E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Reihe: Edition Aufatmen
Schilling Berufung finden und leben
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-417-27083-9
Verlag: R. Brockhaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lebensplanung für Frauen - Erweiterte Neuausgabe
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Reihe: Edition Aufatmen
ISBN: 978-3-417-27083-9
Verlag: R. Brockhaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Birgit Schilling ist Supervisorin (SG), Coach und Paartherapeutin. Sie hat mehrere Bücher zum Thema Glaube und Spiritualität veröffentlicht und gehört zum Mitarbeiterteam der Zeitschriften AUFATMEN, JOYCE und FAMILY. Die Mutter dreier erwachsener Kinder lebt mit ihrem Mann in Köln. www.schilling-supervision.com
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ACHT GUTE GRÜNDE, DEINER BERUFUNG AUF DIE SPUR ZU KOMMEN
Bevor wir uns auf den Weg begeben, unsere eigene Berufung neu zu entdecken, ist es sinnvoll, sich bewusst zu machen, warum dies so wichtig ist. Für einige Zeit darf dieses Thema in den Vordergrund unseres Lebens treten und sich auch von der Bewältigung des Alltags abheben. Es darf in unserer Seele Raum bekommen, sodass wir die kleinen und großen Hinweise wahrnehmen können, die Gott uns in diesem Suchprozess schenkt. So sind wir offen dafür, diese nicht zu übersehen, sondern wach und erfreut zu bemerken.
Mir sind acht gute Gründe wichtig geworden:
1. Gott schuf dich als Menschen mit kreativ-schöpferischem Potenzial
Am Anfang der Bibel sagt Gott in 1. Mose 1,26: »Jetzt wollen wir den Menschen machen, unser Ebenbild, das uns ähnlich ist« (HfA). Das heißt, der Schöpfer, dessen Natur es ja ist, immer wieder Neues zu erschaffen und zu gestalten, hat in uns Menschen, Mann und Frau, sein kreatives Potenzial hineingelegt. Jeder von uns trägt eine Sehnsucht in sich, in seinem Leben etwas zu gestalten, voranzubringen und schöpferisch tätig zu sein.
Als meine drei Kinder noch klein waren, saßen sie manchmal zu dritt im Sandkasten und waren darin vertieft, die verschiedensten Torten und Kuchen zu »backen«, verziert mit Zweigen und Blättern. Ich durfte ihre Kreationen bestaunen und mir ein Stück zum Essen aussuchen. Im Teenageralter traf sich unser Sohn regelmäßig mit einigen Freunden, um gemeinsam Musik zu machen und Lieder aufzunehmen. Anschließend hörten sie sich das auf Kassette aufgenommene Musikstück immer wieder an: Das hatten sie gemeinsam komponiert. Seine Augen leuchteten, als er mir sein Schlagzeugsolo vorspielte.
Wir sind Gott ähnlich. In uns allen steckt Kreativität, die nur darauf wartet, sich zu entfalten. Direkt in 1. Mose 2 gibt Gott den Menschen den Auftrag, gestalterisch zu arbeiten – das Land zu bebauen und zu bewahren. Mann und Frau sollen sich dafür einsetzen, dass sich das Leben auf der Erde in guter Weise entfaltet und auch den Tieren sollen sie Namen geben. Mich begeistert dieser Aspekt des Schöpfungsberichtes: Arbeit kam nicht erst als Folge des Sündenfalls in die Welt, sondern es gab sie bereits in der guten Schöpfung Gottes.
Das Ziel meiner Lebensgestaltung kann es daher nicht sein, so viel wie möglich zu arbeiten, damit ich dann genügend Geld habe, um mich am Sonnenstrand wieder zu erholen. Das eigentlich lohnenswerte Leben geschieht nicht nur am Wochenende oder im Urlaub, sondern auch und gerade in und durch meine Arbeit. Die für mich passende Arbeit, die aus innerer Leidenschaft heraus geschieht, ist kostbar, egal, ob es sich um ehrenamtliche oder bezahlte Tätigkeiten handelt.
2. Das Leben in deiner Berufung gibt dir Lebensfreude und Energie
»Wow – genau dafür bin ich geschaffen! Diese Tätigkeit macht mir so viel Freude! Dabei vergesse ich Raum und Zeit, fühle mich Gott ganz nahe und bin so unendlich glücklich!« – Immer wieder höre ich diese oder ähnliche Aussagen von Männern und Frauen, die sich auf den Weg gemacht haben, Gottes Berufung für ihr Leben zu entdecken und zu leben. Und während ich hier inmitten eines chaotischen Berges aus lauter Seminarmitschriften, meinen Tagebüchern, der Bibel und vielen Büchern sitze, spüre ich mein eigenes Herz hüpfen: Das ist genau das, wozu ich geschaffen bin! Ich spüre das Lächeln Gottes auf mir. Er inspiriert mich bei diesem Buchprojekt und ist mittendrin dabei. Ja, es ist meine Leidenschaft, Männer und Frauen zu ermutigen, ihre ganz eigene Berufung, diesen Traum, den Gott in ihr Herz gelegt hat, zu entdecken und zu leben. Was für ein Vorrecht! Ja!
Was ich wohl gerade erlebe, nennt sich »Flow« (»im Fluss sein«), wie der Psychologe und Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi es beschrieben hat. Er meint damit das völlige Aufgehen in einer Tätigkeit, bei der man alles andere vergisst, weil die Aufgabe als so erfüllend erlebt wird. Das ist Schaffensglück pur. Ich bin davon überzeugt, dass Gott sich mit uns freut, wenn wir diese Lebensqualität bei der Arbeit erleben. Der Olympiasieger Eric Littleton sagte einmal: »Wenn ich Rennen laufe, dann spüre ich das Wohlgefallen und die Freude Gottes über mich.«
Es ist ganz unterschiedlich, bei welchen Tätigkeiten wir Flow empfinden. Was erzeugt bei dir Flow? Das Gestalten von Objekten? Das Anpflanzen von Gärten? Die Arbeit mit Texten? Das Unterrichten von Kindern? Was begeistert dich so sehr, dass du darüber alles andere vergisst?
Vor Kurzem erzählte mir mein Freund Waldemar (51) über die Leitung seiner Gruppe »Männerreise«2:
Oft fahre ich echt platt und müde zu den Gruppentreffen. Da muss ich mich schon ganz schön motivieren. Doch anschließend bin ich fast immer begeistert, richtig euphorisch und gar nicht mehr müde. Es ist so toll zu erleben, wie die Männer eigene Wunden, die das Leben geschlagen hat, vor Gott und einander offenlegen, wie sie sich gegenseitig ermutigen und stützen, wie sie ehrlich werden und so in ihrer männlichen Identität wachsen und in ein Abenteuer der besonderen Art einsteigen. Es macht mir solche Freude, die Männer herauszufordern und sie gleichzeitig zu begleiten und zu unterstützen. Und wenn ich dann noch beobachten kann, wie sie sich während dieser Zeit verändern, wie das Gute immer mehr durchbricht, freue ich mich noch mehr.
Letztlich geschieht hier dreierlei: Waldemar wird Zeuge bei erstaunlichen Wachstumsschritten der Männer, erlebt sich bei der Leitung der Gruppe genau am richtigen Platz und blüht selbst dabei auf.
Als ich bei einem Seminar das Thema »Berufung« nebenbei erwähnte, schaute mich eine Teilnehmerin müde an und meinte: »Berufung? Wie soll ich denn das auch noch in meinem Leben unterbringen? Ich bin schon bis an die Grenze belastet!«
Wir sollen und müssen an dieser Stelle gar nichts. Wie schon in Kapitel 1 erwähnt, ist es nicht zu jeder Zeit wichtig, die eigene Berufung neu zu erkennen. Bedeutsam ist aber, dass es bei diesem Thema immer um etwas geht, das uns Lebensfreude und Energie gibt, nicht nimmt. Das Ziel ist nicht, noch mehr zu tun, wohl aber, das für uns und in unserer Lebenssituation Angemessene zu tun, das aus Quellen unseres Inneren fließt.
3. Du bist dazu geschaffen, über dich selbst hinaus zu leben
Warum empfindet Waldemar solche Freude bei der Leitung der »Männerreise«? Warum erlebe ich meistens solche Freude beim Schreiben dieses Buches (auch wenn es natürlich Frustphasen gibt, denn die Detailarbeit, die auch zum Bücherschreiben gehört, liegt mir eher nicht)?
Ich bin davon überzeugt, dass wir von Gott so geschaffen sind, dass wir das größte Glück nicht im Nichts-Tun und in der Erholung erfahren, sondern dann, wenn wir erleben, dass unser Beitrag im Leben eines anderen Menschen einen Unterschied macht. Wir sind dazu geschaffen, über uns und unser kleines Leben hinaus zu leben, sodass durch uns die Welt ein wenig freundlicher, lebenswerter und hoffnungsvoller wird.
Der Psychoanalytiker Alfred Adler und der Begründer der Logotherapie Victor Frankl stellten fest, dass der Mensch drei wesentliche Dinge braucht, um geistig und seelisch gesund und glücklich zu sein:
1. Die Gelegenheit und den Raum, die eigene Einzigartigkeit zu leben.
2. Die Möglichkeit, die eigenen Talente zu entdecken, auszubilden, einzubringen, sich an ihnen zu erfreuen.
3. Sinnerfüllung in dem zu erleben, was man macht.
Wie ist es, wenn es um dich herum und auch innerlich still wird? Brechen dann tief in dir Fragen auf wie: Soll das alles gewesen sein? Erschöpft sich mein Leben im Hamsterrad des Alltags? Geht es darum, von einem Urlaub zum nächsten zu hecheln? Wozu bin ich auf dieser Welt? Wozu hat Gott mich in diese Welt gesetzt?
Wir alle haben das Bedürfnis, für etwas zu leben, das größer ist als wir selbst und unser eigenes Leben. Deshalb erleben wir solche Freude, wenn wir über uns hinaus leben. Diese Sehnsucht hat Gott in unser Herz gelegt, und je mehr wir mit Gott verbunden leben, umso mehr werden wir diese göttliche Sehnsucht in unserem Herzen spüren.
4. Das Leben in deiner Berufung lässt dich in deiner Persönlichkeit wachsen
Ich hatte früher folgende Vorstellung: Zuerst muss ich meine Probleme unter die Füße bekommen, also zum Beispiel Minderwertigkeitsgefühle, Neid und Undankbarkeit, und dann kann Gott mich vielleicht endlich gebrauchen und mir eine Berufung schenken. Heute sehe ich das anders. Ja, es ist gut, meine Persönlichkeitsentwicklung, mein Lernen und Heilerwerden oder meine »Heiligung«, wie wir Christen es nennen, in den Blick zu nehmen und Gott hinzuhalten, doch wir bleiben lebenslang unterwegs. Beenden werden wir diesen Wachstumsweg erst jenseits dieses irdischen Lebens, wenn wir dereinst bei Jesus sind. Ich bin keine unfehlbare Heilige (meine Familie kann dies bestätigen), und das ist in Ordnung. Aber anstatt darauf zu warten, dass ich einen bestimmten Reifegrad erreicht habe, bevor ich etwas tue, möchte ich auch jetzt schon in dieser Welt mit anpacken.
Ich bemerke außerdem einen erstaunlichen Zusammenhang: Meine Probleme und Egozentrik schrumpfen, wenn ich innerhalb meiner Berufung Gott und anderen Menschen diene. Es ist, als wäre ich plötzlich sprunghaft gelassener geworden und innerlich gewachsen. Der Neid oder das Kreisen um meine Defizite lässt rapide nach. Früher habe ich mich oft in Aktivismus verloren. Heute hat mein Leben Platz für beides: Stille haben vor und mit Jesus, mich dem tiefen Sein in Gott...