Schimmang | Ein kurzes Buch über die Liebe | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 250 Seiten

Schimmang Ein kurzes Buch über die Liebe

Roman
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95764-110-6
Verlag: Hallenberger Media Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 250 Seiten

ISBN: 978-3-95764-110-6
Verlag: Hallenberger Media Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wenn aus einer Affäre mehr wird, obwohl die Spielregeln anders lauten:
Der Schriftsteller Wolbeck beginnt ein Verhältnis mit der glücklich verheirateten Immoblilienmaklerin Vera Ruben. Die beiden verbringen gemeinsame Wochenenden voller Leidenschaft in Paris und Amsterdam. Von Beginn an gibt es eine Regel: „Verlieb dich nicht“. Doch schnell wird klar: Gefühle lassen sich nicht festlegen, sondern gehen eigene Wege...

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1
Die Stimme der Frau war nicht mehr zu überhören. Ich saß an einem Juliabend im Garten eines stadtbekannten Restaurants und beobachtete die anderen Bewohner der Stadt, die hiergeblieben waren, weil sie ihren Urlaub schon hinter sich oder noch vor sich hatten oder aber, wie ich, aus chronischem Geldmangel an eine Urlaubsreise gar nicht denken konnten. Trockene Wärme hatte endlich die feuchte Hitze abgelöst, die fast eine Woche lang über der Stadt gelegen und die Leute apathisch oder aggressiv gemacht hatte. Jetzt kehrte die Freude am Sommer zurück. Die Frauen zeigten ihre Schönheit wieder selbstbewußter, weil sie keine Angst mehr haben mußten, daß man ihren Achselschweiß sah, und weil die leicht gesunkenen Temperaturen wieder mehr Energie übrig ließen, um sich angemessen in Pose zu setzen. So kunstvoll wurden die Beine übereinandergeschlagen und ein Stück Schenkel entblößt, so geschmeidig streckten sie den nackten Arm aus, um das Glas oder die Tasse zu nehmen, so gekonnt und zugleich selbstvergessen boten sie ihr Dekolleté dar, daß man begriff, wieviel Disziplin und Übung seit frühesten Jahren in diesen Momenten steckte. Manches allerdings war eine Spur zu bemüht, zu gierig oder zu ängstlich; zu offensichtlich kämpfte die eine oder andere um einen Vorteil oder versuchte, Terrain wiederzugewinnen, das verlorengegangen war. Am Rande der Treppe, die ins Innere des Lokals führte, lehnten junge Männer und versuchten heftig so zu wirken, als ginge sie das alles nichts an. Ohne sich dessen bewußt zu sein, zerstörten sie diesen mühsam aufgebauten Eindruck jedoch immer wieder, indem sie sich von Zeit zu Zeit gleichsam zerstreut am Geschlechtsteil kratzten. An dem kleinen Tisch mir gegenüber schließlich saßen zwei Spanierinnen und blickten mit gelassener Verachtung auf diese mediokre mitteleuropäische Inszenierung herab. Ich selber hatte mich ziemlich lange an einem ebenso mittelmäßigen Wein festgehalten (die Beliebtheit dieses Restaurants im Sommer beruht auf der Größe seines Gartens, nicht auf seiner Qualität), über Käufe und Verkäufe nachgedacht und auch darüber, ob ich nicht doch einmal versuchen sollte, als Werbetexter bei einer Agentur unterzukommen. Das war ein Gedanke, den ich seit Jahren hin- und herbewegte, ohne die Initiative zu ergreifen. Nicht, daß ich mir eine solche Tätigkeit nicht zutraute, aber ich wurde den blödsinnigen Gedanken dazu bin ich zu alt nicht los, und das besserte sich im Laufe der Jahre naturgemäß nicht. So lebte ich gerade in diesen Wochen, da das verkaufte literarische Wort wieder einmal besonders wenig einbrachte (um genau zu sein: der Erlös ging gegen null), vom Verkauf einigen Hausrats, den ich nicht mehr brauchte. Durch meine wirren Wohnungswechsel der letzten zwei Jahre hatte ich beispielsweise zwei Betten und gleich drei Kühlschränke. Also annoncierte ich in einem Anzeigenblatt, und nach und nach kamen die unterschiedlichsten Menschen in meine Wohnung und gingen mit mir in den Keller, um das Bett, den Kühlschrank und was ich sonst noch anbot abzuholen. Meistens mußte man ein wenig um den Preis feilschen, manchmal wurde anstandslos das Verlangte bezahlt. Dann nahm ich das Geld entgegen, schrieb auf Wunsch eine Quittung und rechnete aus, wie viele Tage ich von dieser Einnahme leben konnte, ohne meine Bank behelligen zu müssen. Ich fand mehr und mehr Gefallen an diesem Leben als Kleinhändler, fühlte mich verankert wie vielleicht noch nie in einer Gesellschaft, die schließlich auf den beiden Grundpfeilern des Kaufens und Verkaufens ruht. Da jedoch die Ware, die ich anzubieten hatte, begrenzt war, ging diese Existenz dem Ende entgegen. Schon hatte ich begonnen, einem vorübergehend in der Stadt lebenden Italiener, der an einer École Normale in Paris lehrte, Deutschunterricht zu erteilen. Sein Deutsch war ausgezeichnet; ihm ging es um die Feinheiten, die wir in vielen Gesprächen herausarbeiteten, über seine erotischen Verstrickungen ebenso wie über Barthes und Foucault, die er beide in den späten siebziger Jahren noch gehört hatte. Von diesem Unterricht, den wir dreimal wöchentlich am späten Nachmittag abhielten, war ich direkt in das Gartenrestaurant gegangen. Am Nebentisch war es nun laut geworden; niemand im Umkreis konnte das überhören. Ein Pärchen in den Mittzwanzigern saß dort, und wir alle hörten das Gespräch mit. Eher handelte es sich um einen kleinen Monolog, in dem die junge Frau sehr eifrig Einrichtungsvorschläge für die neue Wohnung machte, gewiß sehr gute Einrichtungsvorschläge, bestimmt von einem sicheren Geschmack ebenso wie vom Gespür für die realen Möglichkeiten des Budgets. Ihr Freund antwortete in regelmäßigen Abständen mit einem leicht gereizten Brummen, das sie ebenso als Zustimmung auslegen konnte wie als zarte Bitte, mit dem Thema Schluß zu machen. Einmal sah ich zu den beiden hinüber, sah seinen abschweifenden Blick, der über die Menge ging, über die Frauen, die kamen und gingen, während er zugleich die Hand seiner Freundin streichelte. Nein, er betrog sie nicht, er war ihr aufrichtig zugetan, aber er wollte seine Zuneigung auf einer anderen Ebene halten, er wollte nicht über Möbel sprechen. Nun gut, dachte ich, aber wenn er sein Leben mit ihr teilen will oder auch nur einige Jahre, wird er über Möbel sprechen müssen. Er wird über die Stromrechnung sprechen müssen, über den Einkauf und im äußersten Fall sogar über einen Kindergartenplatz. Diese Erkenntnis schien auch dem jungen Mann zu dämmern, und ich las das Moment von aufrichtiger Überraschung in seinem Gesicht. Jetzt war also der Ton noch gereizter geworden und lauter, und endlich kulminierte er in dem schrill herausgestoßenen Vorwurf der jungen Frau, daß ihr Freund sich wohl überhaupt nicht für die gemeinsame Zukunft interessiere, ein Satz, in dem sich der Zorn und die tiefe Verletzung die Waage hielten. Jeder im näheren Umkreis hatte diesen Ausbruch mitbekommen, und aus Augenwinkeln verfolgten wir alle, wie es weiterging. Der junge Mann war etwas erschrocken. Zum einen war es ihm peinlich, so plötzlich in den Mittelpunkt gerückt zu sein; zum anderen fand er es ungerecht, sein Desinteresse an der Möbelfrage so radikal ausgelegt zu sehen. Vor allem aber wollte er möglichst schnell aus dieser Situation heraus, wollte diese Bühne verlassen. Während er also versuchte, mit der Serviererin Kontakt aufzunehmen und zu zahlen, bemühte er sich zugleich, seine Freundin zu beruhigen, sie zu beschwören, nicht noch einmal einen solchen Ausbruch, einen solchen Skandal zu inszenieren. Er zog sie nah an sich heran und flüsterte auf sie ein. Vermutlich erklärte er ihr, alles sei ein furchtbares Mißverständnis. Alles wird sich aufklären, man wird darüber reden, aber sie soll bitte bitte nicht noch einmal solchen Aufruhr machen, die anderen Gäste geht das gar nichts an. Schließlich schaffte er es zu bezahlen, gab ein geradezu aufatmendes Trinkgeld und lotste die immer noch grollende junge Frau zwischen den Tischen hindurch. Er tätschelte ihr dabei den Hintern, wobei nicht klar war, ob diese Geste ans Publikum gerichtet war: manchmal ist sie eben so, in einer halben Stunde ist alles vergessen, oder ob sie seiner Freundin zeigen sollte, daß er nicht gleichgültig sei, daß alles weitergehen würde, daß er nach wie vor Lust hatte, sie zu besteigen, daß die Leidenschaft ungebrochen war. Seine Miene, als er sich langsam aus dieser schwierigen Situation entfernte, war jedenfalls verwirrt und trug Spuren des Unglücks, als sagte ihm eine innere Stimme, daß er gerade einen großen Fehler machte. Wie oft hatte ich Sehnsucht und Neid empfunden, wenn ich am späten Abend ein Paar in inniger Umarmung und unter Küssen ein Lokal verlassen sah. Dann schien mir, auch ich müßte noch einmal einen Versuch machen, die Gewonnene heiraten und ihr für den Rest des Lebens nicht mehr von der Seite weichen. Das sei das schiere Glück, stellte ich mir vor, und im übrigen sei eigentlich jeder Mann dazu verpflichtet, sagte mir die Konvention und neuerdings auch wieder der Zeitgeist. Die Freunde sagten nichts, aber sie tauschten kritische Blicke, und die Frauen, aus einer natürlichen Routine heraus, machten von Zeit zu Zeit Versuche, mich zu verkuppeln. Diese Sorge um mich flößte mir manchmal ein schlechtes Gewissen ein, und ich versuchte ernsthaft, nun endlich den Erwartungen zu entsprechen. Und es ist zweifellos hübsch, daß jemand da ist, wenn man nach Hause kommt, sich nach Sorgen und Freuden erkundigt und belanglose Geschichten vom heutigen Tage erzählt. Aber weniger hübsch ist es, wenn die Weigerung, über Möbel zu sprechen, zu einem kleinen Drama führt, wie wir es alle gerade gesehen hatten. Wobei es natürlich nicht um die Möbel geht, sondern um Leidenschaft. Die junge Frau hatte schon recht: die Unlust ihres Freundes erstreckte sich nicht allein auf die Möbel. Vor einem halben Jahr hatten sie noch die Oper der einzigartigen Liebe aufgeführt, ließen sich in der Öffentlichkeit bestaunen, ohne zu bemerken, daß zur gleichen Zeit mindestens hundert andere Paare die gleiche Oper aufführten, die sich alle für etwas noch nie Dagewesenes hielten....



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