E-Book, Deutsch, Band 3, 576 Seiten
Reihe: Pilger-Reihe
Schier Die Liebe des Pilgers
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7499-0548-5
Verlag: HarperCollins eBook
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 3, 576 Seiten
Reihe: Pilger-Reihe
ISBN: 978-3-7499-0548-5
Verlag: HarperCollins eBook
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Intrigen, Machtkämpfe und große Gefühle im Koblenz des 14. Jahrhunderts
Eine verbotene Liebe, die nur heimlich gelebt werden kann - Palmiro weiß, wie gefährlich das ist, und doch zerreißt es ihm das Herz, als der Mensch, mit dem er sein Leben verbringen möchte, Koblenz verlässt. Um sich abzulenken, stürzt er sich in sein noch junges Geschäft, den Handel mit kostbaren Pelzen und wertvollem Geschmeide, und wird immer mehr zum angesehenen und erfolgreichen Geschäftsmann. Doch Palmiro ahnt nicht, dass auch dieser Erfolg bedroht ist. Der ehemalige Inquisitor Erasmus von London hat geschworen, Palmiro der Ketzerei zu überführen. Er schreckt dabei vor nichts zurück und bringt damit auch Palmiros Freunde und Familie in Gefahr.
Das spannende Finale von Petra Schiers Pilger-Trilogie
Seit Petra Schier 2003 ihr Fernstudium in Geschichte und Literatur abschloss, arbeitet sie als freie Autorin. Neben ihren zauberhaften Liebesromanen mit Hund schreibt sie auch historische Romane. Sie lebt heute mit ihrem Mann und einem deutschen Schäferhund in einem kleinen Ort in der Eifel.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Kapitel
17. November, Anno Domini 1379
Als die Tür hinter Palmiro zufiel, schnürte sich Benedikts Kehle für einen Moment so fest zu, dass er keine Luft mehr bekam. Er starrte auf das silberne Kruzifix, das still und verlassen auf dem Pult lag. Vorsichtig trat er näher heran, berührte es mit den Fingerspitzen. Das Silber fühlte sich kühl an. In keiner Weise ungewöhnlich. Entschlossen wandte Benedikt sich zum Gehen. Er musste fort. So weit fort von dem unsäglichen Schmerz, den er verursacht hatte und der zugleich sein Inneres zerriss. Fort.
Er hatte bereits die Hand an der Türklinke, als ein eigenartiges Brennen sein Rückgrat hinaufstieg. Erschrocken hielt er inne.
Sirr.
Sein Herz schlug einen Haken. »Was war das?«
Sirr.
Ganz langsam und vorsichtig drehte er sich um – und erstarrte. Das silberne Kruzifix schien rötlich zu leuchten. Das war doch nicht möglich!
Sirr.
Schweiß trat ihm auf die Stirn. »Was soll das?« Zögernd trat er wieder an das Pult.
Sirr. Sirr.
»Redest du mit mir?« War er irrsinnig, mit einem silbernen Schmuckstück zu sprechen?
Sirr. Sirr. Sirr.
Benedikts Herz schlug noch schneller. »Was soll das bedeuten?«
SIRR!
Furchtsam betrachtete er die Reliquie und streckte schließlich wider besseres Wissen die Hand danach aus. Er spürte die rote Aura heiß gegen seine Handfläche wabern.
SIRR!
Schmerz durchzuckte ihn wie ein Schwerthieb. »Ich weiß nicht, was du mir sagen willst.« Seine Stimme klang hohl und kratzig. »Was soll ich tun?«
Sirr.
Nun klang das Kruzifix eigentümlich traurig. War das überhaupt möglich? Er musste irrsinnig sein. In Benedikts Kehle bildete sich ein Kloß. Obwohl er wusste, dass es falsch war, gefährlich, unentschuldbar, griff er nach dem Kreuz, nahm es an sich.
Sirr.
Wieder durchfuhr ihn ein brennender Schmerz.
Nach Atem ringend, fuhr er auf, schweißgebadet. Allein.
Es war finster um ihn herum, und es dauerte eine Weile, bis er sich erinnerte, wo er sich befand. Schwer atmend ließ er sich in die weichen Kissen zurücksinken, welche die alles andere als billige Herberge in Nürnberg ihren Gästen bot.
Sssiiiirr.
»Nein!« Wild schlug Benedikt um sich, bis er bemerkte, dass lediglich eine Schmeißfliege um seinen Kopf herum summte.
Verfluchter Traum, der ihn Nacht für Nacht verfolgte. Verfluchtes Kruzifix.
Verflucht.
Es dauerte eine geraume Weile, bis sich sein Herzschlag wieder beruhigt hatte und der kalte Schweiß auf seiner Haut getrocknet war. Er war nun schon seit über zwei Monaten von Koblenz fort, doch noch immer verfolgten ihn die Erinnerungen, klebten an ihm wie Pech, ließen sich nicht vertreiben. Sein ursprünglicher Plan, auf direktem Wege nach Rom zu reisen, um dem Inquisitor Erasmus von London Bericht zu erstatten, hatte sich bereits vor einigen Wochen zerschlagen. Denn schon in der Handelsstadt Frankfurt, am Main gelegen, war ihm auf der großen Messe die Kunde zu Ohren gekommen, dass der Heilige Vater zusammen mit einigen Kardinälen eine Reihe hoher Inquisitoren aus ihren Positionen entlassen – oder vielmehr gewaltsam entfernt – hatte. Aufgeräumt habe der Papst, so erzählten die reisenden Kleriker, die in derselben von Dominikanern geführten Herberge untergekommen waren wie Benedikt. Sie gehörten zu einer Abordnung von Gesandten, die beauftragt waren, Ruprecht II. von der Pfalz, der sich momentan in Frankfurt aufhielt, ihre Aufwartung zu machen.
Ob die Begegnung mit den Dominikanern Zufall oder Schicksal gewesen war, wusste Benedikt nicht zu sagen, doch er konnte nicht umhin, dem Schicksal den Vorrang einzuräumen, auch wenn er bisher nicht an dergleichen geglaubt hatte. Pfalzgraf Ruprecht war ihm kein Unbekannter. Er residierte in Amberg, einer Stadt nahe Nürnberg, aus der auch Benedikts Familie stammte. Die Kleriker, die Ruprechts wegen aus Rom angereist waren, hatten ohne Zweifel in Nürnberg oder Amberg haltgemacht, um dort zu erfahren, wo der Pfalzgraf sich im Augenblick aufhielt, und waren auf direktem Wege nach Frankfurt gekommen. Benedikt wiederum hatte sich lediglich auf der Durchreise befunden, als er ihnen begegnet war. Deshalb wusste er nun, dass er sich den weiten Weg über die Alpen bis nach Rom sparen konnte, denn unter den in Ungnade gefallenen Inquisitoren befand sich auch Erasmus von London.
Aus Rom vertrieben hatte man ihn, so wussten die Kleriker zu berichten. Mit nichts als seinen Kleidern am Leib war er aus der Stadt gejagt worden, an seiner Seite zwei junge, wehrhafte Geistliche, die dafür Sorge zu tragen hatten, dass er seinen Bestimmungsort, sein Mutterkloster in England, ohne Umwege erreichte.
Bei dieser Kunde hatte Benedikt große Erleichterung verspürt, denn er war alles andere als erpicht auf die lange Reise nach Rom gewesen. Er hätte sie nur auf sich genommen, um sein Versprechen Palmiro gegenüber einzuhalten.
Palmiro.
Mit beiden Händen fuhr Benedikt sich in sein verschwitztes hellbraunes Haar, zerrte verzweifelt daran, so als würde dies helfen, die Gedanken an diesen seltsamen, besonderen Mann zu vertreiben. An den Ketzer. Hinfort mit euch!, sprach Benedikt im Stillen diese Gedanken direkt an, schalt sich jedoch gleich darauf einen elenden Idioten, weil er wusste, dass es nichts ändern würde.
Er hatte das Versprechen gegeben zu versuchen, die drohende Gefahr, die von Erasmus ausging, nach besten Kräften von Palmiro, seiner Familie, von ganz Koblenz fernzuhalten, soweit es in seiner Macht stand. Ob er damit Erfolg gehabt hätte, war alles andere als sicher. Nun jedoch schien diese Gefahr aus Gründen, die sich ihm entzogen, gebannt zu sein.
Erasmus war es gewesen, der Benedikt vor einigen Monaten nach Koblenz entsandt hatte, um sich auf die Suche nach Mathys le Smithy zu machen, der, wie Benedikt, als Spion der Inquisition ausgesandt worden war, dessen Berichte jedoch immer spärlicher in Rom eingetroffen und schließlich gänzlich ausgeblieben waren. Erasmus hatte in Erfahrung bringen wollen, ob Mathys nicht mehr lebte oder ob er womöglich in die Fänge der vermeintlichen Ketzer geraten war, die er auszukundschaften hatte. Natürlich gab es zwischen diesen beiden Extremen noch jede Menge weiterer Gründe, weshalb ein Spion und Söldner abtrünnig geworden sein könnte. Benedikt hatte es oblegen, genau dies in Erfahrung zu bringen. Darüber hinaus hätte er Mathys festnehmen und zurück nach Rom bringen sollen. Falls irgend möglich und zusammen mit ausreichend Beweisen gegen jene vermeintlichen Ketzer, laut Erasmus Parteigänger einer Nachfolgersekte des vor vielen Jahrzehnten aufgelösten und ausgerotteten Ordens der Tempelritter. Einen pompösen, aufsehenerregenden Prozess gegen die Häretiker hatte Erasmus führen wollen. Zumindest war dies die vordergründige Argumentation, mit der er die Ausstattung und Entsendung von Spähern wie Mathys und Benedikt begründet hatte. Viel eher, so argwöhnte Benedikt inzwischen, war es Erasmus’ Begehr gewesen, des unermesslich wertvollen Gralsschatzes Herr zu werden, der nach der Legende von den Tempelrittern versteckt worden war und sich bewacht noch immer irgendwo im Heiligen Land befand.
Auf die Idee, Palmiro und dessen Freund Conlin vom Langenreth gehörten dieser Sekte von Häretikern an, war Erasmus verfallen, nachdem er die beiden Männer, die sich auf einer Pilgerreise ins Heilige Land befunden hatten, bei einem Überfall seiner Söldnertruppe auf die vermeintlichen Wächter des Gralsschatzes entdeckt hatte. Palmiro und Conlin, deren Heimat im Rheinland, in der Handelsstadt Koblenz, lag, hatten sich den mutmaßlichen Gralswächtern angeschlossen, sie verteidigt. Grund genug für Erasmus anzunehmen, dass sie mit ihnen verbündet waren.
Benedikt, der zeit seines Lebens ein Söldner und Kundschafter vieler verschiedener Herren gewesen war, hatte diesen Auftrag zunächst wie jeden anderen behandelt. Er war gut bezahlt und mit wenig Aufwand verbunden. Zumindest hatte es den Anschein gehabt. Doch kaum war Benedikt in Koblenz angekommen, jener kleinen, aber wohlhabenden Stadt, die sich am Zusammenfluss von Rhein und Mosel befand, hatte er feststellen müssen, dass er sich auf etwas eingelassen hatte, dessen Ausmaß er selbst jetzt, nachdem er – feige, wie er zugeben musste – die Flucht ergriffen hatte, nicht gänzlich zu erfassen in der Lage gewesen war.
Seit Wochen, nein Monaten, versuchte er mit allen Mitteln, sich der Erinnerungen zu entledigen, den Aufruhr in seinem Herzen zu bändigen. Gelungen war ihm bislang beides nicht, und ihn deuchte, dass es mehr brauchen würde als nur einen möglichst großen Abstand zwischen ihm und jener Handelsstadt am Rhein, um seinen Seelenfrieden wiederherzustellen.
Zumindest war ihm nun die Sorge um Palmiros Leib und Leben genommen, redete er sich innerlich gut zu. Erasmus von London stellte keine Gefahr mehr dar, wenn er tatsächlich, wie es hieß, all seiner Privilegien verlustig gegangen war und nunmehr den Rest seines Lebens als einfacher Mönch in einem englischen Kloster zu verbringen gezwungen sein würde.
Die unangenehme innere Stimme, die Benedikt davon zu überzeugen versuchte, dass Erasmus ein viel zu ehrgeiziger Inquisitor gewesen war, um sich von solch einem Rückschlag abhalten zu lassen, versuchte Benedikt mit stichhaltigen Argumenten zum Schweigen zu bringen. Ein einfacher Mönch, noch dazu beim Heiligen Vater höchstpersönlich in Ungnade gefallen, hatte nicht die geringsten Möglichkeiten, irgendeinen Schaden anzurichten. Es sei denn, er würde einen anderen...