Die Darstellung von ›Englishness‹ und ihre Funktionalisierung in deutschen Geschichten englischer Literatur. E-BOOK
E-Book, Deutsch, 299 Seiten
Reihe: Formen der Erinnerung.
ISBN: 978-3-89971-602-3
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;7
2;Danksagung;11
3;I. Einleitung: Themenstellung, Theoretische Grundlagen und Zielsetzung;13
3.1;1. Literaturgeschichten und kulturelles Gedächtnis;23
3.2;2. Deutsche Geschichten der englischen Literatur: Ein erster Überblick;27
3.3;3. Literaturgeschichten als Medien der Konstruktion von Fremdbildern und der Identitätsstiftung;31
4;II. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg;47
4.1;1. Die Geschichte der englischen Literatur (1856) von Hermann Hettner Literaturgeschichte als Ideengeschichte;49
4.2;2. Eduard Engels Geschichte der englischen Litteratur ( 1883) Die erste umfassende deutsche Geschichte englischer Literatur;59
4.2.1;Die besonderen Merkmale von Engels Literaturgeschichte;59
4.2.2;England als ›germanischer Bruder‹ Deutschlands;76
4.2.3;Abgrenzung von Frankreich;80
4.2.4;Die Darstellung von Englishness bei Engel;84
4.2.5;Zwischenfazit;94
4.3;3. Carl Weisers Englische Literaturgeschichte (1902): Die Überblicksdarstellung;101
4.3.1;Die besonderen Merkmale von Weisers Literaturgeschichte;101
4.3.2;Die Funktionen von Weisers Literaturgeschichte;109
5;III. Literaturgeschichten im Dritten Reich;115
5.1;1. Walter F. Schirmers Geschichte der englischen Literatur ( 1937) Neutralität unter dem Hakenkreuz;117
5.1.1;Die besonderen Merkmale von Schirmers Literaturgeschichte;117
5.1.2;Deutschland und Frankreich;129
5.1.3;Schirmers zurückhaltender Stil;135
5.1.4;Schirmers Darstellung der Englishness;138
5.1.5;Zwischenfazit;149
5.2;2. Paul Meißners Englische Literaturgeschichte ( 1937– 39): Die nationalsozialistische Literarhistorie;157
5.2.1;Die besonderen Merkmale von Meißners Literaturgeschichte;157
5.2.2;Bezüge zu Deutschland;168
5.2.3;Vergleich zu Frankreich;172
5.2.4;Elemente der nationalsozialistischen Ideologie;175
5.2.5;Meißners Darstellung der Englishness;191
5.2.6;Zwischenfazit;214
6;IV. Literaturgeschichten nach dem Zweiten Weltkrieg;221
6.1;1. Ewald Standops und Edgar Mertners Englische Literaturgeschichte ( 1967): Die erste große Nachkriegsgeschichte;223
6.1.1;Die besonderen Merkmale der Literaturgeschichte von Standop und Mertner;223
6.1.2;Bezüge auf Deutschland und Frankreich;234
6.1.3;Die Darstellung von Englishness;236
6.1.4;Zwischenfazit;248
6.2;2. Hans Ulrich Seebers Englische Literaturgeschichte ( 1991): Literaturgeschichte als Geschichte der Modernisierung;253
6.2.1;Die Besonderheiten von Seebers Literaturgeschichte;253
6.2.2;Die Darstellung von Englishness bei Seeber;261
6.2.3;Zwischenfazit;266
6.3;3. Die Geschichte der englischen Literatur (2004): von Peter Erlebach, Bernhard Reitz und Thomas Michael Stein Literaturgeschichte als Gattungsgeschichte;269
7;V. Schlussbetrachtung;281
8;VI. Literatur;293
8.1;1. Untersuchte Literaturgeschichten;293
8.2;2. Weitere verwendete Literatur;293
"V. Schlussbetrachtung (S. 379-380)
Wie in den vorangehenden Analysekapiteln deutlich wurde, weist jede der acht in dieser Arbeit eingehender betrachteten deutschen Geschichten englischer Literatur ein ganz eigenes Profil auf. Ein Bild von der englischen Literatur zeichnen sie – naturgemäß – immer, aber nicht alle entwerfen dabei zugleich auch ein Bild von dem, was ihre Verfasser als typisch für England erachten. Ein (tendenzieller) Verzicht auf die Darstellung eines Fremdbildes der Engländer ist – entgegen den eingangs formulierten Erwartungen – nicht nur in jenen Literaturgeschichten zu beobachten, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind.
Mit den Literarhistorien von Hettner und Weiser finden sich auch bereits Werke aus der Mitte des 19. bzw. vom Anfang des 20. Jahrhunderts, die zumindest kein klar konturiertes Bild von Englishness vermitteln. Dafür geben Standop/Mertner in ihrer 1967 veröffentlichten Literaturgeschichte durch die recht häufige Nennung von als typisch für Engländer erachteten Eigenschaften noch reichlich Hinweise darauf, dass sie selbst eine Vorstellung davon haben, was ›englisch‹ ist und was nicht, und diese durchaus auch ihren Lesern vermitteln wollen. Erst die Reclam-Literaturgeschichte von 2004 ist so verfasst, dass sie auch bei akribischem Lesen nichts über das ›Wesen der Engländer‹ offenbart.
Der Zweite Weltkrieg stellt folglich im Hinblick auf den Umgang mit dem Englandbild nicht jene scharfe Zäsur in der deutschen Literaturgeschichtsschreibung dar, die man in ihm vermuten könnte, denn Vorstellungen vom ›typisch Englischen‹ wurden in deutschen Geschichten englischer Literatur noch lange nach seinem Ende formuliert. Sofern die untersuchten Literaturgeschichten überhaupt ein Bild davon vermitteln, was ihre Verfasser für typisch englisch halten, ist festzustellen, dass einige wenige Eigenschaften mit relativ großer Konstanz Erwähnung finden. Vor allem wird den Engländern immer wieder ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein zugeschrieben, das im Imperialismus seinen Höhepunkt fand. Als Beleg für das englische Nationalbewusstsein wird besonders häufig James Harringtons Oceana genannt, aber auch Rudyard Kipling ist stets als Repräsentant von starkem Nationalbewusstsein und der Imperiumsidee zu finden.
Das englische Nationalbewusstsein wird von allen aus den Literaturgeschichten zu extrapolierenden Aspekten von Englishness am nachhaltigsten betont und ist ohne Ausnahme in allen Literaturgeschichten anzutreffen, die ein Fremdbild der Engländer vermitteln; damit kann es wohl als die wichtigste Eigenschaft gelten, die den Engländern in deutschen Geschichten englischer Literatur zugeschrieben wird. Weniger prominent, aber immer noch häufig, finden die Aspekte ›Freiheitsliebe‹, ›Sinn fürs Praktische‹, ›Vernunft und common sense‹ Erwähnung sowie die den Engländern unterstellte Tendenz, fremde Einflüsse zu integrieren.
Pragmatismus und common sense werden häufig als unmittelbare Folge des religiösen Einflusses der Puritaner gesehen. Als Beleg für die Freiheitsliebe werden oft die so genannten Junius-Briefe angeführt, und Defoes Figur Robinson Crusoe ist für die Verfasser der Literaturgeschichten meist das Paradebeispiel für englischen common sense und Pragmatismus. In diesen Übereinstimmungen kommt jene Wiederholung zum Tragen, die Hobsbawm als kennzeichnend für die ›Invented Tradition‹ beschreibt. Nur gelegentlich werden darüber hinaus die Eigenschaften ›Kompromissstreben‹, ›Natürlichkeit‹ und ›Humor‹ als typisch für England angeführt."