E-Book, Deutsch, 448 Seiten
Schier Die Wächterin von Köln
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7499-0778-6
Verlag: HarperCollins eBook
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Historischer Roman | Von Erfolgsautorin Petra Schier I Einzigartiger Einblick in die Unterwelt der Stadt Köln im 14. Jahrhundert I Für Leser und Leserinnen von Rebecca-Gablé
E-Book, Deutsch, 448 Seiten
ISBN: 978-3-7499-0778-6
Verlag: HarperCollins eBook
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Köln 1396/97: Elsbeth ist naiv und liebreizend, als sie mit sechzehn Jahren beginnt im Bordell 'Zur schönen Frau' zu arbeiten. Bald darauf wird einer ihrer Freier, der Ratsherr van Kneyart vergiftet aufgefunden und sie gerät ins Visier der Obrigkeit.
Auch ihr Halbbruder wird auf sie aufmerksam und bewahrt sie vor dem Galgen. Die beiden werden Vertraute und mit der Hilfe von Elsbeth, die für ihn im Dirnenhaus Informationen sammelt, wird er, sehr zum Gefallen seiner Frau, zum mächtigsten Mann Kölns und Elsbeth zur geschickten Drahtzieherin der Unterwelt. Als sie helfen kann, eine zu Unrecht verurteilte Frau vor der Verurteilung zu bewahren, beginnt der junge Henker Jörg ihre Weitsicht zu schätzen und zwischen den Gegnern entflammen Gefühle.
Seit Petra Schier 2003 ihr Fernstudium in Geschichte und Literatur abschloss, arbeitet sie als freie Autorin. Neben ihren zauberhaften Liebesromanen mit Hund schreibt sie auch historische Romane. Sie lebt heute mit ihrem Mann und einem deutschen Schäferhund in einem kleinen Ort in der Eifel.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1
16. August Anno Domini 1423
Elsbeth? Bist du hier drinnen?« Der Kopf der ältlichen Magd, die wegen ihrer Leibesfülle seit jeher dicke Trin genannt wurde, schob sich durch den Türspalt. Ihre Miene hellte sich auf, und sie betrat den kleinen Raum, den Elsbeth gerne ihre Schreibstube nannte, obgleich er eher eine Art Kontor war, denn hier bezahlten normalerweise die Freier, die das Haus Zur schönen Frau betraten, den veranschlagten Liebeslohn.
»Ah, gut, du bist da.« Elsbeth, die gerade dabei war, die Abrechnung des in der vergangenen Woche eingenommenen Geldes sowie der darauf entfallenden Abgaben an Henker, Stadt und zuständigen Bettelherrn vorzunehmen, hob den Blick kaum von den Münzen auf dem Schreibpult vor ihr. »Was gibt es denn? Steht Conrad Liebesam schon wieder frühzeitig vor der Tür, um den Bettelpfennig zu kassieren? Dann sag ihm, er muss sich noch einen Augenblick gedulden. Ich habe den Betrag noch nicht ausgerechnet.«
»Nein, Elsbeth, nicht der Herr Conrad steht vor der Tür.« Trin trat nah an das Schreibpult heran. Ihr Atem ging dabei stoßweise und rasselnd; ihre Wangen wiesen unregelmäßige rote Flecke auf. Offensichtlich machte ihr die Leibesfülle von Tag zu Tag mehr zu schaffen. »Da will euch ein junges Ding sprechen. Sie sagt, ihr Name ist Britti und dass sie hier arbeiten will.«
Nun hob Elsbeth doch den Kopf. »Wie jung?«
Trin hob die Schultern. »Dreizehn, vierzehn vielleicht.«
»Zu jung.« Missvergnügt erhob Elsbeth sich. »Bring sie in die Schankstube, ich rede mit ihr.«
»Ja. Natürlich. Sofort.« Trin wandte sich ab und verließ leise keuchend die Kammer. Bei jedem schlurfenden Schritt kratzten und klapperten ihre derben Holzpantinen auf dem sauber gekehrten Dielenboden.
Elsbeth trat an das offen stehende Fenster, das auf den Hinterhof und den daran angrenzenden Garten hinausging. Dort waren die beiden Zwillingsschwestern Fygen und Christin gerade dabei, einen Zuber voller weißer Wäsche zum Bleichen Richtung Tor zu tragen, um sie zur Bleichwiese zu bringen. Wie immer, wenn sie die beiden sah, sann sie darüber nach, wie verschieden sie doch aussahen, abgesehen von ihren schwarzen Haaren und den grauen Augen. Christin war groß und kräftig, Fygen hingegen klein und zierlich. Wenn sie beieinanderstanden, konnte man zwar eine gewisse Ähnlichkeit ausmachen, als Zwillinge hätte man sie jedoch nicht erkannt. Sie bestanden aber darauf, seit sie vor einem Jahr für Elsbeth zu arbeiten begonnen hatten, und hatten achtzehn als ihr Alter angegeben. Da Elsbeth keinen gegenteiligen Beweis erbringen konnte, ließ sie es trotz ihrer Skepsis dabei bewenden. Immerhin mochte es ja tatsächlich hin und wieder Zwillingspärchen geben, die sich nicht wie ein Ei dem anderen glichen. Nicht einmal das gleiche Geschlecht mussten sie haben. Einzig die Tatsache, dass Fygen wirklich deutlich jünger wirkte, hatte Elsbeth anfangs Sorgen bereitet.
Sie war selbst mit knapp fünfzehn Jahren in dieses Metier geraten und wusste, dass es eigentlich viel zu früh war für ein so junges Mädchen, ihren Leib täglich gegen bare Münze feilzubieten. Der Stadtrat sah es inzwischen ebenfalls nicht gerne und drückte nur dann ein Auge zu, wenn durch Hurenwirtin und Henker bestätigt wurde, dass dem betreffenden jungen Weib kein körperlicher Schaden oder seelische Pein aufgezwungen wurde. Eine Regelung, die nicht zuletzt von ihr selbst angeregt worden war. Deshalb bereitete sie sich innerlich darauf vor, das junge Ding in ihrer Stube mit einem Bündel an Ermahnungen und guten Ratschlägen abzuweisen.
Sie straffte die Schultern, strich ordnend über ihr silbergraues, tief, aber noch schicklich ausgeschnittenes Kleid, entwirrte kurz die gelben und roten Bänder an ihren Schultern und prüfte, ob ihr Haar unter dem leichten Schleier noch ordentlich aufgesteckt war. Sie achtete auch mit ihren nunmehr dreiundvierzig Lebensjahren sorgsam darauf, stets erlesen gekleidet und gepflegt zu sein. Auch wenn sich mittlerweile einige graue Strähnen in das Hellbraun ihres welligen Haars geschlichen hatten, wusste sie doch, dass sie nach wie vor als ansehnliches Weib galt, und das machte sie sich in einer Welt, die von Männern regiert wurde, immer wieder zunutze.
Als sie die leere Schankstube betrat, einen großen rechteckigen Raum mit gepolsterten Bänken an den Wänden und mehreren langen Tischen in der Mitte, die von ebenfalls gepolsterten Bänken flankiert wurden, sprang ein junges Mädchen mit dickem geflochtenem braunem Zopf von einer dieser Bänke auf.
»Frau Elsbeth, guten Tag!« Abwartend blieb sie stehen.
»Sei gegrüßt.« Elsbeth ging ein paar Schritte auf das Mädchen zu und unterzog deren Erscheinung einer eingehenden Musterung. Die Kleine war hübsch, ohne Frage, und besaß für ihr Alter einen üppigen Busen und ebensolche Hüften. Auf so manchen Besucher dieses Hauses würde sie damit unwiderstehlich wirken. Sie bedeutete dem Mädchen mit einer Geste, sich einmal im Kreis zu drehen. Das hellbraune Leinenkleid war ein bisschen knapp und spannte leicht über den weiblichen Rundungen. Es war schon etwas verschlissen, jedoch säuberlich geflickt, und an den fadenscheinigen Stellen geschickt mit farblich passenden Stoffeinsätzen verstärkt worden. »Du bist also Britti.«
»Ja, Frau Elsbeth.« Das Mädchen nickte eifrig. »Eigentlich heiße ich Brigitte, aber alle nennen mich schon immer nur Britti.«
»Soso.« Elsbeth nickte knapp. »Wie alt bist du, Britti, und woher kommst du?« Ehe Britti etwas sagen konnte, hob Elsbeth mahnend den Zeigefinger. »Die Wahrheit. Ich sehe es dir an, wenn du flunkerst.«
»Natürlich.« Eine kaum merkliche Röte zeichnete sich auf Brittis Wangen ab. »Ich bin im März vierzehn Jahre alt geworden. Geboren wurde ich in Bonn, und von dort bin ich auch kürzlich hier herübergekommen. Meine Eltern wohnen dort und auch mein Onkel, der Schneidermeister ist und bei dem ich als Näherin gearbeitet habe.«
»Eine Näherin bist du also.« Das erklärte die fachkundigen Ausbesserungen an dem Kleid. Elsbeth trat noch einen Schritt auf Britti zu und suchte ihren Blick. »Du bist mit vierzehn Jahren noch zwei Jahre zu jung für den Eintritt in ein Dirnenhaus. Was lässt dich glauben, ich würde dich nicht augenblicklich von einem Büttel aufgreifen und zurück nach Bonn bringen lassen?«
Einen Moment lang wirkte Britti von dem brüsken Ton, den Elsbeth angeschlagen hatte, eingeschüchtert, doch schon im nächsten Augenblick setzte sie eine entschlossene Miene auf. »Weil mich in Bonn keiner haben will. Mein Onkel hat mich aus dem Haus gejagt, und meine Eltern sagen, sie würden mich nicht kennen und wollten nichts mit mir zu tun haben, weil ich eine Schande für die Familie sei.« Ganz kurz schwankte ihre Stimme, doch sie hatte sie erstaunlich rasch wieder im Griff. »Es wäre vergebene Liebesmüh, mich zurückzuschicken. In Bonn gibt es nichts mehr für mich.«
»Und weshalb hält dich deine Familie für einen solchen Schandfleck?«, hakte Elsbeth nach, obgleich sie die Antwort bereits erahnen konnte.
»Weil ich und mein Vetter …« Nun schluckte Britti doch, und ein Ausdruck des Bedauerns huschte über ihre Miene. »Clausmann ist vier Jahre älter als ich und ein schneidiger Bursche. Er ging bei dem Küfer nebenan, also neben dem Haus meines Onkels, in die Lehre und kann vielleicht sogar mal die Küferei übernehmen, weil der Meister Ringholz keinen lebenden Sohn mehr hat.« Sie holte kurz Luft. »Der Clausmann und ich, wir haben uns gern. Sehr sogar. Und weil wir nicht so lange warten wollten, bis er nicht mehr bloß Geselle ist und endlich heiraten kann, haben wir … na ja, es miteinander getan. Heimlich natürlich, und er hat auch immer gut aufgepasst, dass er nicht … also, dass ich nicht schwanger werde. Aber dann hat uns die Marga, das ist die Frau des Küfers, doch mal erwischt und ein großes Geschrei veranstaltet von wegen Blutschande und Unzucht und so, und na ja …«
»Das hat deiner Familie natürlich gar nicht gefallen«, schloss Elsbeth.
»Nein, hat es nicht. Obwohl man doch seinen Vetter heiraten darf. Die hohen Herren und Frauen tun das doch auch ununterbrochen.«
Elsbeth runzelte die Stirn. »Eine Ehe zwischen Cousin und Cousine ist nicht erlaubt, Mädchen, wer hat dir denn solch einen Unsinn eingeredet? Dieser Clausmann womöglich? Ihr hättet niemals einen Priester gefunden, der dazu seinen Segen gegeben hätte.«
»Aber die hohen Herren und Frauen …«
»Die können sich eine Dispens beim Papst oder beim Erzbischof leisten. Aber ein Küfer und eine Näherin werden in hundert Jahren nicht genügend Geld verdienen, um auch nur den zehnten Teil einer solchen Summe aufzubringen.«
»Das hat Mutter auch gesagt, bevor sie mich rausgeworfen hat.« Britti zupfte am Ende ihres Zopfes herum. »Wir haben uns aber trotzdem gern … oder hatten. Jetzt soll Clausmann die Küferstochter heiraten, nein, wahrscheinlich hat er das schon getan. Ich bin ja schon seit Juni weg von Bonn. Ich habe versucht, irgendwo eine Stelle als Näherin zu finden, aber die Meister wollen fast immer eine Empfehlung oder so etwas, und wenn nicht, dann zahlen sie fast nichts oder wollen anderweitige ›Dinge‹.« Sie zuckte mit den Achseln. »Da habe ich mir gedacht, dass ich das dann auch richtig machen kann. So bin ich ja auch hierhergekommen. Ein Handelsherr hat mich mitgenommen, und dafür habe ich seine...