Schindlecker | Jakob Mustafa - Das Vermächtnis des Chronisten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 432 Seiten

Schindlecker Jakob Mustafa - Das Vermächtnis des Chronisten

Historischer Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7099-3596-5
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

ISBN: 978-3-7099-3596-5
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein kleiner Ort an der Donau bei Wien im Jahre 1684: Ein Bub wird dort geboren, Jakob soll er heißen. Die Dorfbewohner nennen ihn nur Mustafa. Als Sohn eines türkischen Offiziers ist er in ihren Augen ein Bastard. Aber Jakob ist klug, er weiß sich zu wehren. Und schließlich retten ihm der Mut und die Großherzigkeit seines Ziehvaters das Leben. Der Kampf gegen die grausamen Intrigen ist jedoch nicht zu Ende.

Fesselnd und authentisch schildert Fritz Schindlecker, wie sein Held aus der von Aberglauben geprägten Dorfwelt ausbricht und alle Vorurteile überwindet.

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Geheimnisvolles Testament
Am Nachmittag des nächsten Tages, des 26. Aprils anno domini 1692, versammelte sich in der Leewarner Pfarrkirche eine riesige Trauergemeinde, um den Verstorbenen das letzte Geleit zu geben. Vor dem Speisgitter standen die drei Särge, über und über mit Frühlingsblumengebinden geschmückt. So wie die Prunkhochzeit tags zuvor gar nichts Ländliches an sich gehabt hatte, so war auch dieses Leichenbegängnis ganz anders als die üblichen bäuerlichen Begräbnisse, für die der Pfarrer von den Häuslern und Inleuten gemäß den vom Rentamt vorgegebenen Regeln vier bis fünf Kreuzer verlangen durfte und die – dem erbärmlichen Betrage entsprechend – von ärmlicher Schlichtheit waren. Diesmal war es anders: Pfarrer Bergauer verzichtete auf jeglichen ihm zustehenden Obolus. Selbst den für Leewarner Verhältnisse geradezu reichen Ehringerischen erließ er die Begräbniskosten. Die beiden frisch Vermählten nahmen das priesterliche Angebot zwar bewegt dankend und mit Tränen in den Augen an, lumpen ließen sie sich aber nicht: Sie stellten das Holz und die Metallbeschläge für die Särge zur Verfügung, die der Hintermeier und der Ehringer selbst schon in aller Herrgottsfrüh zimmerten. Und sie bezahlten den Tollener Organisten Severin Hartl, der auch schon tags zuvor bei der Hochzeit aufgespielt hatte. Denn seit dem Abgang der Schulmeisterin in die gottgewollte, keusche Abgeschiedenheit des Klosterlebens, hatte es in Leewarn niemanden mehr gegeben, der des Orgelspieles mächtig gewesen wäre. Als Bergauer mit seinen Ministranten nach dem obligaten Glöckchenklingeln aus der Sakristei in die Apsis trat und vor dem Altar niederkniete, stimmte der Tollener Organist ein selbstverfasstes Tedeum an. Als dieses Preislied auf den Weltenlenker einem ersten Höhepunkte entgegen schwoll, und sich der Pfarrer vom Altar weg und seiner Kirchengemeinde zuwandte, da öffnete sich noch einmal das zentrale, der Apsis gegenüberliegende Kirchentor und Ravenbühl trat ein. Flankiert wurde er von vier Knechten zur Rechten und ebenso vielen zur Linken. Die Truppe stand unter der Führung des Sauthalers und war schwer bewaffnet: Sie trugen Pistolen und Säbel, zwei von ihnen sogar Musketen. Mit einer barschen Geste bedeutete der Rentamtleiter seinem Gefolge, sich im Hintergrund zu halten. Er selbst durchschritt in würdevoller Haltung den Mittelgang, wobei sich seine Schrittfolge am Takt des Orgelstückes orientierte, ging außen am Speisgitter vorbei, um schließlich rechts neben dem Altar auf dem für den Grundherrn beziehungsweise dessen Stellvertreter vorgesehenen Honoratiorenstuhle Platz zu nehmen. Trotz des lauten Orgelspiels, dessen seiner Meinung nach mindere Qualität Ravenbühl mit einem abschätzigen Lächeln quittiert hatte, war das vielstimmige Raunen unüberhörbar. Noch nie, nicht einmal an den Kirchtagen, war ein derart hoher Herr bei einem Leewarner Gottesdienst anwesend gewesen. Als das Tedeum verklungen war, verneigte sich Pfarrer Bergauer demütig vor dem Vertreter Seiner Fürstbischöflichen Eminenz, ergriff das Weihrauchfass, das ihm einer der Ministranten gereicht hatte, schwenkte es unter Gebetsgemurmel über den Särgen, nahm vom zweiten Ministranten das Weihwasserbecken, tauchte seine Rechte ein und besprengte die Totentruhen mit dem heiligen Nass, um sich schließlich nach dieser feierlichen Einsegnung neuerlich dem Altar zuzuwenden und mit dem Requiem zu beginnen. All dies geschah vor der akustischen Kulisse eines immer lauter und bedrohlicher werdenden Volksgemurmels, das sich über die Anwesenheit Bewaffneter bei der heiligen Totenfeier zu mokieren schien. Der Schaanschläger, der im hinteren Drittel der Kirche Platz genommen hatte, fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Doch wurde es ihm sogleich leichter, als der Pfarrer, nachdem er das Confiteor unterbrochen und sich dem Kirchenvolke zugekehrt hatte, nun begann, in sanft rügendem Ton die Schäfchen zur Ordnung zu rufen: »Brüder und Schwestern! Ich bitte Euch: Schweiget still! Denn wir alle – und ich wiederhole es: Wir alle sind hier, um drei lieben Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen!« Bei diesen Worten sah er mit einem fast flehentlichen Blick auf den Rentamtleiter. Ravenbühls Augen verengten sich für einen kleinen Moment zu schmalen Schlitzen. Doch dann erhob er sich, ging gemessenen Schrittes auf seiner – also der dem Altar zugewandten – Seite des Speisgitters bis zur Mitte, wandte sich mit einer feierlich wirkenden Bewegung den Särgen zu, hielt inne, um mit Anteil nehmendem Blick, der große Seelenpein vermittelte, zuerst die Trauergemeinde, dann die Särge zu betrachten und machte schließlich eine tiefe, demutsvolle Verbeugung vor den Dahingegangenen. Nun erstarb das Unmutsgemurmel. Nur noch Weinen und unterdrücktes Wehklagen war zu hören. Der Rentamtleiter kehrte an seinen Platz zurück. Nachdem er sich gesetzt hatte, erschütterte auch seine Brust ein Schluchzen. Er griff in die Außentasche seines Gehrocks, entnahm ihr ein damastenes Schnupftuch und wischte sich damit die Augen. Bergauer aber hatte sich bereits wieder dem Altar zugewandt und betete das Confiteor zu Ende. Für Ravenbühl hatte dieser miserable Tag bereits unheilvoll begonnen. Schon um sechs Uhr früh hatte ihn sein Diener Bartl aus dem Bett geholt. »Euer Hochwohlgeboren!«, sagte Bartl mit gedämpfter Stimme und aus sicherer Entfernung. Denn schon zu oft war es ihm geschehen, dass sein Herr, zumal nach einem opulenten Trinkgelage, wüste Beschimpfungen ausgestoßen und alles Mögliche nach ihm geworfen hatte, während der dienstbare Geist doch nur seiner Aufweckpflicht nachzukommen trachtete. »Euer Hochwohlgeboren, der Landrichter Stockner wünscht Euch zu sprechen.« »Hundsfott, dreimal vermaledeiter!«, ließ sich der Rentamtleiter schlaftrunken vernehmen. »Jawohl!«, antwortete der Diener kleinlaut und nahm die scheinbare Demütigung mit einer kleinen Verbeugung entgegen. Ravenbühl schwang die Beine aus der Bettstatt, gähnte, streckte sich und sagte ruhig und sachlich: »Ich meine nicht dich, ich meine den Landrichter! Wo ist der Kretin?« »Seine Exzellenz weilt in Eurem Arbeitssalon. Gemeinsam mit dem Herrn Sauthaler.« Der Rentamtleiter hatte bereits begonnen, sich anzukleiden. Jetzt hielt er kurz inne und sah seinen Diener mit gütigem Blick an. »Bartl! Du solltest es nach all den Jahren in meinem Dienste gelernt haben, Personen, die nach dem Stande über dir stehen, korrekt anzusprechen. Also, lausche: Der Landrichter ist keine Exzellenz, sondern ein Hundsfott und der Sauthaler ist kein Herr, sondern ein Arschloch. Wer harrt also meiner in meinem Arbeitssalon?« »Ein Hundsfott und ein Arschloch!«, entgegnete der Diener sachlich und der Rentamtleiter nickte zufrieden. Dieser Morgen versprach düster, anstrengend und unleidlich zu werden, doch Bartls Gehorsam brachte wenigstens einen Tropfen befriedigender Heiterkeit in das Meer des Übels, das nach Ansicht Ravenbühls bereits an die Gestade der seligen Insel seines Schlafzimmers brandete. Als er fertig angekleidet war, äußerte er seine Frühstückswünsche, die der Diener an die Schlossküche weiterleiten sollte: Drei kernweich gekochte Eier, ein halbes Pfund vom luftgetrockneten Rinderschinken, einen kleinen Laib Brot und einen Humpen Bier. Keinesfalls aber dürfe der dienstbare Geist Teller oder Trinkkrüge für die beiden anderen bereitstellen, er habe weder Hundsfott noch Arschloch eingeladen und von den Pflichten der Gastfreundschaft entbinde ihn darüber hinaus und vor allem der frühmorgendliche Zeitpunkt des Besuches der beiden. Unter Bücklingen entfernte sich Bartl. Als kurze Zeit später Ravenbühl seinen Arbeitssalon betrat, stand der Landrichter Stockner vor einem der fünf Bücherkästen und studierte mit offensichtlichem Interesse die Buchtitel, die auf den Rücken der Bände in Goldschrift eingraviert waren. Der Sauthaler hatte es sich auf der Ottomane, die zwischen den beiden nordseitigen Mittelfenstern stand, gemütlich gemacht und schlief den Schlaf des Gerechten. Zwei steile Zornesfalten bildeten sich über der Nasenwurzel des Rentamtleiters, während er sich an Stockner wandte. Er tat dies laut, so als müsse er das Schnarchen des Sauthalers übertönen: »Herr Landrichter, Ihr scheint mir ein großer Freund des geschriebenen Wortes zu sein!« Stockner war vorerst einmal erschrocken zusammengezuckt. Jetzt wandte er sich um und sprach sein Gegenüber mit fester Stimme an: »Ich interessiere mich für das geschriebene Wort vor allem von Berufs wegen, Herr von Ravenbühl. Und da muss ich nun mit nicht geringer Sorge feststellen: Ihr scheint mir ein großer Freund ketzerischer Schriften zu sein!« Der Rentamtleiter wich Stockners lauerndem Blick nicht aus, sagte aber vorerst nichts. Vielmehr ging er zu seinem Tabernakelschrank, öffnete eine Lade und fand nach kurzem Suchen das, was er zu finden beabsichtigt hatte. »Ein Schreiben Seiner Eminenz, des hochwürdigsten Herrn Bischofs zu Passau. Er legt darin seinen geistlichen und...


Fritz Schindlecker, geboren 1953 in Tulln an der Donau, schreibt seit mehr als 30 Jahren erfolgreich Drehbücher, Theaterstücke, Libretti, Hörspiele und Kabaretttexte (u.a. für Lukas Resetarits, Erwin Steinhauer oder Peter Kraus). Mit Jakob Mustafa - Das Vermächtnis des Chronisten legt er seinen ersten Roman vor. Er lebt in Langenlebarn/NÖ und Lasberg/OÖ.



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