E-Book, Deutsch, Band 14, 220 Seiten
Reihe: Lengsfelder Geschichten
Schlegel Stadtlengsfeld fern der Heimat
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7583-9460-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lengsfelder Geschichten XIV
E-Book, Deutsch, Band 14, 220 Seiten
Reihe: Lengsfelder Geschichten
ISBN: 978-3-7583-9460-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das vorliegende Buch ist das vierzehnte Opus zur Geschichte von Stadtlengsfeld in der Rhön. Es geht um Ereignisse und Personen, die ihr Glück fern der Heimat suchten. Ihr Schicksal wurde nachgezeichnet und auf die vorliegende Weise einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Der Inhalt basiert auf einer Fülle historischer Daten, auf persönlichen Lebensläufen sowie auf Gesprächen mit Zeitzeugen. Die populären Darstellungen zielen auf einen großen Leserkreis ab, v. a. auf Bürger von Stadtlengsfeld, Weilar, Gehaus, Kaltennordheim oder Geisa, auf Heimatforscher, auf Lehrer und Schüler sowie auf Nachfahren von Auswanderern. Die Geschichten bieten genügend Stoff für Anekdoten, kuriose Begebenheiten und exotische Schauplätze. Sie sind Anlass zum Staunen und Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken! Die souveräne Auswahl der Themen, Sortierung und ihre prägnante Abhandlung lassen Sachverstand und nötiges Einfühlungsvermögen des Autors erkennen. Dass es im Verlauf 200 Jahren rund 500 Auswanderer gegeben hat, dass diese in vielen Ländern ein neues Zuhause gefunden haben, dass einige von ihnen weltberühmt wurden, dass sogar zwei Segelschiffe mit Rhönern in Kolumbien landeten und deren Nachkommen bis in die Gegenwart existieren, sind nur einige von vielen Enthüllungen, die dieser Band enthält.
Prof. Rolf Schlegel ist Emeritus für Zytogenetik, Genetik und Pflanzenzüchtung nach über 50 Jahren Erfahrung in Forschung und Lehre. Er ist Autor von mehr als 200 wissenschaftlichen Publikationen und anderen Abhandlungen, Koordinator interna-tionaler Forschungsprojekte und Mitglied mehrerer internationa-ler Organisationen. Er veröffentlichte bereits erfolgreich fünf Fachbücher in englischer Sprache, herausgegeben von drei amerikanischen Verlagen. Rolf Schlegel diplomierte 1970 auf dem Gebiet der Genetik und Pflanzenzüchtung und promovierte 1973. Die Habilitation (Dr. sc.) folgte 1982. Er war langjährig an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem Institut für Genetik und Kulturpflanzenforschung der Akademie der Wis-senschaften in Gatersleben, dem Institut für Getreide und Son-nenblumen-Forschung, Dobrich/Varna, sowie dem Institut für Biotechnologie der Bulgarischen Akademie der Landwirt-schaftswissenschaften tätig; darüber hinaus an verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen der USA, Brasilien, England, Japan, Russland und anderen Ländern. Seit geraumer Zeit hat er die Ahnenforschung seines Heimatortes Stadtlengsfeld zur Freizeitbeschäftigung gemacht. Dabei entstand eine Datei von mehr als 60.000 Personen-Einträgen aus der mehr als tausendjährigen Historie des Ortes. Die Schicksale der Menschen und deren Leben bieten Stoff für eine Vielzahl von Geschichten und historischen Darstellungen. Diese einem breiten Publikum kundzutun, ist eine neue Passion des Autors.
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04 Deutschlands Auswanderer
Eine aktuelle Studie zeigt, dass noch im Jahr 2015 annähernd 140.000 Deutsche das Land verließen. Das ist sogar eine deutliche Steigerung gegenüber dem Jahr 1991, als es nur knapp 85.000 waren. Am meisten Auswanderer gab es 2015 aus Bayern (knapp 31.000), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (25.000) und Baden-Württemberg (24.000). Die Altersgruppe zwischen 30 und 50 Jahren ist dabei die größte. Seit Jahren steht ist die Schweiz das begehrteste Ziel der Deutschen. Gute 18.000 Deutsche zog es im Jahr 2015 dorthin, gefolgt von den USA mit gut 13.000 und Österreich mit etwa 10.000 Zuzügen. Und was in der Gegenwart passiert, gibt es schon mehr als 400 Jahre. Während des Mittelalters wanderten in verschiedenen Wellen Menschen aus dem Heiligen Römischen Reich in die slawisch und baltisch besiedelten Gebiete aus. Diese historische Periode wird auch als Ostbesiedelung bezeichnet: Es waren überwiegend deutschsprachige Siedler, die seit etwa 1000 n. Z. in die Gebiete östlich von Saale und Elbe kamen (Baltikum, Böhmen, Polen, Ungarn, Rumänien und Moldawien Abb. 4.1). In jenen Regionen wurden Städte und Kolonistendörfer nach deutschem Regeln angelegt, bestehende Dörfer und frühstädtische Siedlungen erweitert oder umstrukturiert. In den reichsnahen Ostmarken, d. h. dem südlichen Ostseeraum und in Schlesien, wurde die westslawische Vorbevölkerung meist assimiliert. Abbildung 4.1: Phasen der Ostbesiedelung nach dem 8. Jahrhundert. Farben: rotbraun = altes deutsches Siedlungsgebiet; rosa = bäuerliche Siedlung zwischen 8. - 11. Jahrhundert; ocker = bäuerliche Siedlung zwischen 12. - 14. Jahrhundert; grün = Besiedlung von Wäldern und Sümpfen um das 14. Jahrhundert. Quelle: [5] Auch in Polen, teilweise aber auch in der Oberlausitz, gingen die Neusiedler in der slawischen Mehrheitsbevölkerung auf. 18. Jahrhundert Abbildung 4.2: Deutsche Siedler in Osteuropa, wie Polen, Ungarn, Rumänien, Ukraine und Russland. Quelle: [6] Seit dem 15. Jahrhundert förderten einige Landesherren oder die Könige von Preußen die Ansiedlung von Glaubensflüchtlingen durch Vergünstigungen. Sie erhofften sich so Impulse für ihre Wirtschaft. Auf diese Weise kamen um das Jahr 1733 Salzburger Exilanten sowie französische Hugenotten2 nach Preußen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts emigrierten viele Menschen aus den deutschen Staaten nach Osten, z. B. nach Ungarn, Rumänien und Russland. Meist wurden sie durch die jeweiligen Landesherren dazu ermutigt und teilweise mit Privilegien versehen (Abb. 4.2). In manchen Ansiedlungsgebieten blieben die Sprache und Kultur des Heimatlandes jahrhundertelang erhalten, da die Siedlungen nach außen weitgehend isoliert waren und insbesondere Heiratsverbindungen mit Einwohnern des aufnehmenden Landes fast ausgeschlossen waren. Abbildung 4.3: Gedenktafel über erste deutsche Siedler in Virginia im Jahr 1608 Quelle: I. Hughes, 2023 In Rußland findet man noch heute solche Dorfgemeinschaften. Indessen entwickelten die Auswanderer eine bedeutende Wirtschaftskraft. Personen, die aus religiösen Gründen auswanderten, zogen darüber hinaus schon im 18. Jahrhundert in die Vereinigten Staaten von Amerika, um bei der dort gewährten Religionsfreiheit ohne Repressalien leben zu können. Das war insbesondere für kleine religiöse Gruppierungen von Interesse. Vor allem der Staat Pennsylvania zog Menschen aller religiösen Richtungen an. Man nimmt an, dass allein im 18. Jahrhundert etwa 200.000 Menschen aus Deutschland nach Amerika auswanderten. Es gibt sogar einen „German-American Day“ als Feiertag in den USA, der jährlich am 6. Oktober begangen wird. Er nimmt Bezug auf die Gründung der Stadt Germantown, deren Gründer am 6. Oktober 1683 in Philadelphia ankamen. Im Jahr 1983 rief der damalige Präsident Ronald Reagan den 6. Oktober zum German-American Day aus. Aber schon 1683 kamen erstmals größere deutsche Gruppen (mennonitische Familien aus Krefeld) in der amerikanischen Kolonie der Briten an. Aber auch schon wenige vorher im Jahr 1608 (Abb. 4.3). Heute sind die Deutschamerikaner die größte Bevölkerungsgruppe der USA. 19. Jahrhundert Im 19. Jahrhundert erreichte die um 1820 einsetzende Auswanderung im deutschsprachigen Raum einen Höhepunkt. Es kam verschiedentlich zu Massenauswanderungen, die mit miserablen wirtschaftlichen sowie demografischen Veränderungen verbunden waren. Man kann drei Phasen der Massenauswanderung unterscheiden: Abbildung 4.4: Das deutsche Dorf Bolnisi (Katarinenfeld) in Georgien; eine Gründung württembergischer Siedler aus dem Jahr 1818 . Quelle: Archiv R. Schlegel, 2014 - Bedingt durch den Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien um 1816/1817, einem der stärksten bekannten Vulkanausbrüche überhaupt, wurde so viel Asche in die Atmosphäre geschleudert, dass es auf der nördlichen Halbkugel zu extrem nassen, kalten Sommern kam und die Ernte zweier Jahre ausfiel. Deshalb kam es zu einer großen Emigrationsbewegung. In Südwestdeutschland schifften sich viele Menschen auf der Donau ein und siedelten in Südrussland, Bessarabien, in der Gegend um Odessa und Tiflis im Kaukasus (das Dorf Bolnisi in Georgien hat der Autor 2014 besucht, vgl. Abb. 4.4). Ein kleinerer Teil der Emigranten suchte in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat. - Zwischen 1845 und 1865 kam es zu einer zweiten Welle. Wiederum lösten Armut und eine anhaltende Wirtschaftskrise die Massenemigration – die größte des 19. Jahrhunderts – aus. Die gescheiterte Märzrevolution von 1848 war für viele Deutsche ebenfalls ein Motiv. - Nun zogen die Auswandererströme fast ausnahmslos nach Amerika. Dort wurden weite Landstriche erschlossen und besiedelt, indem man die ansässigen Indianer bekämpfte und vertrieb oder gezielt ausrottete. Einen zusätzlichen Anreiz zur Auswanderung bildeten die Nachrichten von Goldfunden in Kalifornien seit 1848. Ein Teil der gleichen Auswanderungswelle kam allerdings auch nach Australien. Es sind schätzungsweise 70.000 bis 80.000 Menschen. - Nach den 1880er Jahren kam es nochmals zu einer Auswanderungswelle nach den USA. Diese war jedoch nicht mehr so bedeutsam wie die zweite. Die Auswanderung über Bremen erfolgte jetzt größtenteils von Bremerhaven aus. Dort wurde seit 1850 ein Auswandererhaus betrieben, damit die Emigration mit Schiffen erfolgen konnte, die mehr Tiefgang hatten. Ein dortiges Museum zeigt einprägsam das Los der damaligen Menschen. [7] 20. Jahrhundert In der Zeit der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg emigrierten viele v. a. Süddeutsche gruppeweise nach Argentinien und Südbrasilien (Bundesstaaten Rio Grande do Sul und Santa Catarina). Auch hier entstanden deutschsprachige Siedlungen. Eine Gegend in Südbrasilien heißt heute noch Neu-Württemberg. Abbildung 4.5: Geschätzte Anzahl jüdische Flüchtlinge während der Nazi-Herrschaft in Deutschland und deren neue Heimat. Quelle: [8] Nach der Machtübernahme der NSDAP3 im Jahr 1933 setzte die Judenverfolgung sowie eine vollständige Unterdrückung jeglicher politischen Opposition in Deutschland ein. Menschen, die früh genug die Gefahr erkannten, genügend Geld und berufliche Ausbildung hatten, verließen das Deutsche Reich mehr oder weniger freiwillig. Die Flucht der nun politisch Verfolgten fand zumeist über die nächsten Grenzen ins Saargebiet (bis 1935 nicht Teil Deutschlands), nach Frankreich, Holland und Belgien, Dänemark, in die Tschechoslowakei, nach Österreich und in die Schweiz statt. Die Auswanderung in der ersten Welle ging unorganisiert vor sich und glich einer planlosen und überstützten Flucht vor den Verhaftungen. Nach dieser ersten Welle von Flüchtenden kam es zu einer zweiten, die zur Jahresmitte 1933 einsetzte. Doch nicht alle politisch Verfolgten wanderten aus. Viele kämpften auch innerhalb Deutschlands im Untergrund als Teil einer illegalen Organisation gegen den Nationalsozialismus weiter.Bis in die Kriegsjahre hinein setzte sich die politische Auswanderung in einer dritten Welle fort. Sie lebte von einem Zuzug ins Ausland durch gefährdete Mitglieder von Widerstandsgruppen, die im Deutschen Reich verblieben waren und dort agierten. Das Fortführen der Politik der alten Parteien und Gewerkschaften und die Betätigung in ihrem Sinne war inzwischen zum Gegenstand rechtlicher Verfolgung geworden: Das NS-Regime terrorisierte seine politischen Gegner. Im Unterschied zur Auswanderung der deutschen Juden war die Emigration der politischen Flüchtlinge vom NS-Regime keinesfalls erwünscht. Man erwartete von ihnen Gefahr aus dem Ausland, z. B. ab 1936 von den Kämpfern der Interbrigaden4 im Spanischen Bürgerkrieg. Die Juden hatten am meisten unter dem Nazi-Regime zu leiden. Zwischen 1933 und 1937 verließen mehr als 130.000 Juden das nationalsozialistische Deutschland. Ein großer Teil von ihnen ging...