außer Haus waren, im Stromkasten den Sicherungsschalter für den Herd um. Im Kühlschrank stand dann immer ein Snack für Oma Amalie. Das neue Schloss an der Haustür, welches ein netter Handwerker aus der Nachbarschaft einbaute, ließ sich auch dann aufschließen, wenn innen ein Schlüssel steckte. Es war lediglich ihr Kopf, der immer mehr nachließ. Ihr Körper war topfit. »Frau Trautwein, Sie haben das Herz einer viel jüngeren Frau, als Sie es sind. Organisch sind Sie prompt 20 Jahre jünger.« Als die betreuende Hausärztin dies zum ersten Mal fröhlich trällerte, lachten sie beide noch wie über einen Scherz. Bei jeder folgenden Routine-Untersuchung hätten sie sich am liebsten die Ohren zugehalten, wenn Frau Doktor Meier-Schmidt zu ihrem Spruch ansetzte. »Sie werden 100 Jahr alt, bei der guten Pflege, die Sie hier haben.« Dass Oma Amalie zunehmend vergesslicher wurde, stritt sie selbst mit Vehemenz ab. Sie täuschte vor, täglich die Tageszeitung zu lesen und nach wie vor stets über alles informiert zu sein. Wenn man sie jedoch fragte, wer Bundeskanzler sei, kam prompt die Antwort: »Helmut Kohl.« Nur wenn sie wie ein kleines Kind, das mehr Fähigkeiten vorzutäuschen versuchte, als es tatsächlich schon erworben hatte, ein Buch verkehrt herum hielt, bekam ihre mühsam verteidigte Fassade Risse. Bald schon benötigte Oma...


Schmid, Claudia
Claudia Schmid lebte in Passau, bevor sie sich ihren Traum erfüllte und an der Mannheimer Universität Germanistik und Betriebswirtschaftslehre mit dem Abschluss Magister Artium studierte. Seit über 30 Jahren wohnt sie nun in der Metropolregion Rhein-Neckar, mittig zwischen Mannheim und Heidelberg, und schreibt Kriminelles, Historisches, Reiseberichte, Hörspiele und Theaterstücke. Neben ihren Büchern hat die Ehren-Kriminalkommissarin der Polizei Mannheim-Heidelberg über fünf Dutzend Kurzgeschichten veröffentlicht. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin ist auch als Redakteurin von »kriminetz.de« sowie als Kommunikationstrainerin tätig und übernimmt mit Vorliebe kleine Rollen in Fernsehkrimis.



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